Ötztal Classic 2018 (1 of 1)

Ein herrlicher Tag. Augustsonne auf Anschlag. Es ist heiß hier, wie in der Savanne. Irgendwie bin ich froh, dass neben mir ein Brunnen plätschert. Unauffällig getarnt stehe ich mit meiner Kamera zwischen ein paar Touristen. In der Innsbrucker Altstadt herrscht gewohnte Betriebsamkeit – oh, du trügerischer Alltag. Schon rollt ein tiefes Knurren durch die Gassen. Die Menge blickt suchend, ich pirsche mich vor, es ist so weit. Das Knurren wird lauter, heißes Benzin hängt in der Luft. Zuerst ein riesiger weißer Panther (Westwind J 72 Cabrio, 250PS, Bj.1983). Gefolgt von einem silbernen Jaguar (E-Type S1, 279PS, Bj. 1967). Dann sind sie alle da. Unzählige Oldtimer rollen durch die uralten Gassen. Es ist der Innsbrucker Boxenstopp der 20. Ötztal Classic Oldtimer Rallye. Meine Foto-Safari beginnt.

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Am Wasserloch.

Nach der Prozession durch die Altstadt, treffe ich an der Sammelstelle vor dem Landestheater auf Pia Schorer, eine der Kräfte hinter den Kulissen. Sie hat mich eingeladen die heutige Etappe der Jubiläumsfahrt ein Stück zu begleiten. Von Innsbruck bis in die Leutasch bei Seefeld. Nur ein kleiner Abschnitt durch die Alpen, denn die Ötztal Classic führt ihre Teilnehmer jährlich drei Tage lang auf nostalgi schen Routen durch ganz Tirol – über das berühmte Timmelsjoch, den Rettenbach Gletscher, durch das Inntal und nach Seefeld (hier der präzise Routenverlauf). Nicht nur eine Leistungsschau für Liebhaber, sondern tatsächlich eine waschechte Rallye. Mit allem was dazu gehört: Zeitfahren, Sonderprüfungen und knappen Anweisungen vom Beifahrer. Beziehungsweise Beifahrerin. Über die echauffiert sich neben uns gerade ein erfahrender Teilnehmer älteren Baujahres. Zu viele unverzeihliche Fehler, einen echten Profi müsste man haben, mit der Ehefrau sei er nun wirklich das allerletzte Mal gefahren. Gestikulierend stapft er Richtung Goldener Adler, zum Mittagessen.

In freier Wildbahn.

Pia und ich müssen grinsen – bei liebevoller Pflege rostet bekanntlich auch die alte Liebe nicht. Was der erfahrene Streckenveteran aber meinte, merke ich, als ich bei Pia dann plötzlich selbst Beifahrer bin: Roadbook, Route, Kilometer, Entfernung, Geschwindigkeit, Zeitnehmung? Ich habe keine Ahnung.

Zum Glück bringt meine Fahrerin die nötige Erfahrung im Anweisungen lesen mit – ich dafür Google Maps. Gemeinsam reihen wir uns in den Hochglanz-Konvoi der Klassiker und Kuriositäten. Vom Landestheater machen wir uns über die Maria-Theresien-Straße, durch die Triumphpforte und weiter über malerische Bundesstraßen auf den Weg in die Leutasch. Das Kaiserwetter rechtfertigt einmal mehr die Erfindung des Cabrios, mit runtergelassenem Verdeck lässt man sich den kühlen Fahrtwind besonders gern um die Nase brausen. Ich selbst fahre ja eigentlich Fahrrad, mit Oldtimern habe ich (auch altersbedingt) kaum persönliche Lebenserfahrung. Auf der kurzen Etappe durch die Berge bei Telfs schlägt mein Kinderherz darum Trommelwirbel. Ich grinse breit von einem Scheinwerfer zum anderen und bin froh, dass Google uns die Strecke ansagt. Ich selbst bin nämlich viel zu beschäftigt das atemberaubende Fahrerlebnis durch die Alpen zu genießen.

Das Überleben der Älteren.

Beim Quellenhof in der Leutasch wartet die nächste Sonderprüfung: Zeitkontrolle (ZK). Vorher gönnt man den historischen Motoren aber eine kurze Verschnaufpause und benetzt die trockenen Kehlen der Teilnehmer (Empfehlung am Rande: Zillertal Tyrol Imperial Zwickl – jetzt Lieblingsbier). Etwas Zeit für Fotos, Fragen und Fachsimpeleien nimmt man sich unter Gleichgesinnten bei jedem Zwischenstopp gern. Die alte Liebe verbindet und geteilte Leidenschaft macht bekanntlich mehr aus dem Vergnügen. Als ich mich an der Startlinie in Fotoposition bringe, sind die Zuschauerplätze bestens gefüllt. Ein kleiner Junge neben mir hält mit Smartphone und Morgenmantel die Ereignisse fest – das hier ist nämlich viel cooler als der Pool, erklärt er mir. Verständnisvoll nicke ich ihm zu. Dann fällt auch schon der erste Startschuss und ein schwarzer Jaguar (XK 120, 190PS, Bj. 1953) jault an uns vorbei. Majestätisch, kraftvoll und ohrenbetäubend. Unsere kindliche Fantasie macht einen Kurztrip in die Vergangenheit, ein Vintage-Filter den Instagram Post neben mir entsprechend authentisch. Für echte Nostalgie sind wir beide viel zu jung, aber die wahre Schönheit ist ja bekanntlich zeitlos.

Als mich Pia nach dem letzten Start dann am Bahnhof in Telfs absetzt, steige ich nur ungern aus dem schnittigen Porsche Cabrio. Zu gern wäre ich auch das Stück zurück nach Ötz mitgefahren. Dort, wo vor zwanzig Jahren der Startschuss zur überhaupt ersten Ötztal Classic fiel. Damals wie heute bildet der „Orts-Grand Prix“ dort das traditionelle Herzstück der Rallye. Mit der Siegerehrung findet auch die 20. Ötztal Classic dort ihren Anfang und ihr Ende. Insofern ja alles beim Alten, könnte man sagen. Vorerst. Denn Anmeldungen für die Rallye im nächsten Jahr werden bereits entgegen genommen. Einen mittelschweren Lottogewinn vorausgesetzt, bin ich dann auf jeden Fall ganz vorn mit dabei – Profi-BeifahrerIn natürlich vorausgesetzt.

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