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Es gibt Musik, von der kann man einfach nicht genug kriegen. Dazu gehört seit vergangenem Herbst für mich die CD „memento mori“ des Innsbrucker Barockensembles „Klingzeug“.

Stadt der Alten Musik

Es ist ja kein Geheimnis, dass Innsbruck eine Hochburg der Alten Musik ist. Sie wird bei den Ambraser Schlosskonzerten und den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik gepflegt. Auch die Innsbrucker Abendmusik widmet sich dieser Epoche. Und die Veranstaltungsreihe „ConTakt“ lädt monatlich zu Gesprächskonzerten ins Haus der Musik. Die Szene ist gut vernetzt und das Ensemble Klingzeug gehört dazu.

Klingzeug

2011 gegründet von den beiden Musikerinnen Claudia Delago-Norz (Violine) und Anna Tausch (Cello/Blockflöte), gehören dem Ensemble darüber hinaus Petra Belenta (Bratsche), Lukas Praxmarer (Violine), Martin Riccabona (Tasteninstrumente) und Johannes Ötzbrugger (Theorbe) an. Dezidiert als „Experimentierfeld“ für Alte Musik angelegt, widmet sich das Ensemble gerne wenig gespielter Musik der Zeitspanne zwischen dem 14. und 18. Jahrhundert. Es sei eine „musikalische Sprache, die uns nahe ist”, sagt Claudia Delago-Norz.

Crowdfunding

Der erste Lockdown hat trotz aller Einschränkungen auch Gutes hervorgebracht. Anna Tausch und Claudia Delago-Norz nutzten die Zeit, um ein Promo-Video via Zoom aufzunehmen, denn: Anna war zu dieser Zeit in Innsbruck, Claudia in London. Über Crowdfunding wollten sie ihre erste CD finanzieren. Das Experiment gelang, im Sommer 2020 nahm das Ensemble „memento mori“ auf. Im Herbst 2021 ist die CD erschienen.

Sie befasst sich mit einem Thema, das in unserer selbstoptimierten Welt gern in den Hintergrund gerückt wird. Es geht um Vergänglichkeit, um Abschied und Tod – um Erinnerung, Trost und das Hoffen auf ein Danach. Klingzeug hat dafür unterschiedliche Musikstücke aus vergangenen Jahrhunderten gesammelt.

Memento mori

Den Anstoß, sich dieses Themas anzunehmen, gab ein Konzert mit dem alevitischen Kulturverein in Imst, bei dem das Totengedenken in unterschiedlichen Kulturen beleuchtet wurde. Ein interkultureller und interdisziplinärer Ansatz also, wie ihn das Ensemble liebt. Klingzeug sollte den abendländischen Teil abdecken und stieß auf wunderbare Perlen in der europäischen Musikgeschichte.

„Aus dieser Initialzündung heraus ist ein vollständiges Programm entstanden, das Klagelieder aus vier Jahrhunderten umfasst. Es hat uns sehr berührt, in dieses Thema einzutauchen. Gleichzeitig hat es uns überrascht zu sehen, wie lebensbejahend die Auseinandersetzung mit dem Tod und dem Leben ist und wie viel Positives in der Musik zu hören ist“, erzählt die Musikerin.

Wunderbar tröstlich

Eine lebensbejahende Auseinandersetzung mit der Vergänglichkeit. Das klingt auf dieser CD berauschend einnehmend. Denn das Barockensemble vereint nicht nur Kleinode aus unterschiedlichen Epochen, sie verbindet auch unterschiedliche Blickwinkel. So erklingt das Klagelied für Ferdinand III. (Lamento sopra la morte Ferdinandi III.) von Heinrich Schmelzer neben der Sinfonie für eine Unbekannte (Sinfonia Funebre) von Pietro Locatelli.

Ein mittelalterlicher Klagetanz (Lamento di Tristano) findet sich in Harmonie mit Henry Purcells „Dido's lament“ und dieses mit der Interpretation von „Planh“, einem Stück des Troubadours Raimbaut de Vaqueiras aus dem frühen 13. Jahrhundert. Die Interpretationen greifen so stimmig ineinander, klingen so nah, dass ich mich nicht satthören kann. Ich weiß nicht, wie oft ich diese CD mittlerweile gehört habe, „memento mori“ berührt mich jedes Mal aufs Neue, jedes Mal anders – und ist dabei ungeheuer tröstlich. Ein kleines großes Meisterwerk, das Klingzeug vorgelegt hat. Ein frisches – ein höchst lebendiges – Stück Alte Musik.

Klingzeug – „memento mori“
BIS records
www.klingzeug.com

Fotos, wenn nicht anders angegeben: © Susanne Gurschler

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