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Wer in letzter Zeit durch Innsbrucks neue Restaurants und Shops gewandert ist, wird es schon längst bemerkt haben: Den spürbaren Trend zum Schicken, aber nicht Neuen. Alte Möbel, neu arrangiert, zweckentfremdet, oder einfach „nur“ liebevoll restauriert und in den Mittelpunkt gestellt. „Upcyling“ heißt der Trend, der sich in letzter Zeit immer größerer Beliebtheit erfreut. Einer der Vorreiter in Innsbruck ist Johannes Münsch, er hat hier an der Universität Architektur studiert und seine Diplomarbeit über Upcyling verfasst. Ich treffe ihn in seiner neuen Werkstatt in der Hallerstrasse 43, was nicht ganz einfach ist, denn er ist gerade erst aus dem ehemaligen „Upcycling Studio“ mitten in der Stadt hierher gezogen. Noch ist alles etwas versteckt und gerade erst im Entstehen.

Ein paar Gänge und Stufen weiter finde ich mich in den riesigen Räumlichkeiten der ehemaligen Tiroler Lodenfabrik wieder, hier soll in den kommenden Monaten alles anders werden. Aktuell dienen die Räume in erster Linie als Lagerplatz und davon kann Hannes nicht genug haben. Auf Flohmärkten und aus Geschäftsauflösungen findet er seine Lieblingsprodukte mit denen er arbeitet. Sein erstes Projekt in Innsbruck war die Wand in der hippen „Machete“, die aus alten Laden besteht. Aber auch die Gestaltung des neuen „Immerlands“ am Wiltener Platzl trägt seine Handschrift. Alte Türen wurden zu Tischen umfunktioniert. Neue Projekte sind das „Selles Wohnzimmer“ und der Laden des „Gönn dir“ Bagelshops am Boznerplatz. 

„Vom Abfall zum Glücksfall“

Getreu seinem Motto wäre für Hannes ein Auftrag „was Neues“ zu machen kein guter Auftrag. Denn er macht was Neues aus Altem, aber niemals komplett neu. Es ist eine Philosophie, die er selbst auch privat verflogt: Hannes fährt z.B. aus Prinzip kein neues Auto, sondern einen alten T3 Bus. In den passen dann auch die größeren Stücke, die er oft transportieren muss.

Johnnes Münsch in den neuen Räumlichkeiten. Foto: Lea Hajner

Johnnes Münsch in den neuen Räumlichkeiten. Foto: Lea Hajner

Was das Beste an seinem Job ist? Da muss er nicht lange überlegen: seine Auftraggeber. Interessierte, offene Menschen, auf der Suche nach Individuellem. Und ein solches individuelles Stück steht auch immer am Anfang seiner Arbeit. Ein Prototyp, der als erstes in den Raum gestellt wird und anhand dessen sich der Rest entwickelt. „Keinen Anspruch an Originalität, aber einen Anspruch auf Individualität“ hat Hannes dabei und meint dabei die Weiterentwicklung von Gegenständen zu neuen Gegenständen, wie z.B. viele Lautsprecher nebeneinander, die gemeinsam nun ein stimmiges Wanddesign ergeben. Auch Amazon ist bereits auf ihn aufmerksam geworden, aber Hannes winkt ab – daran hat er kein Interesse.

Sein Arbeitsalltag passiert vor Ort beim Kunden und in seiner Werkstätte – nicht vorm Computer. Seit einem Jahr auch seine einzige Option, denn Hannes lebt und arbeitet ohne Computer. Ein Smartphone muss aber schon sein und das klingelt ununterbrochen, die Nachfrage ist groß. Und für seine Buchhaltung hat er jemand mit Computer engagiert.

Auch Events holen sich seine Hilfe, wie z.B. das Bonanza Festival und kommenden Winter auch das Mega-Event Air + Style in der Olympiawelt.

Die Wand in der Machete. Foto: Johannes Muensch

Die Wand in der Machete. Foto: Johannes Muensch

Das Selles. Foto: Lea

Eine Wand aus alten Lautsprechern. Foto: Lea

Das Selles. Foto: Lea

Das Selles Wohnzimmer. Foto: Lea

Das Selles. Foto: Lea

Das Selles. Foto: Lea

Kulinarisches Upcycling: Feld Verein & Koch Lokal

Aber auch an anderen Ecken in Innsbruck wird eifrig am Nachhaltigkeitsthema gearbeitet: der Innsbrucker Feld Verein hat eine klare Mission: „Verein zur Nutzung von Ungenutztem. Gemeinsam werden ungenutzte Ressourcen – materielle wie immaterielle – entdeckt, gesammelt und verwandelt.“ So werden z.B. gemeinsam Äpfel geerntet, die dem Besitzer einfach zu viel sind und ohne fremde Hilfe verrotten würden. Diese werden anschließend verwertet und stehen gegen freie Spenden nach dem „pay as you wish“ System an verschiedenen Orten in Innsbruck zum „Kauf“. Wer also wirklich regionale, sinnvolle – und vor allem auch köstliche – kulinarische Souvenirs möchte, wird bei einer der sechs öffentlich zugänglichen Verteilerstellen fündig werden.

Foto: Lea

Foto: Lea

Die Weitergabe das immateriellen Gutes findet z.B. in Form von Workshops statt. Bei einem Milchverarbeitungsworkshop in den Räumlichkeiten der Bäckerei letzten Frühling konnte ich alles Mögliche und Spannende über Joghurt, Topfen und Frischkäseherstellung lernen. Ebenso wie man Restprodukte weiterverwendet und so zB köstlichen Ricotta selbst machen kann.

Das KochLokal

Blick ins Esszimmer. Foto: KochLokal.

Blick ins Esszimmer. Foto: KochLokal

In der Küche. Foto: KochLokal.

In der Küche. Foto: KochLokal

Überschüssige Produkte werden unter anderem auch im Innsbrucker Koch Lokal – dem „Spielraum für Alle“ verkocht. Mittwoch bis Freitag kocht jeweils einer aus dem Verein für alle anderen Vereinsmitglieder, die Interesse haben. Darüber hinaus werden die Räumlichkeiten für spezielle Events und Workshops, sowie Yoga-Stunden genutzt.

Simone Pichler ist einer der vier Gründer/innen, die den Verein ehrenamtlich entwickelt haben und nun betreuen und bespielenDas Schönste ist für sie, dass die Räumlichkeiten für verschiedenste Formate genutzt werden können:„Workshops, Party, Lesung, Konzerte oder auch um einfach nur gemütlich im Sessel zu sitzen und ein Buch zu lesen oder zu arbeiten. Daraus resultierend kommen die unterschiedlichsten Menschen im KochLokal zusammen, woraus neue Kontakte entstehen und Verbindungen geknüpft werden können. Und natürlich gibts’s immer was Gutes zum Essen!“

Achtung, der Mittagstisch ist nur gegen Voranmeldung/mit Mitgliedspass! Neugierige können aber immer vorbeikommen auf einen Kaffee, getreu dem Motto „Noch nie ist jemand wieder hungrig gegangen“.

Ho & Ruck Innsbruck

Ho & Ruck an der Hallerstrasse ist ein Indoorflohmarkt in einer 1.001 m² großen Verkaufshalle, hier finden sich schon für ein paar Cent schöne Gläser und alte Teller. Gleichzeitig ist der Ho & Ruck ein sozialökonomischer Betrieb für Personen, die schon lange vergeblich Arbeit suchen. „In unserer Holzwerkstätte restaurieren und reparieren wir interessante Stücke, die wir im Anschluss daran ebenfalls unseren Kund/innen zum Kauf anbieten.“ Also auch hier finden sich alte Stücke, die nun wieder einsatzbereit sind für ein neues Leben.

Via Shop Innsbruck

Der Via Shop in Innsbruck hat sich den kleineren und handlicheren Upcyling-Produkten gewidmet und verkauft diese auch im Geschäft. Die Via Produktionsschule hilft Jugendlichen beim Übergang zwischen Schule und Beruf um sich am Arbeitsmarkt besser und schneller zurecht zu finden.

Ob einfach nur genießen und sich für die eigenen vier Wände inspirieren lassen, oder selbst Hand anlegen bleibt jeden selbst überlassen. Sicher ist, in Innsbruck wird man fündig.

 

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