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Marius Schwager
18. November 2017
Originalsprache des Artikels: Deutsch

Kleider machen Leute und Seide geht immer. Der klassische, kaiserliche Stoff ziert schon jahrtausendelang das Erscheinungsbild von Frauen (und natürlich so mancher Männer). Auch in der Moderne bereichern seidige Stoffe ein elegantes Outfit. Besonders schmeichelhaft fühlen sich die handgewebten Naturseidenprodukte von Mohammad an, hergestellt in dem neuen Seidengeschäft „Brokat“ in der Innsbrucker Innenstadt.

Samt und Seide schmeicheln jeder Frauenhaut. Das wusste auch schon Kaiserin Maria Theresia als sie die kaiserlichen Stuben in der Hofburg zu Innsbruck mit Samt und Seide einen neuen Anstrich gab. Gerüchten zufolge scheinen auch Männer Produkten aus Seide gegenüber nicht gänzlich abgeneigt zu sein.

Und auch heute noch ist Seide ein wichtiger Bestandteil der Tiroler Kultur und gehört zum Selbstverständnis. Das klassische Tiroler Dirndl wäre in seiner festlichen Version kaum ohne Seide denkbar.

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Ein original Jacquard-Webstuhl – für seine 210 Jahre sieht er noch richtig knackig aus.

Von Damaskus nach Innsbruck – Die neue Seidenstraße

Von Venedig über Südtirol und den Brenner bis Innsbruck verlief im Spätmittelalter einer der wichtigsten Handelsrouten Südeuropas und Seide war eines der wichtigsten Handelsprodukte. Gut 200 Jahre später und nach dem quasi kompletten Outsourcing der Seidenproduktion und der Bekleidungsindustrie nach Ost-Asien findet ein junger Unternehmer des klassischen Seidenweber-Handwerks den Weg vom Orient nach Innsbruck.

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Mohammad an seinem liebsten Arbeitsgerät.

Mohammad ist ein dynamischer, charmanter, junger Mann, Typ Startup-Gründer – angenehmerweise deutlich weniger arrogant und dafür bodenständiger und höflicher als die Vertreter aus so mancher hippen Großstadt – und stammt aus Damaskus, Syrien. In den Wirren des immer noch aktuellen Bürgerkrieges hat er als junger Mann die Wahl zwischen Armee und Krieg, Folter und vermutlich den Tod im Gefängnis der Assad-Regierung oder der Flucht aus Syrien ins Ungewisse. Heute, drei Jahre später steht er nun in seinem neu eröffneten Laden in der Brixnerstrasse in Innsbruck und führt seine Geschäfte weiter. Die händische Produktion von Naturseidenstoffen ist bei ihm seit rund einem Jahrhundert gelebte Familientradition .

Mohammad lächelt durchweg und man merkt ihm sofort an, wie er mit Leidenschaft in seinem Geschäft aufgeht. Das traditionelle Seidenhandwerk scheint nicht nur Familientradition, sondern auch seine große Liebe. Die drei Jahre fluchtbedingte Untätigkeit ohne Arbeit als selbstständiger Händler und Unternehmer waren für ihn nicht leicht. Nach einigen Deutschkursen, langwierigen Behördengänge und dem Glück, dass sein Seidenweber-Handwerk in Österreich keinen Beschränkungen unterliegt, gab auch die Wirtschaftskammer ihr OK. Nun steht Mohammad fast täglich hinter seinem raumgreifenden historischen Jacquard-Webstuhl, produziert Seidenstoffe und erklärt das Seidenhandwerk interessierten Kunden: Handgemachte Naturseidenstoffe.

210 Jahre Seidengeschichte

Mohammad verschwindet fast hinter den wuchtigen Balken. Einen Meter Seidenstoff kann er täglich auf dem raumgreifenden und beeindruckenden Webstuhl direkt im Laden herstellen. Was er nicht hier schafft, wird aus Syrien importiert, natürlich ebenso handgefertigt im Familienunternehmen. Das 210 Jahre alte Erbstück ist ein originaler Jacquard-Webstuhl. Einer von weltweit nur sehr wenigen, die noch in Betrieb sind und der alleine schon einen Besuch wert ist. Die Jacquard-Webstühle machten 1805 als Verbesserung der ersten mechanischen Webstühle von Edmund Cartwright (ab 1785) das Weben groß gemusterte Gewebe erst möglich. Im Unterschied zu diesen und den Damast-Webstühlen werden die Platinen in den Jacquard-Webstühle über klassische Lochkarten gesteuert.

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Die antiken Lochmusterkarten sind ein echter Blickfang.

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Seidenfäden im Webstuhl eingespannt.

Mohammad erklärt und zeigt, wie mit der historischen Maschine Seide hergestellt wird, wie ein klassischer handbetriebener Webstuhl funktioniert und natürlich verkauft er seine seidigen Produkte auch direkt an die Frau. Männer sind natürlich auch willkommen und können z.B. schmeichelhafte Seidenkrawatten erstehen.

Die neue Seidenstraße

Als durchschnittlicher Mitteleuropäer kann man sich schlecht vorstellen, wie man aus einem Kriegsgebiet ein solch großvolumiges, antikes Gerät so herausschaffen kann, dass es unversehrt bleibt. „Schon als Kind musste ich den Webstuhl auseinander- und zusammenbauen und reparieren, er ist ziemlich robust“ sagt Mohammad, Schwierig dagegen war es die vier großen Kisten durch Syrien zu transportieren. „Der Transport bis in den Libanon war  – sagen wir – kompliziert“, lacht Mohammad. Der Webstuhl musste noch von Beirut/ Libanon über Paris, Wien bis nach Innsbruck transportiert werden. „Das war dann alles ziemlich einfach 😉.“  Auch wenn die neue Seidenstraße scheinbar über so manche nationale und bürokratische Hürde musste, handgemachte Naturseide gibt es nun jedenfalls nicht nur in Damaskus, sondern auch in der Brixnerstrasse im „Brokat“.

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Detailaufnahme vom fertigen Brokat.

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Mohammads Großvater am gleichen Webstuhl.

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Seidenfäden

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Seide und Frauen, das war schon immer eine ganz besondere Beziehung und auch heute noch zeigt sich besonders das weibliche Geschlecht sehr interessiert.

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Das jeweilige Muster wird zunächst auf Millimeter-Papier vorgezeichnet.

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Klassisches Muster im Detail.

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Weitere Infos

Kontakt:

Brokat
Mohammad Jabr
Wilhelm-Greil-Straße 5
A-6020 Innsbruck

Telefon: +43 688 640 824 73; Web: www.brokat-tirol.at; Email: mhd.jabr@hotmail.com

Weitere samtseidige Tipps: Die kaiserlichen Stuben in der Hofburg betrachten, geht am besten mit der Innsbruck Card. Die samt-seidigen kaiserlichen Hofgemächer finden sich in der Hofburg, Innsbruck Altstadt.

Alle Fotos: © Marius Schwager, www.mountainmoments.de

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