1_Egger-Lienz und Dix_©Gurschler

208 Kunstwerke, davon rund 180 Leihgaben, trug Kuratorin Helena Pereña für die Sonderschau „Egger-Lienz und Otto Dix. Bilderwelten zwischen den Kriegen“ im Ferdinandeum zusammen. Viel Anschauungsmaterial. Das fordert.

Unglaublich bedrückend und schwer zu ertragen: der 50 Blätter umfassende Zyklus „Krieg“ von Otto Dix, entstanden 1924.

Doch die Ausstellungsarchitektur (Juliette Israël) arbeitet geschickt mit Gassen, Straßen, mit Knicken und Plätzen, mit Ausblicken, Öffnungen und Gegenüberstellungen, dass die Fülle nur im ersten Teil der Ausstellung im Parterre etwas drückt.

Kriegsbilder

Die Beklemmung ist allerdings auch den Bildinhalten geschuldet. Geht es hier doch um die direkte Auseinandersetzung mit dem Ersten Weltkrieg. Egger-Lienz (1868-1926) erlebte diesen nur kurz als Soldat an der Front, wirkte dann als Kriegsmaler. Otto Dix (1891-1969) war an der Front bis zum bitteren Ende. In seinem 50 Blätter umfassenden Radierzyklus „Der Krieg“, entstanden 1924, verarbeitet er schonungslos das Grauen des Krieges. Kaum zu ertragen der Anblick dieser gemarterten, geschundenen, dieser zerstörten Körper.

Albin Egger-Lienz gelangte zu einer universellen Darstellung des Krieges.

Egger-Lienz schuf mit „Die Namenlosen“, denen jede Individualität genommen wurde, mit „Der Krieg“ oder „Uhnow“, aber auch mit „Mütter“ oder „Pietá“ universelle Gestalten, die von Leid, Trauer und Tod erzählen.

Egger-Lienz und Otto Dix

Im ersten Stock lenkt die Ausstellungsarchitektur den Blick sofort auf „Die Irrsinnige“ von Otto Dix. Eines seiner bekanntesten Werke und von einer ungeheuren Anziehungskraft: der stiere Blick, der ausgemergelte Körper unter der gestreiften Bluse, hinter dem Hutschleier steigen Dämonen auf und zeigen ihre Fratze.

„Die Irrsinnige“ von Otto Dix steht im Zentrum der Ausstellung „Egger-Lienz und Otto Dix“ im Ferdinandeum.

Oder „Vanitas“, die vor Jugend, Kraft und Sinnlichkeit strotzende Frau und in deren Schatten eine gekrümmte, verfallende Alte: Der Tod ist dem Leben eingeschrieben. Es sind Bilder, die einen in ihren Bann ziehen. Während bei Dix die Kriegswitwen, die Frauenfiguren sexuelle Aufladung erfahren, zeichnet Egger-Lienz Menschen, die in all ihrem Schmerz, in ihrer Gebrochenheit auch eine große Würde ausstrahlen.

Wunderbar! Egger-Lienz‘ Lünetten für den Sitzungssaal der Tiroler Handelskammer sind erstmals außerhalb desselben zu sehen!

Wie überhaupt manche Gegenüberstellung den Blick auf die Qualitäten des einzelnen Künstlers nochmals schärft und seine besondere Stellung noch einmal klarer vor Augen führt. Egger-Lienz, der zu allgemeingültigen Aussagen über das Leben gelangen will, Dix, der einen kalten oft geradezu klinischen und gern ironischen Blick auf die Menschen wirft. Zwei Solitäre eben.

NS-Zeit

Während Egger-Lienz von den Nationalsozialisten als „Bauernmaler“ instrumentalisiert wurde – und diesen Ruf nie mehr richtig loswurde, galt Dix‘ Malerei ihnen als entartet. Der Künstler malte in der NS-Zeit zwar weiter, konzentrierte sich aber hauptsächlich auf Landschaftsmalerei.

Die Nationalsozialisten punzierten Egger-Lienz als Bauernmaler, eine Kategorisierung, die seinem Werk bis heute anhaftet.

Die Ausstellung „Egger-Lienz und Otto Dix Bilderwelten zwischen den Kriegen“ führt zwei herausragende Künstler zusammen, die in der Realität nur einmal einen Berührungspunkt hatten. 2012 stellte Egger-Lienz in Dresden aus, der leidenschaftliche Ausstellungsbesucher Dix war Student an der dortigen Kunstgewerbeschule.

Kompetenzzentrum

Dix wird erstmals in Österreich eine derart umfassende Präsentation gewidmet, einige seiner Arbeiten waren davor hier noch nie zu sehen. Egger-Lienz erfährt eine internationale Kontextualisierung.

Die über 200 Werke umfassende Schau lädt immer wieder zum Verweilen, zum (vergleichenden) Betrachten ein.

Beide Künstler sorgen für eine bildmächtige Ausstellung, für die man sich Zeit nehmen, die man sich öfter – und vielleicht auch abschnittsweise – anschauen sollte. Eine Ausstellung, perfekt als Initialzündung für das Egger-Lienz-Kompetenz-Zentrum, das in der Bibliothek des Ferdinandeums eingerichtet wird. Hier sollen künftig die Fäden zusammenlaufen, wenn es um diesen bedeutenden Tiroler Künstler geht. Spannend, spannend! Da dürfen wir uns in Innsbruck wohl auf Einiges freuen.

Fotos, wenn nicht anders angegeben: © Susanne Gurschler

Egger-Lienz und Otto Dix. Bilderwelten zwischen den Kriegen
Ausstellung läuft bis 27.10.2019.

Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum
Museumstraße 15
6020 Innsbruck
Öffnungszeiten DI – So 9:00 – 17:00 Uhr
Tel. +43 512 594 89 180
Kontakt für Gruppenführungen: +42 512 594 89-111 oder anmeldung@tiroler-landesmuseen.at
www.tiroler-landesmuseen.at

Zur Ausstellung ist ein wissenschaftlicher Begleitkatalog erschienen, darüber hinaus gibt es ein umfangreiches Rahmenprogramm (hier mehr).

Infos zu weiteren Ausstellungen in Innsbruck und Umgebung unter www.innsbruck.info

Ähnliche Artikel