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In einigen Tagen ist’s wieder soweit: Ein einziger Tag, nämlich Mariä Lichtmess, entscheidet über den Frühlingsbeginn. Zumindest im Volksglauben. Dieser Tag hatte aber jahrtausendelang eine wesentlich größere Bedeutung: Es war der erste Tag des neuen Jahres und daher mit allerlei Verrichtungen befrachtet, die das Jahr zu einem guten Jahr machen sollten.

Der 2. Februar war für meine bäuerlichen Vorfahren einer der entscheidenden Tage des Jahres. Sie nannten solche Tage ‚Lostage‘, deren positive oder negative Folgen allein vom Wetter abhingen. Also eine Art Orakeltag. Anfang Februar war’s die Frage, ob der Winter schon vorbei ist oder doch noch einmal zurückkommt. „Wenn’s an Mariä Lichtmess stürmt und schneit, ist der Frühling nicht mehr weit.“ Mein Opa geruhte anzufügen: „Ist es aber klar und hell, kommt der Lenz wohl nicht so schnell.“ Der Tag hatte indes eine viel weitreichendere Bedeutung für die prähistorischen bäuerlichen Gesellschaften: Er war der erste Tag des neuen Jahres. Vom Wetter an diesem Tag hing im Volksglauben vor allem der Beginn der Aussaat ab.

Mariä Lichtmess

So wär‘ das Wetter am 2. Februar gerade recht: Sturm und Schnee würden einen baldigen Frühling erwarten lassen.

 

Was ist eigentlich ein Lostag?

Wir Menschen sind spätestens seit der neolithischen Revolution als Ackerbauern unmittelbar vom Wetter abhängig. Zuviel Regen, Kälteeinbrüche oder Trockenheit können immer noch Hungersnöte verursachen. Deren Konsequenzen meist in Kriegen oder Revolutionen enden. Da wär`s schon recht fein, wenn der 2. Februar ein Tag mit Schnee, Nebel und anderen wettertechnischen Grausamkeiten sein könnte.

Im Wort ‚Lostag‘ verborgen ist übrigens die Bedeutung von „Los“ im Sinne von „Schicksal“ und nicht im Sinn von ‚Brief-Los‘. So richtig interessant wird der 2. Februar allerdings, wenn man seine Bedeutung im sogenannten ‚keltischen Kalender‘ betrachtet. Obwohl dieser faktisch nicht mehr vorhanden ist, bildet er immer noch die Basis vieler Fest- und Feiertage und vieler ‚Lostage‘, die das Christentum einfach okkupiert hat.

Wie hängen Mariä Lichtmess und Martini zusammen?

Um die Wintersonnenwende am 21. Dezember sind es zwei Daten, die noch vor 100 Jahren das bäuerliche Leben entscheidend prägten: der 11. November, ‚Martini‘, der christliche Festtag des Heiligen Martin. Und der 2. Februar, ein Tag, der „Mariä Lichtmess“ genannt wird. Aber was haben die beiden miteinander zu tun?

Beide Tage sind gleich weit vom 21. Dezember entfernt, nämlich 40 Tage. Das bäuerliche Jahr ‚endete‘ spätestens an Martini und ‚begann‘ wieder am 2. Februar. Eine Vielzahl ungeschriebener, bisweilen uralter Gesetze und Verhaltensnormen für Verrichtungen kennzeichneten beide Tage und die Zeit dazwischen. Wer den Gründen dafür nachspürt trifft auf eine Mischung aus keltischen und christlichen Glaubensvorstellungen mit römischen Zusätzen. Aber der Reihe nach.

Pieter Breughel d.Ä.

Den Kelten lag das Feiern sehr am Herzen. Erst die Christianisierung bringt eine puritanische Note ins Spiel. Pieter Breughel d.Ä. hat diesen Gegensatz in seinem Gemälde „Der Kampf des Karneval mit dem Fasten“ genial dargestellt. Bild: wikipedia

 

Als das Jahr noch an Lichtmess begann und zu Martini endete

Die keltische Kultur basierte nicht auf religiösen Fundamenten und Vermutungen wie etwa das Christentum. Unsere prähistorischen Vorfahren teilten das Jahr ganz rational aufgrund ihrer Beobachtungen der Natur ein. Und da waren die Sonnwenden zentrale Bezugspunkte. Die Wintersonnenwende war von herausragender Bedeutung. 40 Tage vorher stellten die Bauern quasi ihre Arbeit ein (sie mussten es wohl oder übel) und feierten. Feiern waren für prähistorische Gesellschaften ein Ausdruck des Zusammenhaltes einer Schicksalsgemeinschaft. Dass sich die Menschen dabei bisweilen verkleideten und Schabernack trieben, war irgendwie logisch. Dieses Brauchtum verlor sich nicht im Laufe der Zeiten. Im Gegenteil: es hat die Jahrtausende in leicht abgeänderter Form überdauert.

Ich habe den Brauch des ‚Martinigansl-Essens‘ in kleinem Rahmen wieder belebt. In unserer ‚Schule der Alm‘ feiern wir den Abschluss des Almjahres immer mit einem Martinigansl-Essen im Gasthof Lamm zu St. Jodok. Und das Gansl ist immer eine Weidegans aus dem Wipptal.

 

Die prähistorischen Spuren des 11. November sind heute noch erkennbar: Narren stürmen zu Martini allethalben um 11 Uhr 11 die Rathäuser um die Bürgermeister abzusetzen und die Fasnacht zu eröffnen. Und mittags verdrücken viele von uns eine Martini-Gans oder halt Teile davon. Dieses fette Essen geht wiederum auf die Festivitäten der Knechte und Mägde zurück, die sich – den Lohn ihrer harten Arbeit in den Taschen – auch einmal so richtig den Bauch vollschlagen wollten.

Christliches ‚Framing‘ für heidnische Traditionen

Das Christentum musste sich wohl oder übel an den uralten Bräuchen und vor allem an den alten Feiertagen orientieren um die damaligen ‚Heiden‘ in die christlichen Kirchen und damit zum neuen Glauben zu locken. Das ‚Framing‘ für die einstigen heidnischen Feiertage wurde verändert. Das ist vor allem an Mariä Lichtmess unschwer zu erkennen, ein Feiertag, der aus dem keltischen Imbolc-Frühlingsfest Anfang Februar erwachsen ist.

Zuerst ‚Mariä Reinigung‘, jetzt ‚Darstellung des Herrn‘

Das keltische Fest war im Kern ein Wasch-Ritual, das auf der Neugeburt der Natur aufbaute. Also mussten die Christen das heidnische Fest neu ‚definieren‘. Aus Imbolc wurde die ‚Darstellung des Herrn im Tempel‘, ein kirchliches Fest, das am 2. Februar begangen wird. Für die 40 Tage hatten die Kirchenväter auch eine Begründung zur Hand: Demnach musste Jesus nach jüdischer Tradition spätestens 40 Tage nach seiner Geburt im Tempel präsentiert werden.

Die ‚Darstellung Jesu‘ im Tempel aus der Hand Meister Holbeins d.Ä. Bild: wikipedia

 

Bezeichnend ist, dass bis 1969 am 2. Februar das Fest als ‚Mariä Reinigung‘ gefeiert wurde. Das jüdische Gesetz der damaligen Zeit schrieb vor, dass Maria 40 Tage nach der Geburt Jesu ein Reinigungsopfer darzubringen hatte, was ja wiederum bestens mit dem keltischen Wasch-Ritual zusammen gepasst hätte. Davon musste man allerdings kirchlicherseits abkommen, um sich nicht selbst zu widersprechen.  Wurde doch bereits auf dem Konzil zu Konstantinopel anno 692 darauf hingewiesen, dass Maria unbefleckt gewesen war. Eine Reinigung wäre also völlig unnötig gewesen. Der Antrag wurde damals vom Konzil abgelehnt, schließlich am 2. Februar 1969 – also 1277 Jahre später – auf Umwegen eingeführt. Jetzt feiert man die „Darstellung des Herrn“ im Tempel.

Römisch-katholisch

Ursprünglich dürfte der Februarbeginn sogar auf ein uraltes römisch-heidnisches Reinigungs- und Sühneritual zurückgehen. Bei dem übrigens auch Fackeln an das Volk verteilt wurden. Worauf die katholische Kirche vermutlich im 10. Jahrhundert die Kerzenweihe eingeführt hat. Heue noch werden an diesem Tag Prozessionen mit den neu geweihten Kerzen durchgeführt. Bisweilen wird zum Abschluss der Kerzenweihe noch der Blasiussegen erteilt. Selten ist es so klar erkennbar, dass römisch und katholisch ursächlich zusammen hängen. Und kaum an einem anderen Tag des Jahres sind die prähistorischen Grundlagen eines modernen Feiertags deutlicher sichtbar als am 2. Februar.

Mariä Lichtmess

An Mariä Lichtmess werden die Kerzen für das gesamte Jahr geweiht.

 

Tipps zur Vertiefung in das Thema:

Rolf Fischer, Brauchtum in der Schweiz

Eine detaillierte Zusammenstellung verschiedener Bräuche an Mariä Lichtmess bietet die wunderbare Site sagen.at

Eine Darstellung der Bedeutung des 2. Februar aus Sicht der katholischen Kirche

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