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Ostern! Aber was? Die Eier kommen vielleicht aus China und auch der Hase ist ein Heide. Warum? Schon beim chinesischen Frühlingsfest vor 5000 Jahren aß man handbemalte Eier. Und Unut, die ägyptische Fruchtbarkeitsgöttin im Hasenkostüm (sic!), blieb den Pharaonengräbern bis heute in Erinnerung. Aber! Die Bibel sagt, dass einst, an einem frühen Sonntagmorgen, der Heiland höchstselbst von den Toten auferstand. Zur Erinnerung: Vorher starb Jesus Christus von Nazareth den Märtyrertod am Kreuz – zur Vergebung aller unserer Sünden. Bis heute feiern die Christen darum das Osterfest – und fasten vorher. Religiöser Firlefanz? Mitnichten. Gefastet wird landauf und landab aus ganz unterschiedlichen Gründen. Ich war den Osterbräuchen auf der Spur und konnte das fromme Fasten aus drei Blickwinkeln beleuchten: Kirche, Medizin und (Ernährungs-)Wissenschaft. 

Das Beichtgeheimnis.

Vergib mir Vater, denn ich habe gesündigt. Der Beichstuhl knarrt alt und wissend, als sich vier göttliche Buchstaben zu mir lehnen. Das mit der Beichte mache ich zum ersten Mal – man möge mir diese Jungfräulichkeit nachsehen. Fromm betrachtet habe ich mich in meiner unchristlichen Laufbahn wohl schon aller sieben Todsünden strafbar gemacht, so überlege ich. (Zum selber Abhaken: Wollust, Völlerei, Neid, Gier, Faulheit, Hochmut und Hass.) Der Beichtstuhl knarrt unruhig, doch ich beruhige ihn schnell, denn ich komme heute aus Recherchegründen. Bald ist Ostern, vorher fastet man, warum eigentlich?

Anweisung von Oben.

Die „Stimme Gottes“ auf der anderen Seite klingt fast etwas erleichtert und hat viel zu erzählen: Natürlich will man Buße tun, für Sünden und sonstige Fehltritte. Das Fasten kommt aber in allen großen Religionen vor: Der Islam fastet im Ramadan, buddhistische Mönche fasten für meditativen Fokus und das Judentum zählt gleich sechs Fastentage (der wichtigste ist Jom Kippur). Die Fastenordnung der katholischen Kirche von 1986 kennt da eigentlich nur zwei verpflichtende Fastentage: Aschermittwoch und Karfreitag – dazwischen liegt die Fastenzeit, freiwillig. An diesen Tagen empfiehlt die Bibel Enthaltsamkeit und Fleischverzicht. Abstinent soll man leben, Fisch ist okay. Buße tun, beichten (Osterbeichte) und beten. Dem Opfer Christi gedenken, den Nächsten lieben. Sich seines Glaubens erinnern, den Willen stärken und innere Klarheit finden.

Weniger ist mehr.

Speckplatte Tirol

Tirol gilt als kulinarisches Schlaraffenland – hier muss man jetzt ganz stark sein.

Die Kirche empfiehlt in der Fastenzeit vor Ostern einen „spürbaren Verzicht“ auf Genussmittel aller Art. Vielleicht nur mit kleinen Gewohnheiten zu brechen, braucht oft schon viel Willenskraft. Man muss fest an sich glauben. Schokolade und Zigaretten sind ein beliebtes Thema, auch Autofasten ist sinnvoll. Social Media- und Bildschirmfasten liegen beim Nachwuchs im Trend. Der Mangel führt auch den eigenen Wohlstand vor Augen, man lernt wieder Dankbarkeit und Wertschätzung. Fasten reinigt körperlich und stärkt auch seelisch den Rücken.

Verzicht ist eine Herausforderung. Wer es ganz streng nimmt, der bleibt beim Trinken – von morgens bis abends. Nur eine Mahlzeit ist erlaubt. Hunger? Die Stosuppe ist eine traditionelle katholische Fastenspeise und geht als warme Empfehlung an alle Küchengötter. Liquida non frangunt ieunum (lat.: Flüssiges bricht das Fasten nicht.) – sagte man sich unter Klosterbrüdern. Und braute zur Fastenzeit besonders nahrhaftes Starkbier. Das fand auch der Papst gut. Hier muss nun auch die „Stimme Gottes“ grinsen. 

Der Medicus.

Als ich meine Fastenfragen hungrig zum nächstgelegenen Medicus trage, hallen die heiligen Worte noch lange nach. Vierzig Tage soll der Sohn Gottes gefastet haben, in der Wüste, ohne Bier. Mir wird kalt bei dem Gedanken und der Arzt erklärt mir warum: Was auf Sparflamme läuft, das wärmt nicht wirklich. Der Körper ist ein Motor dem ohne Futter der Treibstoff fehlt, ganz einfach. Gesund ist das Fasten trotzdem, weil es die Körperzellen zur Autophagie anregt. Meinen fragenden Blick kontert der Mediziner mit einem physiologischen Exkurs: Autophagozytose ist ein zellinterner Reinigungsprozess der bei allen Eukarioten (Mehrzellverbände wie Tiere, Pflanzen, Hefe, Schimmelpilze und Menschen) auftritt. Alles was nicht gebraucht wird, wird aufbereitet. Im Volksmund spricht man da auch gern von Entschlackung oder Detox.

Eine evolutionäre Energiesparmöglichkeit, erstmals 1962 von Keith R. Porter und Thomas Ashford nachgewiesen. Dieser interne Recyclingprozess kann mithilfe kontrollierter Fastenperioden ordentlich angekurbelt werden, verrät der Mediziner. Schon ab etwa 14-16 kalorienfreien Stunden beginnt der Körper mit der Aufarbeitung der Abfallstoffe. Bis zu 48 Stunden kann man das Autophagiefenster auch halbwegs risikofrei offen halten. Mit viel Wasser und klaren Suppen. Je länger man dem Organismus aber die Rohstoffe von Außen verweigert, desto unzuverlässiger arbeitet er auch: Kopfschmerzen, Schwindel, Schwächegefühl und allgemeine Reizbarkeit. Also: Lieber regelmäßig ein bisschen fasten als einmal unkontrolliert verhungern. Und viel trinken! 

Der Jungbrunnen.

Brunnen am Berg

Wasserfasten sollte man niemals. Stattdessen sogar ganz besonders viel trinken. Frisches Bergquellwasser bringt wertvolle Mineralien mit.

Das letzte Kapitel meiner dreifaltigen Fastenreise beschließt die Ernährungswissenschaft. Eine Freundin vom Fach fügt die Fäden zusammen: Beim Fasten unterscheidet man allgemein zwischen dem „religiösen Moralfasten“ und dem ernährungsphysiologischen Fasten. Aus wissenschaftlicher Sicht hilft Fasten dem Körper, reinigt das System und verpasst den Zellen einen Facelift – vierzig Tage am Stück lassen die Fachkraft aber dankend abwinken. Intervallfasten ist der Weg zum Ziel: Ein bis maximal zwei Schalttage pro Woche (bis zu 500 kcal/Tag sind erlaubt) – völlig ausreichend.

Dabei sollte man seinen Körper immer gut im Auge behalten. Fastenperioden jenseits der Dreitagesgrenze bitte nur unter ärztlicher Aufsicht. Das Gehirn braucht Glucose (Zucker) zum Arbeiten, ohne wird man eben grantig (aka „hangry“). In der Ketose (Fettverbrennung, setzt nach etwa 10-16 Stunden ein) kostet es den Körper viel Energie die nötigen Zucker aus Triglyceriden (Fetten) zu brechen. Zum Fasten sollte man sich also vielleicht sogar Urlaub nehmen, beim Wellnessen entspannen, mit einem guten Buch den Hunger austricksen und den körperlichen Frühjahrsputz mit viel Alpenkräutertee unterstützen.

Stichwort Eier! Die Zellregeneration lässt sich auch noch anderweitig unterstützen. Intensive Studien wollen herausgefunden haben, dass Spermidin auf Zellen ähnlich verjüngend wirkt wie Fasten. Das Geheimnis ewiger Jugend? Empfohlen wird sowohl die innerliche als auch die äußerliche Anwendung. Wo genau Spermidin enthalten ist, darf jetzt aber jeder selber googeln.

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