All das Schöne_praesent 13.10.19-12

Ein Blick in den Veranstaltungskalender von innsbruck.info genügt, um festzustellen, dass die Stadt über eine sehr lebendige Kunst- und Kulturszene verfügt. Speziell im Theaterbereich hat sich in den letzten Jahrzehnten viel getan. Neben dem Tiroler Landestheater versorgen eine Reihe von Off-Bühnen Bevölkerung und Gäste mit theatraler Feinkost. Fünf Adressen aus dem vielfältigen Angebot stelle ich hier kurz vor.

Kellertheater

Unter den Off-Bühnen ist das Innsbrucker Kellertheater die älteste. Als es 1979 eröffnete, trat es als zweite „Alternativbühne“ neben das Theater am Landhausplatz, das bald darauf geschlossen wurde. Wer in die Geschichte dieser beiden, in den 1970er Jahren gegründeten, Kulturzentren eintauchen möchte: In meinem Buch „Zwei Bühnen, acht Mal Kultur“, 2021 in der Reihe Kulturorte erschienen, habe ich mich damit befasst.

Seit 2009 leitet der Regisseur und Schriftsteller Manfred Schild das Kellertheater. Spritzige Sommerkomödien und literarische Stücke ziehen ein treues Stammpublikum in das Kellergewölbe am Adolf-Pichler-Platz. Stand es in den 1980er Jahren für neues, alternatives, experimentierfreudiges Theater in Innsbruck, teilt es sich diesen Anspruch heute mit einer ganzen Reihe von Bühnen und Ensembles. Zum Beispiel dem Staatstheater.

Staatstheater

Entgegen dem großen Namen verfügt das 2001 gegründete Staatstheater über keine eigene Spielstätte. Seit 2009 lenken die Schauspielerinnen Carmen Gratl und Ute Heidorn sowie die Kostümbildnerin Esther Frommann die Geschicke des Vereins. Mit einer gehörigen Portion Witz und viel Frauenpower bringen die drei rasante und unkonventionelle Stücke auf die Bühne.

Derzeit bespielt Staatstheater das Treibhaus mit „Tennessee Blend“ von Thomas Gassner, Markus Oberrauch und Bernhard Wolf, bestens bekannt als Feinripp Ensemble. Eine Wiederaufnahme, denn der Western sorgte bereits im Frühling 2022 in der Remise am Innsbrucker Hauptbahnhof für ordentlich Tempo und rauchende Colts.

Theater Praesent

Im Stadtteil Dreiheiligen, in der Jahnstraße, findet sich das „kleine und widerständige“ Theater Praesent. „Das Programm widmet sich der Gegenwartsdramatik, ist feministisch orientiert“, sagt Michaela Senn, die zusammen mit Elke Hartmann die künstlerische Leitung innehat. Die kleine Off-Bühne zeigt gern sperrige, herausfordernde Stücke, die vom Publikum auch kontroversiell aufgenommen werden.

Eine eigene Spielstätte zur Verfügung zu haben, ist in der so genannten freien Szene Segen und Fluch zugleich. Die Freiheit zu gestalten bedeutet auch, eine Infrastruktur zu erhalten. Die beiden Leiterinnen fungieren, vom Vereinsvorstand unterstützt, als Duo für alles. Von der Buchhaltung über die Pressearbeit bis zur Stückauswahl oder Vorbereitung der Veranstaltungen liegt alles in ihren Händen. Nach Sergej Gößners „Lauwarm“ war im Dezember mit „All das Schöne“ von Duncan Macmillan eine Wiederaufnahme zu sehen. Ende Jänner 2023 geht Theater Praesent fremd: Das Sportstück „Körper am Ende der Welt“ von Regina Dürig und Marion Rothhaar wird im „BRUX – Freies Theater Innsbruck“ aufgeführt.

Triebwerk7

Uraufführungen und eigene Stückentwicklung gehören auch bei „Triebwerk7“ zu den zentralen Anliegen. Michaela Senn ist Teil des vierköpfigen Leitungsteams. Nach einer Produktion in der „Ferrarischule“ (zum Beitrag darüber hier entlang) zeigte der Verein zuletzt „wir: im berg“ der Autorin Miriam Unterthiner. Entstanden ist das Stück als Koproduktion mit dem Theater Dekadenz in Brixen (Südtirol).

Mit der „performativen Kartierung“ des Brenner Basistunnels verwies Triebwerk7 einmal mehr auf seine Zielsetzung, experimentellen, interdisziplinären Theaterformen Raum zu geben. Wie Mosaiksteine zeigte „wir: im berg“ Facetten des Themas Berg, des Begriffs „graben“ sowie der Nord-Süd-Verbindung und verbanden sich Szenen zu einem Bild. Der Verein verfügt über keine eigene Spielstätte. Für „wir: im berg“ wählte Triebwerk7 das bereits erwähnte BRUX. 

BRUX – freies Theater Innsbruck

Das 2012 eröffnete Kulturzentrum in der Wilhelm-Greil-Straße entwickelt keine eigenen Stücke, sondern stellt Kulturschaffenden seine professionell ausgestattete Infrastruktur zur Verfügung – dank großzügiger Förderung durch die öffentliche Hand zu wirklich attraktiven Konditionen. In den letzten Jahren hat sich das BRUX so zu einer interessanten Adresse für alle entwickelt, die zeitgenössische künstlerische Formen schätzen.

Westbahntheater

Und damit kommen wir zur letzten ausgewählten Bühne, dem Westbahntheater. Die Räumlichkeiten im ehemaligen Konsum in der Feldstraße 1a hinter dem Westbahnhof mögen etwas versteckt sein, das Programm kann sich jedoch sehen lassen. Von Anfang an setzte das Westbahntheater auf ein Zusammenspiel von professionellen und Laiendarstellern. Neben rein professionellen Ensembles finden sich auch immer wieder gemischte auf der Bühne.

Geleitet vom Schauspieler Konrad Hochgruber, hat sich das Westbahntheater in den letzten 20 Jahren als fixe Größe in Innsbruck etabliert. Drei bis vier Produktionen sind jährlich zu sehen. Der Fokus liegt auf Stücken, die auf subtile Weise etwas über die Jetztzeit erzählen. „Sie thematisieren Aktuelles nicht plakativ, sondern sozusagen zwischen den Zeilen“, sagt Konrad Hochgruber.

So katapultierte die Uraufführung von Alberto Fortuzzis „Maddalena“ (November/Dezember 2022) die Zuschauer zwar ins Jahr 1750 nach Venedig, ins Teatro Sant' Angelo. Doch das verhandelte Thema ist aktuell wie je. Die Hauptfigur Goldoni will das Theater reformieren, Neues wagen, weg von der Commedia dell'Arte, hin zu ernsthaften Stücken, zu Charakterstudien, zu Stücken wie aus dem Leben gegriffen. Dafür braucht er Verbündete und findet sie.

Verbündete suchen und finden die Innsbrucker Off-Bühnen in einem Publikum, das sich neugierig auf Neues einlässt. Mit großer Leidenschaft bieten sie rund ums Jahr engagiertes, frisches und innovatives Theater für jeden Geschmack und jeden Gusto. Ein Blick in den Veranstaltungskalender von innsbruck.info zeigt die Vielfalt – und er lohnt sich. Denn es gibt viel zu entdecken in der Off-Szene.

Fotos, wenn nicht anders angegeben: © Susanne Gurschler

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