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Es ist nicht einfach, Ruhe und Beschaulichkeit in die stressigen Advent-Tage zu bringen. Zu aufgeregt, laut und hektisch verläuft die Vorweihnachtszeit. Mir war es heuer vergönnt, wieder einmal ein echtes ‚Adventsgefühl‘ zu erleben. In Oberperfuss nämlich, wo Sänger durch’s Dorf ziehen und mit wunderschönen Liedern eine feierliche, weihnachtliche Stimmung in die Stuben der Bewohner zaubern. Der Brauch war bisher eigentlich eher im Tiroler Unterland angesiedelt und wurde von den Oberperfern quasi importiert. Seither ist das Anklöpfeln aus dem Dorfleben der 3.000-Seelen-Gemeinde nicht mehr weg zu denken.

Alles begann vor 45 Jahren

Einige Sänger des Männergesangsvereins Oberperfuss um Johann Kirchmair und Heinz Wegscheider begannen vor 45 Jahren damit, Leute in ihren Häusern aufzusuchen und ihnen mit besinnlichen Liedern in der Vorweihnachtszeit eine Freude zu machen. „Wir wollten den Menschen in unserem Dorf ganz einfach etwas Schönes bieten“, erinnert sich Johann, jetzt Obmann der Klöpfler. Was ursprünglich für ältere Menschen geplant war, hat sich im Lauf der Jahre zu einem fixen Bestandteil der dörflichen Kultur entwickelt. In Oberperfuss hat das Anklöpfeln zudem ganz konkrete, zählbare Auswirkungen auf die Dorfgemeinschaft. Aber dazu später.

Oberperfuss Anklöpfler

Der Viergesang der Oberperfer Klöpfler. Von links nach rechts: Martin Heis, Johann Kirchmair, Luis Mair, Hubert Gritsch.

Das Anklöpfeln war einst ein Orakelbrauch

Der Brauch des Anklöpfelns ist uralt. Erste Aufzeichnungen gehen in die Mitte des 15. Jahrhunderts zurück. Ursprünglich war es ein sehr weltlicher, vermutlich heidnischer Brauch. Da hat es die ‚Klöpfelnächte‘ gegeben, das waren die drei Donnerstage vor Weihnachten. Das Klöpfeln selbst war ein Orakelbrauch. Wer zur richtigen Zeit an Stallwände klopfte, konnte die Haustiere von den Toten des nächsten Jahres reden hören.

Oberperfuss

Oberperfuss im Winter vor der monumentalen Hohen Munde. Bild: innsbruck.info

Später entwickelte sich das Anklöpfeln zu einem Heischebrauch, der vor allem von Kindern. Lehrjungen und armen Leuten ausgeübt worden war. Sie zogen – teilweise vermummt – von Haus zu Haus, sangen Wunsch- und Bittlieder, weil sie dafür Gaben ‚erheischen‘ wollten. Kein Wunder, dass sich immer mehr Erwachsene des damaligen Orakel- und Heischebrauchs bemächtigten. Immer wieder kam es zu Verboten oder Einschränkungen des Brauchtums. Weil, wie es hieß, allzuoft gegen die „öffentliche oder kirchliche Ordnung“ verstoßen worden war. Welche Rolle der Alkohol dabei gespielt hat ist nicht überliefert. Ich nehme stark an, dass die Klöpfler bisweilen zuviel hinter die Binde gekippt hatten und ausfällig geworden waren. Das kannte man in Tirol auch von anderen Heischebräuchen. Mit der Gegenreformation war dann aber Schluss mit lustig. Das Klöpfeln wurde zu einem christlichen Brauch.

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Die Oberperfer Klöpfler sammelten bisher 53.000 Euro

Ich hatte gewusst, dass das Anklöpfeln seit 2011 zum immateriellen Weltkulturerbe der UNESCO gehört. Das ist auch gut und richtig so. Dieses Brauchtum ist vielleicht eine der letzten besinnlichen Inseln innerhalb eines Ozeans aus Konsumwahn und Lärmoverkill, aus Stress und Geschwindigkeit. Denn heute wie damals haben sich beim Anklöpfeln vier wesentliche Elemente erhalten: das Glücks- und Segenswünschen, die Beschenkung und Bewirtung, die Anlehnung an das Weihnachtsgeschehen und das Singen von Liedern. Wobei es in der Ausübung des Brauchtums in Nord- und Südtirol bisweilen größere Unterschiede gibt.

Dass das Anklöpfeln in Oberperfuss keine jahrhundertealte Tradition wie im Tiroler Unterland ist, stört hier wenig. Hat sich doch dieser ‚Import‘ eines Brauchtums vor einem knappen halben Jahrhundert als wahrer Segen für den Ort erwiesen. „Die Leute haben uns im Lauf der Jahre immer öfters Geld anstelle von Getränken und Keksen gegeben. Und wir hatten schon damals von vornherein fixiert, dass wir das Spendengeld nicht für den Gesangsverein verwenden werden“, erzählt mir Klöpflerobmann Johann Kirchmair. „Deshalb haben wir einen Hilfsfonds zur Unterstützung notleidender Oberperfer Familien eingerichtet.“ Was damals niemand für möglich gehalten hätte: In all den Jahren sammelten sie erstaunliche 53.000 Euro. „Wir konnten bisher 61 in Not geratene Familien unterstützen“ sagt Johann stolz. Respekt!

Oberperfuss, Sommer

Oberperfuss zur Sommerszeit. Im Vordergrund: der Gasslerhof. Bild: innsbruck.info

 

Anklöpfeln beim Gasslerhof

Dass mich die Oberperfer Klöpfler zu einem ganz speziellen Anklöpfeln eingeladen haben, freut mich sehr. Zwei Klöpflergruppen, eine mit acht Sängern, eine zweite mit vier Sängern planten, der Familie Triendl in ihrem wunderschönen ‚Gasslerhof’ im Zentrum von Oberperfuss einen Besuch abzustatten. Ein uralter Bauernhof mit einer Zirbenstube, die das Herz jedes Betrachter höher schlagen lässt. Dass ein Kachelofen dieses Schmuckstück alter Tiroler Handwerkskunst beheizt ist logisch. In der Stube scheinen sogar zwei Jahreszahlen auf: ‚1886‘, als ein gewisser Alois Abentung die Bauernstube täfern ließ. Eine zweite Jahreszahl ist als Rätsel in Form einer schönen Intarsie im Boden der Stube eingelassen. 

Zelten, Kekse und ein Gläschen feinster Edelbrand

Dass der Gasslerhof landauf landab für seine exzellenten und preisgekrönten Schnäpse bekannt ist, hatte ich im Gegensatz zu den Klöpflern vorher nicht gewusst. Denn nach dem Vortrag zweier Lieder wurde ein ein klares ‚Wässerchen’ gereicht, das den Sängern hervorragend mundete: ein Apfel-Brombeerbrand vom Gasslerhof. Allererste Qualität, die einen ganz wunderbaren Nachgeschmack im Mund hinterlässt. Dazu reichte die Gasslerhof-Bäuerin Maria selbstgebackene Kekse und Lebzelten.

Besser kann man es im Advent eigentlich gar nicht mehr haben. 

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