Klassik am Berg

Heuer ging's locker und schnell. Alle Wetterdienste meldeten: Sonntag Prachthimmel, Gewittergefahr gegen null, maximal ein paar fluffige Wölkchen über Innsbruck, mehr nicht. Klassik am Berg würde also nicht wie letztes Jahr von einem gewaltigen Regenguss schon vor der Pause beendet werden. Dafür gab es aber eine andere Premiere. Das Konzert fand erstmals auf der Muttereralm statt – nicht am Patscherkofel.

Prächtiger Himmel

Das Wetter sei immer das, was die Organisatoren wirklich nervös mache, sagt Gerhard Sammer, Leiter des Tiroler Kammerorchesters InnStrumenti. Es gilt zu entscheiden, ob das Konzert am Berg oder im Haus der Musik in Innsbruck stattfindet. Wir Zuschauer merken von dieser Anspannung natürlich nichts. Warten auf das Mail, packen unsere Isomatten, Picknickdecken in den Rucksack und freuen uns.

Mit 1.608 Metern Seehöhe liegt die Muttereralm nicht ganz so hoch wie die Bergstation der Patscherkofelbahn (1.965 m). Trotzdem ist es ratsam, eine ordentliche Unterlage und warme Kleidung mitzunehmen. Ist die Sonne erst einmal weg, kann es "zapfig" werden, wie man in Tirol sagt. Ich fahre bereits am frühen Nachmittag auf die Mutterer Alm. Und teile mir die Gondel mit Mountainbikern und ihren Rädern. Der Bikepark Innsbruck auf der Muttereralm ist sehr beliebt. Von der Alm führt ein stark frequentierter Trail ins Tal.

Klassik am Berg

Heuer musste das Orchester vom Patscherkofel auf die Muttereralm umziehen. Vielleicht um die Kühe dort nicht zu stören, hört man. die Kühe auf der Muttereralm lassen sich gar nicht stören, und wir müssen auf das Gebimmel der Kuhglocken dennoch nicht verzichten. Als die ersten Klänge einsetzen, machen die Kühe sich geordnet vom Feld auf auf die tiefer liegende Wiese. Um – kein Scherz – bei den letzten Klängen wieder herauf zu stapfen. Sie inspizieren ausgiebig den Bühnenbau und nehmen ihren Platz wieder ein. Sehr aufmerksam von den Kühen, finden alle!

RobSölkner 4tet

Das Programm dieses Mal via QR-Code. Also gut, wenn das Handy noch genügend Saft hat. Wie jedes Jahr holt das Kammerorchester InnStrumenti eine Band auf die Bühne. Sie empfängt das Publikum schon einmal schwungvoll und spielt später auch mit den Orchestermusikern.

Heuer fiel die Wahl auf das RobSölkner 4tet rund um den Innsbrucker Komponisten und Pianisten Robert Sölkner. Das Programm des Quartetts groovt, vielmehr jazzt, die Zuschauer auf den „Hauptact“ ein – mit feinen Jazzklängen, Eigenkompositionen von Sölkner.

“Der Prozess der Programmplanung beginnt viele Jahre vor dem Konzert. In unserem Programmteam sammeln wir Ideen für Stücke, Solist:innen usw. So bauen wir Step by Step das Programm für das Konzert zusammen. Es dürfen bekannte Stücke dabei sein. Es sollen aber auch kreative Akzente gesetzt werden, neue Stücke eigens für diesen Anlass entstehen usw. Besonders sind wir auf der Suche nach Stücken, die mit der Lage am Berg korrespondieren. Stücke, die  nicht überall zu hören sind, wie heuer ,Tirolese‘ von Benjamin Britten. Zudem beinhaltet das Programm für Klassik am Berg stets ein Crossover. Heuer etwa zwischen Klassik und Jazz, mit den Top-Solisten vom RobSölkner 4tet.“

Gerhard Sammer, künstlerischer Leiter

Federleichter Sommerabend

Beschwingtes Programm

Beste Stimmung von Anfang an also. Die Wiese füllt sich mit Musikhungrigen. Rund 1200 Leute verfolgen Klassik am Berg live, mit Kindern und Hunden, Jause und Getränken. „Es darf wie in der Barockzeit geschmatzt, geschlürft, genossen werden“, so Gerhard Sammer, bekannt für seine launig-witzigen Moderationen. Er sorgt für beste Unterhaltung und zahlreiche Lacher zwischen den Musikstücken. Sie sind federleicht und passen perfekt zu einem lauen Sommerabend.

Den Auftakt macht Wolfgang Amadeus Mozarts 1. Satz aus der Sinfonie Nr. 40 in g-Moll. Gefolgt von „Kommt ein schlanker Bursch“ aus der Oper „Der Freischütz“ von Carl Maria von Webern. Solistin Lea Bodner begleitet mit viel Humor, schauspielerischem Talent und einer wunderbaren Stimme. Pfiffig auch die folgenden Stücke, darunter „Charles Aznavour prend un café ave Astor Piazzola“ des vor zwanzig Jahren verstorbenen Argentiniers Astor Piazzola und „Die lustigen Dorfschmiede“, des tschechischen Komponisten Julius Fučíks, der heuer seinen 150. Geburtstag feiern würde. Beim Marsch wird, wie es sich gehört, ordentlich gehämmert auf der Bühne und gewippt auf der Wiese.

Würstl & Brezen

In der Pause holen sich einige Bratwurst und Breze, Sommerspritzer und Bier. Während sich weiterhin kein einziges dunkles Wölkchen am Himmel zeigt, dafür die Nordkette in all ihrer sommerlichen Pracht. Charmant geht es im zweiten Teil dann weiter mit Paul Linckes Ouvertüre aus der Operette Grigri. Nicht fehlen darf natürlich Johann Strauss. Bei „Mein Herr Marquis“ aus der Operette die Fledermaus, schlüpfen Sammer und die Bodner in Dirndln – sehr zur Freude des Publikums. Johannes Brahms Ungarischer Tanz beschwingt, „Ausflug“ des anwesenden Komponisten Wolfgang Fally ebenso.

Wie immer vergeht die Zeit wie im Flug. Schon heißt es: letztes Stück. Schon gibt es eine heftig bejubelte Zugabe und eine Extraportion Applaus für die Technik und die vielen Helfenden hinter der Bühne. Sie sorgen dafür, dass alles reibungslos abläuft. So wie die Mitarbeiter der Muttereralmbahn, die 1.200 Leute binnen kürzester Zeit ins Tal gondeln.

Im Nullkommanix sind wir in Mutters. Ganz beschwingt noch von einem fabelhaften Konzert, bei dem das Kammerorchester InnStrumenti gekonnt zwischen Oper, Operette, Jazz und Volkslied jonglierte. Feine Musik, würzige Almluft, fantastisches Bergpanorama – ein himmlisches Gesamtpaket.

„Nach der ersten erfolgreichen Durchführung auf der Muttereralm sind wir sehr begeistert von dieser besonderen Location! Die Verantwortlichen der Gemeinde Mutters und das gesamte Team der Mutterer Alm haben uns dermaßen positiv ,aufgenommen‘, dass wir jetzt vorhaben – sofern möglich – das Konzert auch 2023 wieder auf der Muttereralm zu machen. Nach Beratungen mit unserem ,Haus-Meteorologen‘ Prof. Mayr verschieben wir das Konzert aber 2023 in den Herbst. Dort  sind in der Regel stabilere Wetterverhältnisse zu erwarten.“

Gerhard Sammer, künstlerischer Leiter

Wer sich gern bezaubern lassen möchte, der YouTube-Channel des Tiroler Kammerorchesters InnStrumenti machts möglich.

Der Innsbrucker Sommer bietet eine Reihe von großartigen Musikerlebnissen – von den Promenadenkonzerten bis zu den Festwochen der Alten Musik, zum Programm geht es hier.

Fotos, wenn nicht anders angegeben: © Susanne Gurschler

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