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Nur wenige Menschen begeistern sich schon so lange für die Crankworx World Tour wie Helene Fruwirth: Seit 16 Jahren geht sie an den Start. Im Vorfeld der heurigen Ausgabe im Bikepark Innsbruck erklärt sie uns die Faszination, die das Mountainbikefestival ausübt.

Räder, so weit das Auge reicht. Bei schönem Wetter schwingt sich in Innsbruck die halbe Bevölkerung wahlweise auf klapprige Drahtesel, pfeilschnelle Rennräder oder surrende E-Bikes. Vom 12. bis 16. Juni kann man sich allerdings sicher sein, dass kurzzeitig die geländegängigste Radspezies übernimmt: Die Crankworx World Tour verschafft den Mountainbikes in der Stadt Priorität. Während ich mit Achtung vor jeder gröberen Bodenwelle durch die Stadt gurke, zieht das Festival Menschen an, die sich auf zwei Rädern ebenso wohl fühlen wie auf ihren Beinen. Menschen wie Helene Fruhwirth, die seit 16 Jahren an Crankworx teilnimmt und einen kleinen Einblick gibt, was es heißt, einen Gutteil des Lebens dem Biken verschrieben zu haben.

Helene, wann hast du zum ersten Mal an Crankworx teilgenommen, und wie bist du zum Wettbewerb gekommen?
Helene Fruwirth: „Mein erstes Crankworx-Event war in Whistler 2008. Es war schon damals ein Traum von mir, nach Whistler zu reisen, und ich liebe MTB-Wettkämpfe. Also packte ich meine Sachen zusammen und flog zuerst zum World Cup nach Mount Saint Anne, dann nach Bromont und im Anschluss zu Crankworx.“

Zu diesem Zeitpunkt bestritt sie schon zehn Jahre lang kleine und große Wettkämpfe am Mountainbike, startete also alles andere als unerfahren in das Rennen. Die ausgiebige Vorbereitung zahlte sich aus: Die Österreicherin wurde Dritte im Giant Dual Slalom, Fünfte beim Gabonzo Downhill und Elfte bei den Canadian Open. Die Medaille von damals hängt bei ihr noch heute an der Wand.

Erfolge zu haben ist das Eine, sich nicht auf den Lorbeeren auszuruhen und immer weiterzumachen das Andere. Angesichts dessen, dass immer mehr Wettkämpfe und Sportarten um die Aufmerksamkeit der Bewegungsbegeisterten rittern, fällt auf, wie lange Helene schon dabei ist. Kontext: Crankworx gibt es seit 2004, sie kam also schon in den Anfangsjahren dazu.

Wie du selbst sagst, bist du schon ewig dabei. Was an Crankworx hat dich so sehr überzeugt, dass du immer wieder teilnimmst?
„Ja, genau, 16 Jahre. Wow, ich musste gerade selbst nachzählen. Eine lange Zeit – und ich fahre immer noch und freue mich jedes Jahr aufs Neue, wenn ich eine Einladung bekomme. Es sind verschiedene Dinge. Einerseits, dass ich meine alten Freunde wiedersehe, wie Caroline Buchanan. Dann die verschiedenen Strecken. Der Ort Whistler natürlich, der auch ohne Crankworx ein Wahnsinn ist. Dann die Atmosphäre bei den Rennen. Natürlich ist es ein Wettkampf, aber es war immer ein ‚Spaß‘-Wettkampf für mich im Vergleich zu den UCI-World-Cup-Rennen. Keine Qualifikation, wo es um Leben und Tod geht – am Finaltag darfst du starten und dein Bestes geben.“

Wenn Helene an ihre bisherige Zeit bei Crankworx zurückdenkt, nennt sie die Erlebnisse mit Buchanan, einer gebürtigen Australierin, und den Kiwis, also den Fahrerinnen aus Neuseeland, als Erstes. Die Eventserie mag von Wettkampf geprägt sein, zusammengehalten wird die Szene aber von einem gewissen Gemeinschaftsgefühl. In Helenes mentaler Galerie dürfen natürlich ihre Erfolge und Medaillen nicht fehlen, die gemeinsamen Aktivitäten während des Festivals und Zuschauer der anderen Art, wie etwa ein verirrter Bär auf der Downhillstrecke von Whistler.

Zu Downhill hat die Athletin eine besondere Beziehung. Jede Disziplin hat ihre Vorzüge, im Dual Slalom hat sie mit Bronze ihren höchsten Erfolg bei Crankworx gefeiert, doch besonders die Strecke in Innsbruck hat es ihr angetan. Diese ist heuer nicht Teil des Potpourris an Wettkämpfen, Veränderung ist aber auch in der Welt des Bikesports unumgänglich.

Deine erste Teilnahme ist nun doch eine ganze Weile her. Wie haben sich die Mountainbikeszene und das Event verändert?
„Es wurde viel größer, und die Teilnehmerzahl ist gestiegen. Das Niveau der Fahrerinnen auch.“

Dieses Jahr tritt Helene in den Kategorien Pumptrack und Dual Slalom an, den neuen Slopestyle-Bewerb für die Frauen wird sie sich aber nur von den Rängen aus ansehen. Dass nun auch die Damen in dieser Disziplin antreten können, begrüßt die Crankworx-Veteranin. Das passe nur zum sportlichen Fortschritt der Spitzenathletinnen. Für die Frauen in der Szene hat sie einen Rat parat, der sich auf viele Lebensbereiche übertragen ließe:

„Generell nicht warten, dass es jemand für dich tut, sondern einfach machen – das gilt auch für die Herren. Zum Beispiel anmelden, Reise planen, das Bike reparieren können, andere Fahrerinnen und Fahrer fragen und sich zusammenschließen. Mutig sein, und das nicht nur auf dem Bike.“  

Mut brauchen die Teilnehmenden unbedingt, denn Mountainbiken auf hohem Niveau ist beim besten Willen kein banales Unterfangen.

Wie gehst du mit dem Risiko um, das jede Fahrt mit sich bringt?
„Das ist eine schwierige Frage, weil meine Risikobereitschaft stark schwankt. Die Abwägung hängt von einigen Faktoren ab, zum Beispiel: Wie stehen meine Chancen, das Rennen zu gewinnen? In welcher Phase meines Zyklus befinde ich mich gerade? War ich erst verletzt und habe ich das Ganze noch nicht verarbeitet? Wie groß sind die Chancen bei der und der Stelle, dass mein Fahrmanöver schiefgeht – weil ich es einfach nicht gut kann? Welcher Streckentyp ist es? Liegt mir die Strecke?“

Was nach einem wilden Ritt aussieht, ist also durchaus gut kalkuliert. Ein Faktor wird laut Helene mit zunehmendem Alter aber immer stärker: die Angst. Diese könne ganz schön störend sein, wenn man eigentlich alles geben wolle. Zudem ist sie nicht mehr hauptberuflich Rennfahrerin, sondern hat sich mit dem Rad weitere Standbeine aufgebaut, die sie nicht durch eine Verletzung beeinträchtigen möchte.

Nicht nur der Körper, auch die Rennbürokratie ist nicht immer gnädig gegenüber dem Altern. In manchen Bewerben gibt es für Frauen keine Master-Lizenz, die jene über 30 von den körperlich leistungsfähigeren 20-Jährigen separiert. Die Kette an Konsequenzen ist lang, wie Helene erklärt:

„Ich wäre eigentlich Europameisterin 2023 – aber ich konnte wegen der erreichten UCI-Punkte aus einem Europacup-Rennen nicht in der Frauen-Master-Klasse starten. Das Resultat ist, dass das Niveau und die Fahrerinnenanzahl dadurch sinken.“

Für die Szene wünscht sich Helene daher, dass alle Frauen über 35 – egal ob mit Master- oder Elite-Lizenz – bei einer WM oder EM in ihrer Alterskategorie starten dürfen, UCI-Punkte hin oder her. Sie wird dem Sport jedenfalls weiter die Treue halten – und bei Crankworx auch dieses Jahr ihr Bestes geben.

Crankworx Innsbruck 2024

Bereits zum achten Mal macht die Crankworx World Tour heuer in der Region Innsbruck Station. In diesem Jahr ist die Mountainbike-Elite vom 12. bis 16. Juni im Bikepark Innsbruck zu Gast, wobei erstmals ein Women-Slopestyle-Bewerb auf dem Plan steht. Neben den Wettkämpfen gibt es auch wieder ein vielfältiges Rahmenprogramm, das Side-Events, eine Bike-Expo und mehr umfasst.

Headerbild: @alexchapics

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