Gletschermühle-Igls

Eine Wanderung im südlichen Mittelgebirge Innsbrucks, die in keinem Wanderführer steht? Deren Höhepunkt sogar erklommen werden muss? Die Rede ist von einem überdimensionalen ‚Bohrloch‘ eines einstmals riesigen Gletschers, einer sogenannten ‘Gletschermühle ‘ die auf dem Weg zwischen Sistrans und Igls liegt.

Meine Wahl des Ausgangspunktes eines wunderbaren Spazierganges zeigt augenscheinlich, dass ich Sistrans verehre. Das hat mehrere Gründe. Natürlich sind es vor allem die zahlreichen, sehr gut erhaltenen historischen Bauernhäuser, die mich faszinieren. Zeugen sie doch von der ungebrochenen Wertschätzung der alten, bäuerlichen Bautradition in diesem Ort. Aber da ist noch etwas, nämlich die Sache mit den berühmten Sistranser Sängern.

Nicht wenige Dorfbewohner reisten in der Vergangenheit kreuz und quer als Sänger durch die Welt. Einer von ihnen hat sogar zwei Welthits komponiert: Franz Winkler. Seine Lieder ‚Am Strande von Rio‘ und ‚Die Fischerin vom Bodensee‘ waren wirkliche ‚Gassenhauer‘, wie die Hits damals noch genannt worden sind. Dass auch einer der bekanntesten Tiroler Volksschauspieler in Sistrans Haus und Atelier besitzt rundet das Bild ab. Hubert Eichler schneiderte hier während des Tages und trat abends an der Innsbrucker Volksbühne Blaas auf.

Meinen Spaziergang beginne ich immer bei der Bushaltestelle Sistrans-Dorf. Hier hält der VVT-Bus. An der Kirche vorbei aufwärts erreicht man den Gasthof Glungezer, wo den Sistranser Sängern ein Außenfresko gewidmet ist. Einen vorbildlich erhaltenen ‚Ansitz‘ können die Wandersleute bestaunen, wenn sie bei der übrigens überaus empfehlenswerten Landmetzgerei Piegger nach links abbiegen. Der ‚Manichor’sche Ansitz‘ wird sichtbar, ein im Typus des Wipptaler Bauernhofes erbauter einstiger Adelssitz. Und genau gegenüber liegt das Geburtshaus des Komponisten und Sängers Franz Winkler.

Wieder zurück beim Gasthof Glungezer begeben wir uns auf den Badhausweg. Bald passieren aufmerksame Wandersleute ein weiteres, wunderschön erhaltenes und bemaltes altes Bauernhaus, den  ‚Lubinger Hof‘. Hier logierten einst jene zwei Rokkoko-Künstler die den Altar in der Pfarrkirche von Sistrans geschaffen haben.

Nach den letzten Häusern von Sistrans übernimmt dann die Nordkette gemeinsam mit dem Bettelwurfmassiv die Regie. Von nun an begleitet uns ein Bergpanorama, das seinesgleichen sucht. Es adelt mit seiner Schönheit und Mächtigkeit diese wundersamen Landschaft des Mittelgebirges. Genau das schätzten schon Menschen vor mehr als 3.000 Jahren, deren Urnengräber westlich des Dorfkerns gefunden worden sind.

Bei einem Brunnen am Waldrand biegen wir rechts in den Wald ab, der durchquert wird bis die ‚Römerstraße‘ zwischen Lans und der Patscherkofel-Talstation erreicht ist. Vor dem Areal des Reitclub Innsbruck-Igls biegen wir rechts ab und folgen dem Weg entlang der Gebäude. Beim letzten Stall geht’s dann den Hügel hinauf auf eine felsbestandene Anhöhe zur Gletschermühle.

Die jahrtausendealte Zeugin eines einst mächtigen Gletschers ähnelt einem Bohrloch, von Vorzeitriesen in das Gestein getrieben. Dabei waren es lediglich Wasser und Steine, die mit Ausdauer und Kraft ein perfektes, kreisrundes Loch in den harten Stein getrieben hatten.

Vom Gelände dieses Naturwunders aus führen dann quasi alle Wege nach Igls. Wer sich zum Forstweg nördlich der Gletschermühle hinunter begibt und den anschließenden Hügel besteigt kommt an eine Stelle, die als ‚Seufzerplatz‘ bekannt ist. Hier steht eine Föhre, die als Seufzerbaum bekannt ist. Weshalb? Die vielen aus dem Stamm tretenden Knollen werden so gedeutet, dass sie die Probleme der seufzenden Menschen aufnehmen und lagern. Damit seien sie für die Menschen quasi überwunden.

All jenen, die sich auf den vielen Waldwegen in Igls kaum auskennen darf hier eine Gratis-App herzlich empfehlen, die mir bei meinen Pilgerreisen immer beste Dienste geleistet hat: PhoneMaps. In ihr sind selbst Jägersteige verzeichnet. Die App ist für diese Tour deshalb ideal, weil sie auch kleinste, meist unbekannte und vor allem unmarkierte Wege anzeigt.

Ich habe mit Hilfe der PhoneMaps-App jenen Rückweg genommen, der in Igls in die Badhausgasse mündet, in der sich auch die alte Talstation der Patscherkofelbahn befindet. Nicht zuletzt deshalb, um einer Künstlerin meine Aufwartung zu machen. Auf dem Weg ins Ortszentrum liegt nämlich ein wahres Juwel alter Handwerkskunst: das Handwebeatelier von Regina Knoflach im Gebäude der alten Igler Weberei. Ich komme jedenfalls nie an ‘Regina-Textiles’ vorbei, ohne einen kurzen Blick hinein zu werfen um etwas zu kaufen.

Wer dann ins Ortszentrum von Igls zur Bushaltestelle spaziert und etwas Zeit hat, sollte erkunden, ob die Totenkapelle an der Nordseite der Kirche geöffnet ist. Wenn ja, kann man in ihrem Inneren jene jahrhundertealten mysteriösen Zeichen an der Wand bewundern, die erst kürzlich vom Tiroler Semiologen Erhard Maroschek in diesem Innsbruckblog enträtselt worden sind.

MEINE TIPPS UND HINWEISE:

  • Anfahrt nach Sistrans mit Bussen der IVB bis zur Haltestelle ‘Sistrans-Dorf’
  • Zur Orientierung empfehle ich den Download der besten kostenlosen Karten-App die ich kenne: PhoneMaps.
  • Immer einen Blick wert: https://maps.innsbruck.info/
  • Rückfahrt: in Igls kann man den J-Bus benützen, um schnell und sicher zurück nach Innsbruck zu gelangen.

 

Alle Bilder: © Werner Kräutler

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