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Irgendwo zwischen Berg und Tal, zwischen Tradition und Moderne, zwischen Spaß und Ernst – irgendwo dort kann man die Tiroler Skilehrer ansiedeln. Die Skilehrer sind eine ganz eigene Spezies. Eine, die mit allerhand Klischees behaftet ist und viele davon bis heute erfüllt. Andere aber auch nicht mehr.

Die Skilehrer und ihre flotten Sprüche - kaum einer anderen Berufsgruppe haftet ein solcher Mythos an. Foto: Tamara Kainz

Die Skilehrer und ihre flotten Sprüche – kaum einer anderen Berufsgruppe haftet ein solcher Mythos an. Foto: Tamara Kainz

Luis lernt allen das Skifahren. Jung und alt, dem Bauarbeiter und dem Rechtsanwalt. Ich durfte ihn einen Tag lang begleiten. „Du bist die beste Schülerin, du kommst bestimmt noch zehn Jahre lang in die Skischule“ – das Lob von Skilehrer Luis für seinen heutigen Gast Fysun ist eindeutig zweideutig, aber ganz sicher nett gemeint. Ich muss trotzdem schmunzeln. Die Sache mit dem Tiroler Schmäh bewahrheitet sich also schon mal.

Genaue Anweisungen: Luis geschultem Auge entgeht kein noch so kleiner Fehler im Bewegungsablauf. Foto: Tamara Kainz

Genaue Anweisungen: Luis geschultem Auge entgeht kein noch so kleiner Fehler im Bewegungsablauf. Foto: Tamara Kainz

Was den Trick mit den Hüftknick angeht, muss Luis bei Fysun auch mal Hand anlegen. Foto: Tamara Kainz

Was den Trick mit dem Hüftknick angeht, muss Luis bei Fysun auch mal Hand anlegen. Foto: Tamara Kainz

Seit eineinhalb Stunden trainieren die Beiden jetzt zusammen am Übungshang. Auch tags zuvor hat Fysun bei Luis Privatstunden absolviert. Mit dem Ergebnis, dass sie nun imstande ist, erste Bögen zu steuern. „Bravooooo, langsam, genau so, ein bisschen mehr hinaus lehnen, viel Druck auf den Talski geben, jaaaaa und gleich noch einmal“ – Luis weiß, dass motivieren hilft. Immerhin ist er ein alter Schneehase im Geschäft.

Die frische Luft hält jung und fit: Luis startete heuer in seine 38. Saison als Skilehrer. Foto: Tamara Kainz

Die frische Luft hält jung und fit: Luis startete heuer in seine 38. Saison als Skilehrer. Foto: Tamara Kainz

Der frisch gebackene 58-Jährige versteht sein Hand- oder in diesem Fall eher Fußwerk wie kaum ein anderer. Stolze 38 Saisonen steht er bereits auf den Brettln, die den Winterurlaub bedeuten und bringt Schülern aus Nah und Fern das Skifahren bei.

Da, wo man die Autos nach einer Woche ausgräbt

Luis‘ Revier ist das Kühtai. Das Kühtai auf 2.020 Metern Seehöhe im Sellraintal unweit von Innsbruck ist das höchst gelegene, gletscherfreie Skigebiet Österreichs.

Das Kühtai (2.020 m) ist da, wo man quasi schon bevor man das Hotelzimmer verlässt, die Skier anziehen kann und das Auto im besten Fall erst nach dem Urlaub wieder "ausgräbt". Foto: Tamara Kainz

Das Kühtai (2.020 m) ist da, wo man quasi schon bevor man das Hotelzimmer verlässt, die Skier anziehen kann und das Auto im besten Fall erst nach dem Urlaub wieder „ausgräbt“. Foto: Tamara Kainz

Rechts und links des kleinen Ortes finden Wintersportler Abfahrten in allen Schwierigkeitsgraden. Foto: Tamara Kainz

Rechts und links des kleinen Ortes finden Wintersportler Abfahrten in allen Schwierigkeitsgraden. Foto: Tamara Kainz

Dementsprechend herrlich verschneit präsentiert es sich auch, als ich mich zu Beginn des neuen Jahres aufmache, um Luis bei seiner Arbeit für die Skischule „Follow Me“ zu begleiten. Mit einem freundlichen „Servus“ heißt er mich willkommen. Klassisch, in einem rot-weißen Skianzug und – vorbildlich, wie es sich gehört – mit Helm auf dem Kopf.

"Schule fahren" - wie es im Fachjargon heißt - will gelernt sein! Selbstverständlich sind Luis und seine Kollegen über den Snowsportverband Tirol top ausgebildet. Foto: Tamara Kainz

„Schule fahren“ – wie es im Fachjargon heißt – will gelernt sein! Selbstverständlich sind Luis und seine Kollegen über den Snowsportverband Tirol top ausgebildet. Foto: Tamara Kainz

In seinem Gesicht sieht man sofort, dass Luis immerzu draußen ist. Bei Wind und Wetter, bei Nebel und Sonnenschein. „Nur die Bräune lässt heuer noch etwas zu wünschen übrig, aber die kommt auch noch“, lacht er gut gelaunt zu mir herüber, während er auf dem eigens für die Anfänger installierten Förderband mit Fysun zum x-ten Mal nach oben tuckert.

Fysun hat's geschafft und ist happy. Sie kann jetzt Skifahren! Foto: Tamara Kainz

Fysun hat’s geschafft und ist happy. Sie kann jetzt Skifahren! Foto: Tamara Kainz

Die letzte Abfahrt für heute. Fysun hat’s geschafft. Sie ist müde. Das lange Konzentrieren und die ungewohnte körperliche Betätigung in doch beträchtlicher Höhe und bei deutlichen Minusgraden sind nicht zu unterschätzen. Aber ohne Fleiß kein Preis – wer ein echter Skifahrer werden will, muss sich anstrengen. Dafür schläft man nach so einer ordentlichen Frischluftdosis umso besser 😉

Wer sich auf den Brettln noch nicht hundertprozentig sicher fühlt, ist in der Skischule definitiv besser aufgehoben. Bitte in deinem und im Sinne anderer Wintersportler nicht an der falschen Stelle sparen! Foto: Tamara Kainz

Wer sich auf den Brettln noch nicht hundertprozentig sicher fühlt, ist in der Skischule definitiv besser aufgehoben. Bitte in deinem und im Sinne anderer Wintersportler nicht an der falschen Stelle sparen! Foto: Tamara Kainz

Schwungvoll schnallt Luis seine Skier ab, steckt sie ineinander und marschiert mit mir Richtung Skischulbüro. Wir beeilen uns, denn die nächsten Gäste warten schon. „Ich bin ja hier, um Geld zu verdienen“, stellt Luis klar, dass er vom Unterrichten seinen Lebensunterhalt bestreiten muss. Deshalb fährt er in Hochsaisonzeiten oft den ganzen Tag durch. Ohne Pause.

Am Gruppensammelplatz treffen Kinder und Erwachsene ihre Instruktoren. Foto: Tamara Kainz

Am Gruppensammelplatz treffen Kinder und Erwachsene ihre Instruktoren. Foto: Tamara Kainz

Mit Kindern oder Erwachsenen, langsam, schnell oder gar Off-Piste im Tiefschnee, vorwärts oder rückwärts – je nach Erfordernis.

Beim Profi gut aufgehoben

„Stimmt schon, früher war alles gemütlicher“, erzählt er mir, als wir flotten Schrittes durch das im Sommer kaum bewohnte Dorf marschieren. „Heute hingegen soll alles zack-zack gehen. Auch hier oben.“ Nach einem kurzen Check in der Skischul-Zentrale holen wir Stefanie und Michael an ihrem Hotel zum Privatkurs ab. Das Paar fährt schon recht gut Ski und bildet die letzte Partie für heute.

Mit einem saloppen "Servus" begrüßt man sich. Kleine und große Schüler werden geduzt - ein "Sie" gibt es auf dieser Seehöhe längst nicht mehr. Foto: Tamara Kainz

Mit einem saloppen „Servus“ begrüßt man sich. Kleine und große Schüler werden geduzt – ein „Sie“ gibt es auf dieser Seehöhe längst nicht mehr. Foto: Tamara Kainz

Herzliche Begrüßung, kurze Wiederholung des bereits Gelernten, ein paar neue Anweisungen und los geht’s! Zügig schwingen wir zur Kaiserbahn.

Wo sind wir eigentlich? Skilehrer Luis vermittelt gerne auch jede Menge Wissenswertes zur Region. Foto: Tamara Kainz

Wo sind wir eigentlich? Skilehrer Luis vermittelt gerne auch jede Menge Wissenswertes zur Region. Foto: Tamara Kainz

„Skiführung parallel, Hangausgleich nicht vergessen. Sauber einkanten“, ruft Luis den Beiden bei voller Fahrt zu. In der Gondel schwenkt er dann zur Heimatkunde über und erklärt allerhand Wissenswertes über die Region. Auch das gehört dazu. Dann liegt der Fokus aber wieder auf dem Skifahrerischen.

Auf die richtige Technik kommt es an

Wenige Minuten Verschnaufpause später stehen wir an der Bergstation und blicken eine der roten Pisten hinunter. Lang und stellenweise ziemlich steil ist das, was wir sehen. Vielleicht ist es gar nicht schlecht, dass dichter Nebel die Sicht gerade arg einschränkt … Stefanie und Michael sammeln langsam Routine im Fortgeschrittenen-Level: „Dank Luis kommen wir jetzt fast jeden Hang hinunter, ohne Angst haben zu müssen. Außerdem ist er noch ein Vertreter der ‚alten Klasse‘. Es macht einfach Spaß, mit ihm unterwegs zu sein.“

Parallelschwingen auf der roten Piste: Stefanie und Michael machen ihre Sache schon ziemlich gut. Foto: Tamara Kainz

Parallelschwingen auf der roten Piste: Stefanie und Michael machen ihre Sache schon ziemlich gut. Foto: Tamara Kainz

Weil Theorie und Praxis aber immer noch zwei Paar Skier sind, bleibt ein Sturz auf einer Eisplatte nicht aus. Egal, nichts passiert. Mütze richten, Brille putzen – auf ein Neues!

Von Skihaserln und Hüttenabenden

Etliche Liftfahrten und Übungseinheiten später nimmt Luis mit mir im skischuleigenen Cafe platz. Er bestellt sich ein kleines Bier. Wie das ist mit den „coolen und für alles zu habenden Skilehrern“ möchte ich von ihm wissen. Vielsagendes Grinsen. „Meine wilden Zeiten sind längst vorbei, aber früher, ja, da gab es schon so die ein oder andere Anekdote …“, gibt er sich kryptisch.

Après-Ski-Party ohne Ende? "Diese Zeiten sind vorbei", lacht Luis. Foto: Tamara Kainz

Après-Ski-Party ohne Ende? „Diese Zeiten sind vorbei“, lacht Luis. Foto: Tamara Kainz

Dann erzählt er mir doch ein wenig von feucht-fröhlichen Hüttenabenden, davon, welch magische Anziehungskraft so ein Skilehreranzug auf die Damenwelt hat und dass ihm das als junger Bursch durchaus nicht unrecht gewesen sei. Die Klischees, die dem Beruf Skilehrer anhaften, tun dies also zu Recht.

Die Tiroler Skischulen arbeiten längst hochprofessionell. Foto: Tamara Kainz

Die Tiroler Skischulen arbeiten längst hochprofessionell. Foto: Tamara Kainz

Wenngleich es heute bei Weitem nicht mehr so arg zugeht wie damals: „Alles ist professioneller, der Gast will Leistung für sein Geld.“ Auch das mit den Skihaserln sei inzwischen etwas überholt, sagt Luis: „Überhaupt hier bei uns im Kühtai. Die Region gilt als Eldorado für Familien.“

Geld ist nicht alles

Der 58-Jährige liebt seinen Beruf. Das Sporteln in freier Natur mit Gästen, die ihre Ferien in unserer schönen Bergwelt genießen. Reich wird er mit dem Skilehrern nicht, der Luis. Aber reich ist er in Wahrheit schon. Das erkenne ich insbesondere, als ich mit ihm noch einen Abstecher zu seinem Huberhof im Bergsteigerdorf Gries im Sellrain mache. Einem rund 300 Jahre alten Bauernhof, den Luis von seinem Vater geerbt hat und in dem Gattin Gudrun bereits mit dem Abendessen wartet.

Luis und seine Gudrun. Indirekt haben sich die Beiden ebenfalls über die Skischule kennen und lieben gelernt. Foto: Tamara Kainz

Luis und seine Gudrun. Indirekt haben sich die Beiden ebenfalls über die Skischule kennen und lieben gelernt. Foto: Tamara Kainz

Sie hat Luis über Umwege ebenfalls durch seine Skilehrertätigkeit kennen gelernt. Irgendwie logisch, oder? Gudrun hilft Luis seit nunmehr gut 30 Jahren den alten Hof zu bewirtschaften. Rund 15 Kühe und 20 Schafe schreien hier zweimal täglich nach Futter. Außerdem wollen Hühner, Gänse, Forellen, Kaninchen, Meerschweinchen und ein Hund versorgt werden. Und es wird vermietet: Zwei Ferienwohnungen stehen am Huberhof für Gäste bereit.

Die tägliche Stallarbeit verrichtet Luis vor und nach dem Unterricht. Foto: Tamara Kainz

Die tägliche Stallarbeit verrichtet Luis vor und nach dem Unterricht. Foto: Tamara Kainz

Schafe, Kühe und jede Menge andere Tiere wollen am Huberhof versorgt werden. Foto: Tamara Kainz

Schafe, Kühe und jede Menge andere Tiere wollen am Huberhof versorgt werden. Foto: Tamara Kainz

Arbeit en masse also und als wäre das nicht genug, trägt Luis auch noch jeden zweiten Tag ab 3.30 Uhr die Zeitung aus. „Ja, der Winter ist hart. Aber als Ausgleich gehe ich es im Sommer etwas ruhiger an“, sagt der gelernte Elektroinstallateur und erzählt mir bei einem wärmenden Tee und einem verbliebenen Stück Geburtstagskuchen von seiner Hütte im Wald, wo man nur zu Fuß hinkommt. Davon, dass er selber Speck, Wurst und Butter erzeugt und im Sommer am liebsten mit dem „Fichtenmoped“ (Motorsäge) Holz für den langen Winter macht. Der Luis ist frei und das wiegt für ihn wohl mehr als jedes materielle Gut. Was er macht, tut er aus tiefstem Herzen und mit jeder Faser. Er macht sein Ding und er möchte mit nichts und niemandem tauschen. Verständlich.

Bei den regelmäßigen Night-Shows der Skischule "Follow Me" mimt Luis Kaiser Maximilian, der eng mit der Geschichtes des Kühtais verbunden ist. Eine absolute Ehre für den 58-Jährigen und eine der wenigen Gelegenheiten, nochmals mit einer ähnlichen Ausrüstung unterwegs zu sein, mit der Luis seinerzeit auf den Hängen rund um seine Heimatgemeinde auch selbst das Skifahren erlernt hat. Foto: privat

Bei den regelmäßigen Night-Shows der Skischule „Follow Me“ mimt Luis Kaiser Maximilian, der eng mit der Geschichtes des Kühtais verbunden ist. Eine absolute Ehre für den 58-Jährigen und eine der wenigen Gelegenheiten, nochmals mit einer ähnlichen Ausrüstung unterwegs zu sein, mit der Luis seinerzeit auf den Hängen rund um seine Heimatgemeinde auch selbst das Skifahren erlernt hat. Foto: privat

 

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