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Es ist nicht gerade einer jener Tage, an denen ich am liebsten in die Nordkettenbahnen springen möchte, um aufs Hafelekar zu fahren und den gigantischen Blick auf die Stadt zu genießen. Seit Tagen Nebel, Regen, Kälte – das heißt auf über 2.000 Meter Höhe winterliche Verhältnisse, Schnee, Eis, vielleicht Minusgrade. Heißt Stiefel, wetterfeste Jacke, Mütze und Schal.

Erfrischende Aussichten

Aber am Hafelekar wird am 29. September 2022 die frisch renovierte „Victor Franz Hess Messstation“ eröffnet. Und da möchte ich dabei sein. Neben der Historischen Sternwarte ist sie eines der baulichen Kleinode Innsbrucks, denen ich viel Aufmerksamkeit wünsche – und das Wissenschaftsgeschichte geschrieben haben.

Also rauf mit der Hungerburgbahn und weiter mit der Seilbahn auf die Seegrube, dem Hafelekar entgegen. Im Schnee wirkt die unspektakuläre Hütte wenige Gehminuten oberhalb der Bergstation noch unscheinbarer. Rechts ginge es auf die Hafelekarspitze, normalerweise ebenfalls ein Spaziergang, aber bei diesem Wetter auf rutschigem Untergrund nun doch nicht gerade das, was mein Herz begehrt. Wenn die Nebel sich etwas lichtet, kurz aufreißt, ist die Aussicht schon so ein Hammer.

Die Victor Franz Hess Messstation

Ursprünglich war die universitäre Messstation eine Bauhütte der Nordkettenbahnen, die 1928 eröffnet wurden. In den 1930er Jahren setzte Victor Franz Hess hier die Messungen zu jener Entdeckung fort, die unseren Blick auf das Universum grundlegend verändern sollte. Bis in eine Höhe von rund 5.000 Metern war Hess 1911/12 mit einem Ballon geflogen, um den Nachweis kosmischer Strahlung zu erbringen. Eine bahnbrechende Entdeckung, die verschiedene neue Forschungsfelder eröffnete und bis heute wesentliche Untersuchungen in der Physik vorantreibt.

Nobelpreisträger

Die kleinen holzgetäfelten Räume waren nicht für viele Menschen gemacht, als Messstation eigneten sie sich vorzüglich. Mit der Bahn konnten die sensiblen Geräte in die Höhe gebracht, die Station in kurzer Zeit, auch im Winter erreicht werden. Ideale Bedingungen also und einer der Gründe, warum Victor Franz Hess 1931 den Ruf an die Universität Innsbruck annahm.

1936 erhielt Hess für die Entdeckung der extraterrestrischen Strahlung den Nobelpreis, im Jahr darauf nahm er eine Professur in Graz an. Dass der österreichische Quantenphysiker und frisch gebackene Physik-Nobelpreis-Träger 2022, Anton Zeilinger, von 1990 bis 1999 ebenfalls in Innsbruck geforscht und gelehrt hat, zeigt, welch guten Ruf die Universität Innsbruck auf diesem Gebiet heute noch hat.

In der NS-Zeit emigrierte Hess in die USA und nahm die US-amerikanische Staatsbürgerschaft an. Nach dem Krieg war der weltberühmte Wissenschaftler noch drei Mal in Innsbruck. 1958 wurde ihm die Ehrendoktorwürde der Uni Innsbruck verliehen. Am Tag vor seinem 75. Geburtstag stand er ein letztes Mal am Hafelekar, in „seiner“ Messstation.

Frisch renoviert

Um die Bedeutung des Physikers, aber auch der Messstation zu unterstreichen, haben Uni, Stadt Innsbruck und Nordkettenbahnen das historische Gebäude renoviert. Mit der Eröffnung wird das 90-Jahr-Jubiläum der Inbetriebnahme der Messstation nachgefeiert und Victor Franz Hess' 2023 anstehender runder Geburtstag vorgefeiert.

An zwei Stationen erfahren Besucherinnen und Besucher Wissenswertes über das Wirken des Forschers sowie über die Funktion der Messgeräte. Auf der einen Seite finden sich holografische Projektionen, die Szenen aus dem Leben des Nobelpreisträgers veranschaulichen. Auf der anderen Seite erklärt ein Animationsfilm den Steinke-Apparat, der ebenfalls restauriert wurde. Er gehörte zu den zentralen Instrumenten, ermöglichte er doch eine automatisierte Dauerregistrierung kosmischer Strahlung. So konnten Messungen drei Tage ohne Wartung vorgenommen werden.

Wissenschaftshistorisches Kleinod

Der Zugang in die Räumlichkeiten bleibt bis auf Weiteres universitären Fachgruppen vorbehalten. Etwas schade, aber vielleicht ändert sich das ja noch. Bei der Eröffnung jedenfalls konnten die Teilnehmenden einen Blick ins Innere der Hütte werfen. Die Räume strahlen eine besondere Atmosphäre aus. Sind sie doch im Original erhalten und geben Einblicke in die frühe Forschungstätigkeit im Bereich kosmische Strahlung.

An den Wänden finden sich Schautafeln, die Leben, Werk und Wirken von Victor Franz Hess beschreiben und in einen wissenschaftshistorischen Kontext stellen. Dazu zahlreiche Fotoreproduktionen und der Schreibtisch des Wissenschaftlers.

Umfangreiche Forschungen

Neben Hess diente die Forschungsstätte am Hafelekar anderen Forschenden für ihre Untersuchungen. So konnten Marietta Blau und Hertha Wambacher 1937 auf hier belichteten Fotoplatten beobachten, wie ein Teilchen der kosmischen Strahlen einen Atomkern zertrümmerte. In den 1960er und 1970er Jahren waren in der Messstation ein Neutronenmonitor und Myonendetektoren in Betrieb. Mit diesen gelang es den beiden Forscherinnen, zwei in den kosmischen Strahlen enthaltene Teilchensorten einzeln zu vermessen und weitere wichtige Beobachtungen zu machen.

Noch heute wird die Victor Franz Hess Messstation genutzt. Die Daten gelangen mittlerweile digital zu den jeweiligen Forschungsgruppen.

Auszeichnung der European Physical Society

Anlässlich der Eröffnung Ende September zeichnete die European Physical Society (EPS) die Messstation mit dem Prädikat EPS Historic Site, Historische Stätte aus. Der international tätigen Organisation gehören rund 80 Mitgliedsgesellschaften und Forschungsinstitute an, dazu Einzelpersonen. Insgesamt repräsentiert EPS rund 130.000 Wissenschaftler aus aller Welt, wie der anwesende Vertreter der EPS, Rüdiger Voss, festhielt.

Mit der Plakette zählt die Victor Franz Hess Messstation nun zu den herausragenden historischen Orten der Physik international. Insgesamt 56 Einrichtungen durften sich bisher über diese Auszeichnung freuen. Am Hafelekar findet sich die dritte in Österreich und die erste außerhalb von Wien (Institut für Radiumforschung Wien, Atominstitut der Technischen Uni Wien).

Die Victor Franz Hess Messstation, diese schlichte Holzhütte hoch über Innsbruck, schreibt also neuerlich Wissenschaftsgeschichte. Renovierung und zeitgemäß gestaltete Besucherinformation unterstreichen die Bedeutung des Ortes. Ein place to go, ein place to know in Innsbruck war das Hafelekar ja immer schon – nun findet sich auf 2.300 Metern Höhe eine weitere Attraktion.

Victor Franz Hess Messstation

Wenige Gehminuten nördlich Bergstation Hafelekar/Nordkettenbahnen

Von Innsbruck aus mit der Linie J oder der Hungerburgbahn bis zur Talstation Nordkettenbahnen und dann weiter über die Seegrube zum Hafelekar.

Nur von außen zu besichtigen!

Weitere Infos unter www.uibk.ac.at

Fotos, wenn nicht anders angegeben: © Susanne Gurschler

Informationen zu weiteren Sehenswürdigkeiten in Innsbruck finden Sie auf www.innsbruck. info.

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