Pieteer Brueghel d.Ä, Jäger im Winter

Seine Werke sind im kulturellen Gedächtnis der Menschheit verankert. Schon die Nennung von Bildtiteln wie ‚Turmbau zu Babel‘ oder die ‚Die Bauernhochzeit‘ lassen die grandiosen Gemälde des niederländischen Malergenies Pieter Bruegel d.Ä. vor unserem geistigen Auge erstehen.

Seine ‚Jäger im Winter‘, bisweilen auch als ‚Rückkehr der Jäger‘ tituliert, nehmen im Oeuvre Bruegels eine Sonderstellung ein. Es ist nicht nur das erste Winterbild in der abendländischen Malerei. Es ist auch eines der absoluten Meisterwerke der europäischen Kunst.

Dass der Winter urplötzlich Eingang in die Malerei der Renaissance findet ist einem Klimaumschwung zu verdanken. Zu jenem Zeitpunkt, als Bruegel sein Gemälde fertigte, herrschte in Europa mit Abstand der kälteste Winter. Mehr noch: damals begann die ‚Kleine Eiszeit‘, die bis ins letzte Drittel des 17. Jahrhunderts dauerte. Sein Versuch, die herrschende Kälte malerisch darzustellen ist ihm mit diesem Bild vollauf gelungen.

Eine Frage ist für uns in Tirol von besonderem Interesse: Stimmt es, dass die monumentale Landschaft der ‚Jäger im Winter’ unter anderem Amras, die Martinswand, Weiherburg und St. Bartelmä zeigt? Bereits 1951 hatte dies Wilhelm Fischer in einer Veröffentlichung des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum behauptet. (Seine Abhandlung findet sich als Link am Ende dieses Blogposts.)

 

Ich habe mich in den letzten Wochen aufgemacht, seine Thesen zu überprüfen und bin zu spannenden  Ergebnissen gelangt. Gerne nehme ich die Leserschaft mit auf eine kleine Rundreise 'auf den Spuren Meister Bruegels'.

Die Suche nach Spuren und Indizien

Als erstes wollte ich jenen Punkt finden, von dem aus Bruegel das Gemälde konzipiert haben könnte. Es musste einen schönen Blick auf Amras, Innsbruck und die Berge ermöglichen. Ohne den 'Ausgangspunkt'  wäre die Annahme, Bruegel könnte Amras 'verewigt' haben völlig haltlos. Ich bin fündig geworden: Bei der Abzweigung des Pfaffensteigs von der Luigenstraße findet sich direkt am Waldrand eine kleine ebene Fläche, die dann mehr oder weniger steil in Richtung Amras abfällt. Ich bin sicher, dass Bruegel von hier aus jene Skizze angefertigt hatte, die dann zur monumentalen Kulisse seiner 'Jäger im Winter' ausschmückte.

Die Stelle, an der die Jäger das Bild betreten, war im ausgehenden Mittelalter mit Sicherheit nicht abgelegen. Im Gegenteil: der Pfaffensteig stellte die alte Verbindung zwischen Amras und Ampass dar, war somit die Verbindungsroute nach Hall und weiter ins Tiroler Unterland. Dass da einiges los gewesen sein musste zeigt auch die Tatsache, dass quasi am Straßenrand des Pfaffensteigs Tirols größter Goldschatz gefunden worden war.

Wann weilte Bruegel in Innsbruck?

Die entscheidende Frage lautet: Weilte Pieter Bruegel d.Ä. überhaupt in Innsbruck? Und wenn ja, wann? Der große Renaissancemaler besuchte, nachdem er 1551 zum Meister ausgerufen worden war, zwei Jahre später Italien. Bekannt ist seine Hinreise über Frankreich. Von der Rückreise, die vermutlich zwischen 1554 und 1555 erfolgte, gibt es allerdings keine schriftlichen Aufzeichnungen.

Zwischenstopp in Maximilians Residenzstadt

Für mich ist es völlig logisch, dass er auf der Rückreise von Rom jene Stadt besuchen wollte, die Kaiser Maximilian I. zur Residenzstadt erkoren hatte: Innsbruck. Wurde doch Bruegels Heimat, die heutigen Niederlande, zu jener Zeit von den Habsburgern regiert. Zudem kannte Bruegel mit Sicherheit die Zeichnungen von Albrecht Dürer. Nicht nur jene, die der Nürnberger Meister vom kunstsinnigen Kaiser anfertigte sondern auch Ansichten der Stadt sowie der Hofburg.

Bruegel hat ‚Berge und Felsen verschluckt‘

Und wenn Bruegel in Innsbruck weilte, hat er mit Sicherheit auch jede Menge Skizzen gemacht. Bruegel war ja vor seiner Malerkarriere ein berühmter und fantastischer Zeichner, der tausende von Zeichnungen anfertigte. Bruegels Biograf Karel van Mander schrieb jedenfalls einige Jahre nach dem Tod des Meisters: „Auf seinen Reisen hat er viel Ansichten nach der Natur aufgenommen, so daß von ihm gesagt wird, er habe in den Alpen alle die Berge und Felsen verschluckt und, nach Hause genommen, auf Leinwand und Tafel ausgespien, so entschieden vermochte er auf diesen und anderen Gebieten der Natur zu folgen.“

Amras 'verschluckt und wieder ausgespien'?

Meines Erachtens gibt es handfeste Indizien, weshalb Bruegel Amras im Kopf und als konkrete Skizze vor sich hatte, als er seine ‚Jäger im Winter‘ auf Eichenholz malte: 

  • Bei seiner Rückreise in die Niederlande  herrschte der kälteste Winter seit Menschengedenken. Die kleine Eiszeit meldete sich an. Es war logisch, dass Seen und Bäche zugefroren waren. Ein Detail verdeutlicht, wie kalt es war. Denn aus dem Kamin eines Hauses schlagen die Flammen. Vermutlich, weil ob der grimmigen Kälte nicht mit Brennholz gespart wurde.
  • Die tief verschneiten Berge der Nordkette üben heute noch eine enorme Faszination auf uns moderne Menschen aus. Umso mehr musste Pieter Bruegel von dieser Felsenmauer beeindruckt worden sein.
  • Der Standpunkt des Bildbetrachters entspricht genau jenem, der sich vom Pfaffensteig aus bietet. Die faszinierenden Berge und die krass abfallende Martinswand im Winterkleid beeindruckten den Meister aus Flandern mit Sicherheit.  Und - weit wichtiger - der Amraser See lag in unmittelbarer Nähe des Dorfzentrums, auf dem heute das DEZ platziert ist. Jetzt werden viele meiner kundigen Leser fragen, wo denn in Amras ein See existierte. In der Tat, der war bis Anfang des 20. Jahrhunderts eine Realität. Kaiser Maximilian hatte hier Fische für kaiserliche Bankette züchten lassen.

Die Winterfreuden des Landvolkes

Die 'Jäger im Schnee‘ gewähren einen einzigartigen Einblick in das Winter-Leben der Menschen in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Hoch interessant sind Darstellungen, wie sich die Menschen vor 500 Jahren im Winter vergnügten. Sie hatten ja nur im Winter Zeit, sich einem Freizeitvergnügen hinzugeben, waren sie doch das restliche Jahr damit beschäftigt, ihr Überleben zu sichern.

Eines dieser von Bruegel im Detail dargestellten Vergnügungen ist für mich ein wichtiges Indiz dafür, dass er sein Gemälde auf jene Skizzen gründete, die er in Amras anfertigte. Es sind die kleinen Buben, die am Teich ganz offenbar mit Kreiseln spielen. ‚Dozenhacken‘ nannte und nennt man hierzulande diesen überaus beliebten Winterbrauch der Kinder. Wie die wunderbar-informative Seite ‘Sagen.at’ festhält, wurde der Brauch in Innsbruck ursprünglich in einer genau abgegrenzten Zeit praktiziert: vom Faschingsamstag bis zum Aschermittwoch. War Bruegel genau zu dieser Zeit in Innsbruck? Sehr gut möglich.

Und dass am selben Teich Erwachsene eine Urform des Eisstockschießens üben ist ein weiteres wichtiges Indiz. Zählte es doch zu den einst beliebtesten Wintervergnügen der Menschen in Tirol. Es wird übrigens heute noch landauf-landab praktiziert. 

So könnte Bruegels Skizzenausflug abgelaufen sein

Es ist anzunehmen, dass Bruegel während seines Innsbruck-Aufenthaltes einen Ausflug in die Umgebung machte, auf dem er Skizzen anfertigte. Der bereits erwähnte Aussichtspunkt am Pfaffensteig legt diese Theorie jedenfalls nahe. Folgen Sie mir auf einer Rundreise, die mich überzeugt hat, dass der Amras-Bezug der 'Jäger im Winter' absolut realistisch ist.

Wilten mit St. Bartelmä

Ausgangspunkt war sicher das Stift Wilten. Und hier, quasi um’s Eck, steht die älteste Kirche Innsbrucks: St. Bartelmä mit dem auffallenden Rundturm. Und der ist am Bild deutlich erkennbar.

Die steil abfallende Martinswand ist das prägende Landschaftszitat Bruegels. Die Wand ist zwar von Amras aus nicht in Cinemascope zu sehen. Und dennoch bin ich sicher, dass sie ihm in Erinnerung geblieben ist, als er sie bei der Weiterreise nach Flandern passierte. Für einen ‚Flachländer‘ musste diese Felswand Angstgefühle auslösen.

Neben der steil abfallenden Martinswand im rechten oberen Bereich des Gemäldes ist es vor allem ein ‚Landschafts-Zitat‘ Bruegels, das mir besonders ins Auge sticht: Der von der Brandjochspitze zur Frau Hitt abfallende Berggrat. Dass selbst die Frau Hitt ‚erkennbar‘ ist tut ein übriges. Der Brandjochgrat des Gemäldes ist allerdings von Amras aus nicht so klar wahr zu nehmen.

Über den Pfaffensteig nach Hall und Thaur

Ich nehme an, dass Bruegel über den Pfaffensteig nach Ampass und weiter auf der Salzstraße nach Hall zog, damals eine ultrareiche Salzstadt. Um von dort über Heiligkreuz in Richtung Thaur weiter zu gehen, wo ihn das Thaurer Schloss mit Sicherheit interessierte. Und genau auf der Strecke zwischen Heiligkreuz und Thaur ist der Grat so zu sehen, wie er von Bruegel gemalt worden war.

Den Abschluss seiner Ausflugsfahrt könnte die Weiherburg gebildet haben. Das schlossähnliche Gebäude weist nämlich heute noch zwei Indizien auf, die am Bild Meister Bruegels sogar im Detail vorhanden sind: der Rundbogen im Bereich des alten Schlosseingangs und die aufgesetzten Eck-Erker des Turms.

Und wo bleibt eigentlich Innsbruck?

Natürlich hat Bruegel auch Innsbruck verewigt. Es schaut zwar aus, als ob der Inn links um die Stadt fließt oder das Gewässer eine Meeresbucht wäre. Wie jeder große Künstler hatte auch Bruegel nicht die Absicht, eine Landschaft quasi fotografisch zu fixieren. Oder gar originalgetreu wieder zu geben. Sie diente ihm als Staffage, um jene künstlerische Freiheit auszuleben, die sich jeder berühmte Meister nimmt. Wie erwähnt, hatte selbst Albrecht Dürer seine berühmte Aquarell-Skizze von Innsbruck ohne die Serlesspitze gemalt.

 

Eure Meinung ist gefragt

Wenn es auch nur eine Annahme ist, Bruegel habe Amras in seinem Meisterwerk verewigt: Alternativen  wurden bis heute nicht genannt. Vielleicht tauchen irgendwann noch Skizzen auf, die einen direkten Rückschluss auf die Landschaftszitate Bruegels erlauben. Bis dahin können wir uns darin sonnen, dass Amras und die majestätisch aufragenden Berge der Nordkette den flämischen Meister zum großartigsten Winterbild der Kunstgeschichte inspiriert haben.

Ich bin gespannt auf eure Meinung. Seht ihr das ähnlich oder ist's nur ein Traum, dem ich nachgejagt bin? Eure Kommentare würden mich sehr interessieren.

LINKS:

"Peter Bruegels „Winterlandschaft" — ein Blick auf die Amraser Gefilde im Jahre 1553. Von Wilhelm Fischer, Innsbruck. Veröffentlichungen des Museums Ferdinandeum, Innsbruck, 31, 1951

Die Website des Innsbrucker Stadtarchivs als hervorragende Möglichkeit fotografischer und textlicher Recherche.

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