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Vedute – der Begriff klingt etwas altmodisch, ein bisschen antiquiert. Doch da sind wir schon mittendrin im Thema. Denn Vedute heißt Ansicht und der Begriff wird heute fast nur noch im künstlerischen, kunsthistorischen und antiquarischen Zusammenhang verwendet.

Buch und Grafik

Der Antiquar Peter Adelsberger hat einen Katalog herausgebracht, in dem nichts weniger als alle druckgraphischen Gesamtveduten von Innsbruck von 1470 bis 1980 abgebildet und kurz beschrieben sind.

Adelsberger betreibt das Antiquariat Gallus in der Anichstraße. Ein Buch- und Graphikexperte. In seinen Räumlichkeiten finden sich seltene Handschriften, historische Folianten, wertvolle Erstausgaben, Stiche und Graphiken.

Nachschlagewerk

Die Gesamtansichten Innsbrucks waren Gegenstand seiner Diplomarbeit. 30 Jahre hat er weiter recherchiert, in Archiven und Antiquariaten, in Bibliotheken und privaten Sammlungen im In- und Ausland. „Die Stadtvedute Innsbrucks in der Druckgraphik“ fokussiert auf die Gesamtansichten, denn Detailveduten wären sich zu einem Jahrhundertwerk ausgewachsen – allein mit historischen Graphiken der Maria-Theresien-Straße oder des Goldenen Dachls ließen sich Bücher füllen.

Angelegt als Katalog für Fachleute, Auktionshäuser, Sammlerinnen und Sammler, ist das großformatige Buch auch für Laien ein wunderbares Nachschlagewerk. Ansichten der Stadt aus allen Himmelsrichtungen und quer durch die Jahrhunderte – ein Augenschmaus. Die Art der Ausführung und die Detailtreue (oder auch nicht) lassen sich eingehend betrachten, die Veränderungen Innsbrucks im Großen wie im Kleinen Seite für Seite nachverfolgen. 

Stadtvedute Innsbruck

In früheren Jahrhunderten waren die Menschen nicht so mobil wie heute. Die wenigsten Menschen konnten es sich leisten, Reisen zu unternehmen. Diese waren teuer, unbequem, dauerten lange und waren gefährlich. Begüterte holten sich fremde Orte über Bilder und Bücher ins Haus. Geschaffen von reisenden Künstlern und Gelehrten, die Skizzen und Aufzeichnungen ihrer Eindrücke anfertigten, und diese in Bilder gossen.

Mit graphischen Drucktechniken, zunächst Kupferstich, später Stahlstich, konnten die Bilder reproduziert werden. Innsbruck, Knotenpunkt auf der Nord-Süd-Route, war Zwischenstopp für Händler, Geschäftsleute, Handwerker und Künstler – fand sich daher in zahlreichen Beschreibungen und Abbildungen.

Dürers Blick

Kein Geringerer als Albrecht Dürer schuf die erste wirklichkeitsgetreue Stadtansicht Innsbrucks, ein Aquarell in Ansichtskartengröße. Rund 500 Druckexemplare der berühmten Stadtansicht dürften in Umlauf gewesen sein, nicht eines hat die Zeit überdauert.

Wer heute durch den Waltherpark im Stadtteil St. Nikolaus spaziert, geht am „Dürerblick“ vorbei. Ein Betonpavillon aus den 1980er-Jahren, den die Künstlerin Katharina Cibulka und die Architektin Silvia Boday um die Umrisslinien der bekannten historischen Stadtansicht ergänzten. Der „Dürerblick“ erinnert an den berühmten Maler und sein Innsbruck-Bild.

Erhöhter Standort

Für die berühmte Ansicht wählte Dürer einen Standort, der in den folgenden Jahrhunderten zu den beliebtesten zählen sollte – etwas erhöht auf der Höttinger Seite des Inns. Für eine schöne „Draufsicht“ eignete sich besonders die Gegend um die Weiherburg, die Anhöhe bei der heutigen Villa Blanka, aber auch das Gebiet rund um den Landesfriedhof bzw. Pfarrfriedhof Mariahilf.

In diesen heute stark verbauten Gebieten befanden sich früher Wiesen und Felder, die freie Sicht auf die Stadt boten. Heute hat man einen fantastischen Panoramablick vom Hermann-Buhl-Platz aus, direkt an der Bergstation der Hungerburgbahn. Oder man genießt eines der „Sichtfenster“ auf einem der zahlreichen Wanderwege, die zur Hungerburg und weiter in die Höhe führen.

Davor die Felder

Die drittälteste Ansicht Innsbruck stammt von Alexander Colin. Der aus Flandern stammende Bildhauer wählte für seine Zeichnung den Blick von Osten. Sie dient als Vorlage für den Kupferstich, der im fünften Band der „Civitates“ 1598 erschien. Colin war 1562 nach Innsbruck gerufen worden, um am Maximiliangrab zu arbeiten. Bei seiner Stadtansicht war er eindeutig von der Landschaftsmalerei seiner Heimat inspiriert. Im Vordergrund sind Wiesen, Felder, der damals noch existierende Amraser See und grasende Kühe zu sehen. Im Hintergrund die Stadt am Inn und recht frei interpretiert die umliegenden Berge.

„Gebirge waren lange nur Staffage. Erst mit dem Alpinismus veränderte sich der Blick auf die Berge, bekamen diese einen eigenen Wert“, erzählt Peter Adelsberger. Mit dem Alpinismus kam der Tourismus. Die Zahl der Reisebücher, der Landschaftsbeschreibungen und der Stadtansichten nahm zu. Zumal sich auch die Drucktechniken weiterentwickelten.

Während Kupferplatten sich relativ rasch abnutzen, ermöglichen Stahlstiche hohe Druckauflagen in gleichbleibender Qualität. Mit der Erfindung der Fotografie verloren graphische Ansichten zusehends an Bedeutung. Bis der künstlerische Wert der Druckgraphik wiederentdeckt und die Technik in diesem Bereich reaktiviert wurde. Im Katalog „Die Stadtvedute Innsbrucks in der Druckgraphik“ finden sich Abbildungen bis zum Jahr 1980.

Panoramablick

Wie die Menschen früher lieben wir den Panoramablick, die freie Sicht auf die Stadt. Das zeigen die meist stark frequentierten Aussichtspunkte rund um die Stadt. Dazu gehören etwa der schon erwähnte Hermann-Buhl-Platz auf der Hungerburg oder die Aussichtsterrassen auf der Seegrube, am Hafelekar oder der Bergstation der Patscherkofelbahn. Doch auch die Gloriette am Bergisel oder die Bank beim neuen Mühlauer Friedhof bieten eine wunderbare Sicht auf die Innsbrucker Stadtteile, den Inn, die umliegende Bergwelt.

Peter Adelsbergers „Die Stadtvedute Innsbrucks in der Druckgraphik“ ist ein Buch nicht nur zum Schmökern und in historischen Ansichten Schwelgen. Es animiert dazu, sich die Stadt aus der einen oder anderen Perspektive mal genauer anzuschauen.

Buchtipp: Peter Adelsberger, Die Stadtvedute Innsbrucks in der Druckgraphik. Katalog der druckgraphischen Gesamtansichten Innsbrucks von 1470 bis 1980, Veröffentlichungen des Innsbrucker Stadtarchivs, Neue Folge 75, Universitätsverlag Wagner

Auf www.innsbruck.info finden sich zahlreiche Wandertipps zu Aussichtspunkten rund um Innsbruck.

Fotos, wenn nicht anders angegeben, © Susanne Gurschler

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