Geierwally, Filmszene Wally

Ein rein Tiroler Filmprojekt will die Roman-Geschichte der wohl berühmtesten Tirolerin neu ausleuchten. Es geht darin um eine Frau, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nicht nur einen einzigartigen Mut bewiesen hatte. Sie führte ein für die damalige Zeit überaus selbstbestimmtes Leben. Die bisherigen Filme über die ‚Geierwally‘ stützten sich ausschließlich auf den Roman der deutschen Schriftstellerin Wilhelmine von Hillern, in dem ein freiheitsliebendes Mädchen eine mutige Tat begeht, sich für die Gerechtigkeit stark macht und sich bei der Auswahl seines künftigen Mannes nicht vom Vater dreinreden lässt – um sich schlussendlich seinem Auserwählten ohne Wenn und Aber zu unterwerfen. Das hätte die wahre ‚Geierwally‘ mit Sicherheit nicht gemacht. Ich werde in diesem Blog das Entstehen des Filmes begleiten. Ein erster Kurzfilm hat jedenfalls international bereits für einiges Aufsehen gesorgt.

Die Geierwally | Sabrina Engl & Franz Braun (directed by Mario Dengler)

Die ‚wahre Geierwally‘ lebte als Malerin in Innsbruck

Hinter der ‚Geierwally‘ steckt in Wahrheit eine damals schon emanzipierte, mutige und starke Frau namens Anna Knittel, die man als Mädchen liebevoll Nanno oder Knittele nannte. Geboren und aufgewachsen in Elbigenalp im Lechtal, war sie vor 160 Jahren bereits im Mädchenalter nicht von ihrem selbstbewussten weiblichen Weg abzubringen. Sie verbrachte – was viele Menschen gar nicht wissen – den Großteil ihres Lebens der Liebe und der Malkunst wegen in Innsbruck.

Die Romanheldin wird zur tragischen Opernfigur

Was uns Tirolern Andreas Hofer als Mann, ist uns die ‚Geierwally‘ als Frau: eine Urtiroler Identifikationsfigur. Sie ist unbeugsam, ein ‚Weibsbild‘ mit Eigenschaften, wie sie früher nur bei ‚Mannsbildern‘ geduldet wurden. Dass sie als junges Mädchen den Mut bewies, gleich zwei Adlerhorste auszunehmen, verschaffte ihr nicht nur in ihrem Heimatdorf Elbigenalp Anerkennung. Schlussendlich wurde sie zu einer berühmten Roman- und Filmheldin. Mehr noch: Sie wurde gar zur zentralen, wenngleich tragischen Figur einer Oper. ‚La Wally‘ von Alfredo Catalani feierte 30 Jahre nach der spektakulären Tat auf den Bühnen der Welt wahre Triumphe. Die berühmteste Arie aus der Oper, „Ebben? ... Ne andrò lontana“, gehörte zum Repertoire der legendären Maria Callas.

Maria Callas, La Wally

Der Geier war ein Adler, die Wally eine Anna

Im wirklichen Leben hieß die Geierwally also Anna Knittel. Der Geier war ein Adler, und sie war als eine überaus angesehene Malerin in Innsbruck tätig, wo sie auch den Großteil ihres selbstbestimmten Lebens an der Seite ihrer Lebensliebe Engelbert Stainer verbrachte. Hier schuf sie auch ihr überaus reichhaltiges malerisches Œvre an Porträts, Landschaften und Blumenmotiven.

Wie kam es nun dazu, dass Anna Stainer-Knittel Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts zum personifizierten Inbegriff der ‚wild-romantischen Alpen‘ wurde?

Als sich 1863 kein Bursch fand, der so mutig war, ein Adlernest nahe einer Alm in ihrer Gemeinde Elbigenalp im Lechtal auszunehmen, meldete sich Anna, sehr zur Überraschung ihres Vaters. Der war nämlich ein passionierter Jäger und Büchsenmacher von Beruf. Er versuchte seit Tagen, einen Adler abzuschießen, hatte ihn aber permanent ‚verfehlt‘. Also musste das Adlerjunge quasi händisch aus dem Nest entfernt werden, um die Lämmer der Alm vor den Klauen des Adlerpaares und einem Ende als Adlerfutter zu bewahren. 

Und so ließ sich Anna an einem Hanfseil hängend zum Adlerhorst abseilen, packte das Adlerjunge in einen Sack und ließ sich wieder hochziehen. Ihre Geschichte hätte normalerweise nur lokale Aufmerksamkeit im Tal und unter der Dorfbevölkerung erregt. Dass sie zu einer Legende geworden ist, verdanken wir einem Bayern.

Ein Bayer ‚entdeckte‘ die ‚Geierwally‘

Mitte des 19. Jahrhunderts bereiste und beschrieb der studierte Rechtsanwalt und Literat Ludwig Steub das Land im Gebirge. Er wanderte durch das damals noch geheimnisvolle Tirol, erkundete Täler, Menschen, Bräuche und Sitten des Landes. Seine ‚Drei Sommer in Tirol‘ und die ‚Tyrolischen Miscellen‘ darf man heute getrost als den eindrucksvollen ersten Reiseführer durch Nord- und Südtirol bezeichnen. 

Steubs romantisch gefärbter Erzählton, seine Berichte von harten, aber freundlichen Menschen, von den landschaftlichen Schönheiten der Berge und Gletscher prägten damals das heute noch herrschende Tirolbild entscheidend mit. Eigentlich gehört ihm posthum ein Tiroler Orden umgehängt.

Hatten sich vor Steubs Exkursionen in Tirol nur vereinzelt Fremde als Touristen in die damals noch als ‚feindlich‘ betrachtete Welt der Berge gewagt, so änderte sich das nun rasant. Kein Wunder: Steub formte die rauhe und lebensfeindliche Wirklichkeit der Tiroler Berge literarisch in ein romantisches Sehnsuchtsbild um, pries die positiven Eigenschaften der hart arbeitenden Menschen, bewunderte ihre Trachten und absolvierte erste, abenteuerliche Bergtouren in den Ötztaler Alpen. Tirol als Touristenziel war geboren. 

Bei seinen Recherchen erfuhr Steub denn auch erstmals die Geschichte des Mädchens Anna Knittel, vermutlich aus einer Zeitungsmeldung. Da er den Kunstsammler und Archivar Anton Falger aus Elbigenalp im Lechtal gut kannte, bat er ihn, das blutjunge Mädchen doch zu einer schriftlichen Schilderung seiner Taten zu motivieren.

„Das Annele im Adlerhorst“

Der Abdruck dieser einzigartigen Geschichte zuerst in ‚Wolf’s Illustrierte Rundschau‘ und dann in den ‚Tyrolischen Miszellen‘ unter dem Titel „Das Annele im Adlerhorst“ war ein ‚Volltreffer‘ mit Verzögerung. Darin schildert Anna in eigenen Worten, wie sie den Adlerhorst gleich zweimal ausgenommen hatte. Das erste mal war sie zarte 17 Jahre alt. 1863, sie war grade 22 Jahre alt, ließ sie sich zum zweiten Mal über die steile ‚Saxenwand‘ zum Horst abseilen, steckte das Jungtier in eine Tasche und wurde von jenen Buben wieder nach oben gezogen, die genau das erst gar nicht gewagt hatten.

Die literarische Sensation

Eine Schriftstellerin namens Wilhelmine von Hillern hatte Steubs Werke und damit auch die Schilderungen Anna Stainer-Knittels mit Sicherheit ganz genau gelesen. Sie ahnte eine perfekte, romantische Geschichte – mutiges Mädchen verliebt sich gegen den entschiedenen Willen seines Vaters in einen kühnen Jäger. Der 1875 erschienene Roman geriet zur literarischen Sensation und machte die Alpen zu einer Art Sehnsuchtsort.

Dass die Autorin dann auch noch die Handlung ins Ötztal verlegte, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Hillern der Beschreibung Steubs folgte. Sie ging sogar so weit, reale Personen, die von Steub beschrieben worden waren, in ihren Roman namentlich mit einzubinden. So etwa den Pionier aller Bergführer: Nikodemus Klotz, Rofenhofbauer zu Vent. Wie auch immer: Der Roman wurde ein riesiger Erfolg.

Theaterstück, Stummfilm, Heldenfilm, Heimatfilm

Hillern zögerte auch keine Sekunde, als es darum ging, aus ihrem Romanstoff ein Bühnenstück zu destillieren. Die Theaterversion erschien 1881 und wurde vom damals berühmten Literaten Theodor Fontane hoch gelobt.

Kein Wunder auch, dass ein erster Film über die mutige Tat bereits in der Stummfilmzeit gedreht wurde. Er entstand 1921. Ein zweiter Film kam den Nazis gerade recht und wurde 1940 als eine Art deutscher Heldenfilm abgedreht. Ein dritter Film entstand 1956 und gehörte der Kategorie der ‚Heimatfilme‘ an, wie sie nach dem schrecklichen Krieg sehr beliebt waren.

Geierwally, 1956

Ein Kurzfilm als Initialzündung

Dass das neue Projekt des Vereins ‚Kunstformentirol‘ in einen abendfüllenden Kinofilm mündet, ist eigentlich einem international erfolgreichen Kurzfilm geschuldet, den der Verein im vergangenen Jahr produziert hatte. Mehrere Auszeichnungen motivieren Mario Dengler als Regisseur und Sabrina Engl als Hauptdarstellerin der ‚Geierwally‘, die Geschichte neu und noch ausführlicher zu erzählen. „Mit Respekt vor der historischen Figur dieser Frau, mit viel Wertschätzung des wunderbaren Tiroler Lebensraums und einer riesigen Begeisterung für die Kultur- und Alltagsgüter des 19. Jahrhunderts“, wie es auf der Website des Filmes heißt.

Crowdfunding und Artenschutz

Zur Finanzierung des historischen Filmsets kann jeder beitragen und somit Teil dieser Neuverfilmung werden. Die Reise durch das Tirol des 19. Jahrhunderts soll mit authentischen und zum Teil originalgetreuen Requisiten erfolgen.

Mit den Beiträgen Vieler wird es möglich, die mitreißede Geschichte der Walburga Stromminger so authentisch wie möglich auf der Kinoleinwand zu erzählen.

20 Prozent des Crowdfunding zur „Geierwally“ fließen darüber hinaus in laufende europäische Artenschutzprojekte ein, an denen auch der Innsbrucker Alpenzoo beteiligt ist.

Weitere Informationen und Details erseht ihr hier: https://www.startnext.com/geierwally-derfilm

Filmpatenschaften

Filmpatenschaften bieten Unternehmen, aber auch Privatpersonen die Möglichkeit, sich exklusiv an der Finanzierung des Films zu beteiligen. Zu den Details: https://www.geierwally-derfilm.com/patenschaft

Das Geierwally-Filmprojekt im Netz und auf Social Media

Aktuelle Informationen über das Filmprojekt der Tiroler Künstlergruppe könnt ihr der Filmwebsite https://www.geierwally-derfilm.com/ entnehmen.

Ich werde die ‚echte‘ Geschichte der Geierwally im Rahmen eines eigenen ‚Film-Blogs‘ auf meinem Blog ‚Tirol isch toll‘ erzählen: https://tirolischtoll.wordpress.com/geierwally/

Mir geht es vor allem darum, das gesellschaftliche Umfeld einer Frau zu schildern, die sich nach Freiheit und Gerechtigkeit gesehnt hat und nicht bereit war, sich den heute unverständlichen, damals meist männlichen Diktaten zu unterwerfen. Es war auch jene Zeit, in der der Alpin-Tourismus quasi erfunden und Tirol zu einer Art ‚Sehnsuchtsziel‘ vieler Menschen geworden war. Stoff für spannende Geschichten.

Darüber hinaus ist es mir ein Anliegen, das künstlerische Werk Anna Stainer-Knittels darzustellen. Ihr Œvre tritt zu unrecht hinter ihre mutige Tat zurück, die sie selbst übrigens gar nicht so dramatisch gesehen hatte.

Darüber hinaus können Interessierte den Fortgang des Tiroler Filmprojektes auf Instagram und Facebook verfolgen.

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