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Innsbruck International, das alle zwei Jahre stattfindende Festival für zeitgenössische Kunst feiert heuer sein zehnjähriges Bestehen – mit einem temporären Museum am Marktplatz und Interventionen an mehreren Orten.

Der digitale Zwilling

2022 steht Innsbruck International Bieal of the Arts unter dem Motto „Cookie. Take a moment to review your privacy preferences“ und reagiert damit auf die letzten zwei Jahre. Geprägt von Covid-19, Lockdowns, Social Distancing verlagerten sich – u. a. mit Homeoffice und Online-Meetings – die Aktivitäten noch mehr ins World Wide Web. Performances, Ausstellungen, Filme, Konzerte, Diskussionen kreisen bei der Biennale um die Spuren, die wir im Netz hinterlassen und ihrem Verhältnis zum Analogen. Das Veranstaltungsprogramm anlässlich des zehnjährigen Bestehens ist umfangreich. Zeigt die Entwicklung allein schon in Umfang und Länge. Bei seiner Premiere dauerte das Festival nur drei Tage. Mittlerweile bespielt Innsbruck International die Stadt mehr als zwei Wochen.

Innsbruck International am Marktplatz

Dieses Jahr befindet sich das Festival-Zentrum am Marktplatz. Und ist wirklich nicht zu übersehen. Hat doch das Wiener Künstlerkollektiv God's Entertainment eine begehbare Skulptur errichtet. „GGGNHM – Guggenheim in Innsbruck“ besetzt den öffentlichen Raum und macht ihn zum Museumsquartier. Damit nimmt GGGNHM spielerisch die seit Jahrzehnten immer wieder aufflammende Diskussion auf, ob Innsbruck ein eigenes Museum für moderne Kunst braucht. Der dafür immer wieder ins Gespräch gebrachte Platz kein geringerer als der Marktplatz. Gleichzeitig dient GGGNHM als Ausstellungs-, Veranstaltungs- und Diskussionsraum. Es ist sozusagen das Herz des in die ganze Stadt strahlenden Festivals.

In den Bögen

Dass Innsbruck International auf die Entwicklung der letzten zwei Jahre reagieren würde, war klar. „Gerade Homeoffice und Online-Sitzungen liefern internationalen Konzernen, Staaten und Firmen Informationen von enormem Wert“, so Teresa Kotyk, Gründerin und Leiterin des Festivals. Es seien digitale Zwillinge des Menschen entstanden: „Das HUMAN CAPITAL, das bei Innsbruck International 2020 im Zentrum stand, ist in der Zeit von Covid-19 tatsächlich zum Kapital geworden.“

Ein Künstler, der sich sehr direkt mit der Thematik auseinandersetzt, ist Ruben Aubrecht. Seine Arbeiten finden sich – neben einer sehr eindrücklich-bedrückenden Klanginstallation von Jo Coupe – im Bogen 87, einem der Viaduktbögen im Saggen. Also am weitesten entfernt vom Festivalzentrum am Marktplatz. Sollte einen nicht abhalten!

Auf einem schwarzen Tisch liegt ein dickes Buch, einem Telefonbuch gleich. 472 Seiten, um genau zu sein. Dem enthaltenen Text stimmt jeder Nutzer zu, wenn er die Online-Seiten des Magazins „Monopol“ lädt. Mit einem Klick!

Beeindruckend, was wir akzeptieren, wenn wir bei den Cookies „I accept” drücken. Die Installation von Nada Prlja in der Kapelle zum hl. Georg im Alten Landhaus (Maria-Theresien-Straße) geht auf diesen Aspekt ein – die Verbindung zur Religion ist offensichtlich.

One Universe

Den Weg dorthin „verkürze“ ich mir durch einen Zwischenstopp in der Galerie A4, in der Angerzellgasse. Schon traditionell eine der Stationen von Innsbruck International. Michael Strasser zeigt dort „One Universe“. Der Künstler erhielt dieses Jahr den Special Recognition Award von Innsbruck International. Eine Auszeichnung, die speziell Tiroler Künstlern zugutekommen soll. Für die Ausstellung in den geradezu sakral anmutenden Räumen der Galerie A4 hat er sich mit der Geschichte des Gebäudes Angerzellgasse 4 auseinandergesetzt. Diese diente als Basis für eine Ausstellung, in der er Skulpturen, Bildobjekte, Möbel, Malerei und Klang/Ton zu einer Gesamtinstallation verwebt.

Lars Eidinger

Weiter geht's später in den Kunstpavillon am Hofgarten. Besondere Aufmerksamkeit zieht natürlich Lars Eidinger auf sich. Der bekannte deutsche Schauspieler steht heuer im Sommer zum letzten Mal als Jedermann in Salzburg auf der Bühne. Bei der Biennale ist er mit Foto- und Videoinstallationen vertreten, die Augenblicke, Momente festhalten. „Everyday“, das Alltägliche entwickelt aus seiner Perspektive heraus eine subtile poetische Wirkung. Zur Pressekonferenz angereist und abends als DJ agierend, zeigte er sich ausgesprochen offen für Fragen rund um seine künstlerischen Arbeiten.

Einprägsam auch Shirin Neshats Film „Soliloqui“ aus dem Jahr 1999. Die Künstlerin begibt sich auf zwei parallele Reisen in zwei unterschiedliche Kulturlandschaften – New York und Mardin in der Südtürkei. Die Videos laufen auf gegenüberliegenden Seiten und der Betrachter kann immer nur den einen oder die anderen sehen. Doch die Filme – die zwei Ichs der Künstlerin – nehmen direkten Bezug aufeinander.

Zehn Jahre Innsbruck International

Zehn Jahre scheint keine lange Zeit. Doch Innsbruck International ist es rasch gelungen, sich in die Kunst- und Kulturszene Innsbrucks einzuschreiben. „Das Festival hat sich international etabliert“, freut sich Teresa Kotyk anlässlich des zehnjährigen Bestehens des Festivals. Und Kunstinteressierte freuen sich mit. Auch, wenn uns Covid-19 wohl weiter begleiten wird, uns noch stärker in eine virtuelle Welt getrieben hat. Innsbruck International Biennial of the Arts lädt zur analogen Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst ein. Eine wunderbare Ergänzung zum Kulturangebot in der Stadt. Eine Wohltat nach so langer Zeit des Darbens, des extrem eingeschränkten Kulturgenusses.

Innsbruck International – Biennal of the Arts

„Cookie. Take a moment to review your privacy preferences“

Bis 22.05.2022

Innsbruck International Office am Marktplatz

Öffnungszeiten: MI–SO, 11:00–19:00 Uhr und Abendkassa

6020 Innsbruck

info@innsbruckinternational.com

www.innsbruckinternational.com

Bitte beachte die aktuell geltenden Corona-Regeln.

Zum Ausstellungsprogramm in Innsbruck und seinen Feriendörfern geht e hier. entlang.

Fotos, wenn nicht anders angegeben: © Susanne Gurschler

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