Extremsport im Grünen

Wer das Mieminger Plateau nordwestlich von Innsbruck besucht, betritt eine in vielfältiger Hinsicht einzigartige Erlebniskulisse. Hier treffen Landschaft, Bewegung und Erholung so feinsinnig zusammen, dass man kaum anders kann, als sich den genussvollen Versuchungen bereitwillig auszuliefern. Weil ich Wellbeing und Kulinarik hier aber schon ausführlich genießen durfte, habe ich mich diesmal einem besonders außergewöhnlichen Abenteuer verschrieben: Golf. Und eine Erkenntnis gleich vorweg: Es ist ein erholsamer Extremsport.

Das Sonnenplatzl bei Innsbruck

Die schönsten Sonnenplatzln liegen ja oft gut versteckt und sind für Fremde nur schwer zu finden. Das Mieminger Plateau erreicht man von Innsbruck jedoch denkbar einfach mit dem Bus. Haustür bis Haltestelle Post in einer guten Stunde, mit dem Auto wäre man hier genau gleich schnell, im Bus hat man dafür die Hände frei. Unterwegs lese ich mich so ein wenig in den Golfsport ein, um nicht ganz planlos am Platz zu stehen. Wer hätte etwa gedacht, dass schottische Hirten einst mit Stöcken Steine in Hasenlöcher schoben und man heute darum Golf spielt. Oder, dass der durchschnittliche Golfball mit satten 150 Kilometern pro Stunde über das Green geprügelt wird? Dass sogar schon auf dem Mond gegolft wurde, erstaunt da freilich kaum, dort flog der Ball übrigens gleich mehrere Kilometer weit. Als ich in Mieming dann Richtung Golfpark spaziere, ist vom Mond keine Spur. Dafür macht das Sonnenplateau seinem Namen wieder mal alle Ehre: Ich habe Durst.

Der kleine Golfer

Ich bin absichtlich zu früh und stelle mich im Clubhouse dem Geschäftsführer Simon Knabl vor, ein hochgewachsener Herr mit gewinnendem Lächeln in adretter Golfkleidung. Ich gestehe ihm gleich, dass ich vor gut 16 Jahren nahe Nancy in Nordfrankreich schon einmal auf einem Golfplatz stand, mich da aber nur noch an den schmerzenden Sonnenbrand erinnern könne. Simon lacht herzlich, hält mir seine Sonnencreme hin und empfiehlt mir das Greenvieh für einen kühlen Welcome Drink. Dort werde mich anschließend sein erfahrenster Golfcoach abholen und in die größten Geheimnisse des Golfsports einweisen. Der Geschäftsführer zwinkert verheißungsvoll, ich krächze trockenen Dank und betrete kurz darauf das Golfrestaurant Greenvieh samt Bar gegenüber. Dort serviert man mir umgehend einen „Kleinen Golfer“, Grapefruit, Lemon und Soda im Glas, herrlich erfrischend und vitaminreich. Als ich gerade den Rasen im Garten auf Golfqualitäten untersuche, hält mir Rupert seine kräftige Hand hin: Du musst der kleine Golfer sein!

Die große Golfschule

Wir schlendern gemütlich zum 10.000m2 großen Übungsareal, in der Golfschule ist Coach Rupert in seinem Element. Mit nur wenigen Jahrzehnten mehr Erfahrung als ich, leitet er mich ruhig und bedacht beim Putten an. Sicherer Stand, richtige Grifftechnik, stabile Rotation, konzentrierte Bewegung, bei ihm sieht alles so einfach aus. Am Putting Green gibt es viele Löcher mit sanfter Topographie, hier geht’s ums absolute Feingefühl. Man nähert sich von hinten dem Golfen an, lässt mich mein Golfcoach wissen. Wer im Kleinen keine Kontrolle hat, braucht sich auf den großen Fairways (Spielbahnen) gar nicht erst zu versuchen. Also zuerst aus kurzer Distanz das Loch treffen, bevor man sich weiter weg wagt. Definitiv leichter gesagt als getan, denn jede noch so kleine Nuance in der Bewegung zeichnet der Ball am Boden nach, nervenaufreibende Millimeterarbeit. Ich tropfe, Rupert reicht mir eine Flasche Wasser und zeigt sich zufrieden. Einen von zehn eingelocht, gar nicht schlecht für den Anfang.

Alles Kopfsache

Wenige Schritte weiter versuchen sich zwei andere Herren am Abschlag in die Ferne, ich schiele aus dem Augenwinkel und versuche den Bewegungsablauf der Driving Range zu verinnerlichen. Rupert zieht nun einen anderen Schläger aus dem Golfbag und wechselt vom Putter auf ein 8er-Eisen. Die maximal 14 Schläger unterscheiden sich in Grifflänge, Material (Eisen, Holz und Hybrid) sowie Abschlagwinkel des Schlägerkopfes. Je flacher der Winkel unter den Ball greift, desto höher der anschließende Parabelbogen des Golfballes. Rupert malt vor mir alles anschaulich in die Luft, ich nicke verständnisvoll und nehme mir auch ein Eisen.

Etwa 70 Meter vor uns trägt eine kleine Hügelkuppe eine großformatige Zielscheibe, Rupert holt aus und trifft mit jugendlicher Leichtigkeit. Ich beziehe Position, lasse mich von meinem geduldigen Golfcoach einrichten, und vollziehe ungelenke Schwünge, wie sah das bei ihm nur so locker aus? Ich dresche ein, zwei, drei faustgroße Stück Golfrasen in den Himmel, wir wechseln die Position. Keine Kraft, alles Kopfsache, ermahnt mich mein Lehrer, lass die Physik für dich arbeiten. Ein tiefer Atemzug, keine Gedanken, ich hole aus, lasse los, der Schlag trifft als hätte ich nie etwas anderes getan. Das Geräusch ist wunderschön, die Parabel fast perfekt, mein Ball springt freudig vom äußersten Rand der Zielscheibe. Auf Frust folgt kaum fassbare Freude, der Rausch ist gut, gar nicht schlecht für den Anfang.

Das nächste Level

Wir ziehen gemeinsam noch ein paar Bälle durch, so langsam fängt die Sache an Spaß zu machen. Ich lasse mir das kaum anmerken und versuche heimlich zu schwitzen. Bevor sich meine unvermeidbaren Fehler aber zu sehr einschleifen, setzt mich der Rupert in sein Golfwagerl und zeigt mir die Parkcourse, also das eigentliche Golfparadies. 9-Loch unten, 18-Loch oben, ja dafür braucht man dann schon ein Wagerl und für den ganz großen Golfplatz auch so etwa fünf Stunden Zeit. Da hinten liegt die clubeigene Stöttlalm, zur zwischenzeitlichen Erfrischung beim Spiel. Ich staune und muss mich festhalten, Rupert hat sichtlich Spaß am Gelände. Ab und an darf ich aussteigen und Fotos machen, aber nur, wenn wir dabei keine anderen Spieler:innen stören.

So eine Spielbahn unterteilt sich dabei in vier verschieden schwierige Tees (Abschläge), das Putting Green mit Zielfahne und das Fairway dazwischen. Ein Hindernis heißt hier Hemmnis, ein gekrümmtes Fairway ist ein Dog Leg und Sandgruben sind Bunker. Wie viele Schläge man bis ins Loch braucht, wird in der Scorecard notiert, man kontrolliert sich gegenseitig und spielt so auch nie allein. Damit man überhaupt auf die Bahnen darf, braucht man die Platzreife samt Prüfung, nach fünf Tagen Kurs ist man erfolgreich zertifiziert. Eigentlich alles ganz locker, finde ich. Als Rupert mich dann schließlich noch zum Bus bringt, habe ich ihm längst versprochen, dass wir uns wiedersehen. So ein Schnuppertraining bucht sich hier ja im Handumdrehen. Gelernt habe ich heute nämlich vor allem eines: Golf ist eigentlich ganz geil.

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