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Kristina Erhard
24. Februar 2016
Originalsprache des Artikels: Deutsch

Unterhaltungsschwerpunkt, Begründung und Zeitvertreib.

In Innsbruck gibt es statistisch gesehen zwei Tage an denen Wetterbeobachtungen und -diskussionen überhand nehmen: Montag und Freitag. Das ist kein Zufall und wer eins und eins zusammenzählen kann bzw. Innsbrucker ist, weiß auch warum. Montag, der erste Tag der Woche, Ottonormalverbaucher – auch wenn er Innsbrucker ist – hofft darauf, dass kein Sonnenstrahl die Gedanken vom Schreibtisch auf die Berge lenkt. Freitag, für die meisten der letzte Arbeitstag, ein sehnsüchtiges Beobachten der Wolken, Sonnenstrahlen und ausgiebige Diskussionen um den quasi minütlichen Wetterverlauf. Ja, das Leben in den Bergen wird vom Wetterumschwung dominiert. Oder wie sagt man so schön im Volksmund:

Kräht der Hahn auf dem Mist,
ändert sich das Wetter,
kräht er auf dem Hühnerhaus,
hält das Wetter die Woche aus.

Da pfeift der Hahn aus dem letzten Loch.

Da es in Innsbruck jedoch nicht so viele Misthaufen und Hühnerhäuser gibt, holt man sich die Erkenntnis lieber an den Mittagstischen und den Kaffeehäusern dieser Stadt, die bekannt dafür sind, dass viele Hobbymeteorologen und Bergfanaten sie regelmäßig frequentieren. Die Cantina am Sparkassenplatz und das Wettercafe an der Triumphpforte sind Hotspots für Wetterfrösche und Hellseher. By the way und vorweggenommen: Wetterbanausen oder -verweigerer, Hipster und Sportmuffel jedoch haben es in Innsbruck leicht: mannigfaltige Möglichkeiten seine Freizeit unabhängig vom Wetter zu verbringen zaubern eine großstädtische und gleichzeitig wohlig gemütliche Atmosphäre. Von einem köstlichen Brunch in der Soul Kitchen, dem Schindlers oder ganz Altösterreichisch im Cafe Central über spannende kleine Galerien wie das FO.KU.S. Foto Kunst Stadtforum oder die Taxis Galerie, kopfweh-lastigen Craftbieren im Tribaun (nicht bei Föhn trinken) und hinterhältig guten Cocktails im Ebi’s zum Ausklang bietet Innsbruck alles und noch mehr: Aussicht auf eine gewaltige Bergkulisse – freilich nur bei klarer Sicht.

Wetterfronten in Europa. ©ZAMG

Wetterfronten in Europa. ©ZAMG

Das kollektive Leiden der Innsbrucker: der Föhn.

Aber nun zurück zum eigentlichen Thema: das Wetter. Bauernregeln, die die Wetterentwicklung der folgenden Stunden und Tage betreffen, sind allgemein als „Wetterregeln“ bekannt. Aus dem gerade Beobachteten werden Schlüsse über den Fortgang des Wetters gezogen. Eines der meist diskutierten Wetterphänomene in Innsbruck ist der Föhn. Kaum ein anderes Phänomen hat soviel Halbweisheiten, Ausreden und Verfluchungen hervorgebracht wie der Föhn. Unsere geschätzten deutschen Mitbürger, zumeist Outdoor-Studenten, integrieren den Föhn sogar in ihre Alltagssprache. „Ich hab heute Föhn“…

Föhn GIF

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… soll soviel heißen wie „Ich bin total durch den Wind“. Winde spielen aber tatsächlich eine entscheidende Rolle – nicht nur bei uns im schönen Innsbruck. Getreu der Devise: „Ander Wind ander Wetter.“ Wann immer sich der Wind schnell und unerwartet ändert, ändert sich auch das Wetter. So besagt es zumindest diese alte Bauernweisheit. Tatsächlich stimmen Meteorologen dieser Beobachtung zu, weshalb man von diesen Grundregeln ausgehen darf: westliche Winde bringen feuchte Meeresluft mit sich – aus dem Norden strömt kalte Polarluft – aus dem Osten weht ein trockener, unterschiedlich warmer Wind – Winde aus dem sonnigen Süden können die Temperaturen erhöhen. Letztere outet sich als eben typischer „Föhn“, Innsbrucks fünfte Jahreszeit, der uns etliche Sonnentage mit Höchsttemperaturen beschert – gerne mal auch perfektes Bike-Wetter rund um Weihnachten.

Aus diesen Prinzipien leiten sich einige Bauernregeln ab:

„Wind in der Nacht am Tage Wasser macht.“
„Der Nordwind ist ein rauer Vetter, aber er bringt beständig Wetter.“
„Dreht zweimal sich der Wetterhahn, so zeigt er Sturm und Regen an.“

Grantler und Lebemensch – der Innsbrucker.

Beobachtet man Gespräche in Innsbruck einmal bewusst, so stellt man fest, dass gar jede Konversationsrunde irgendwann auf dieses Thema stößt. Es scheint fast so, als wäre es ein wissenschaftlich noch nicht untersuchtes Naturgesetz, dass das Thema Wetter definitiv irgendwann zur Aussprache kommt. Sucht man eine positive Erklärung für diese Art der Themenwahl, so würde man sicherlich anmerken, dass es gerade dieses Thema ist, das uns eben so wichtig ist, das uns so beschäftigt – da so entscheidend für das Innsbrucker Leben. Aber die Begründung dieses hartnäckigen Gesprächsphänomens hat noch eine andere Ursache, als die generelle Vorliebe der Innsbrucker über das Wetter zu schimpfen. Vielleicht tatsächlich, weil Innsbruck wie kaum eine andere Stadt auf dieser Welt das Städtische so symbiotisch mit seinem Naturraum verbindet? Viele Fragen, die man sich gegenseitig zum Wetter stellt, sind mitunter auch ein Ausdruck unserer hedonistischen Zeit. Früher fuhr der Innsbrucker/die Innsbruckerin mal einfach am Wochenende an den Gardasee. Heute will man die totale Wettersicherheit, weil es uncool ist, hinterher sagen zu müssen, man habe zwei Tage im Regen verbracht. Eines weiß die Autorin jedoch gewiss: schlechtes Wetter gibt es nicht, nur schlechte Ausrüstung. Innsbruck ist bei jedem Wetter eine Wucht!

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