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Die Tiroler Genbank hütet einen Schatz, der unter die Erde kommt: Samen alter regionaler Getreide-, Obst- und Gemüsesorten. Die Ausstellung „Land – Sorten – Vielfalt“ im Tiroler Volkskunstmuseum macht sich auf Spurensuche.

Fisser Imperial-Gerste, Chrysanth-Hanser-Roggen, Steiners Roter Tiroler Dinkel, Obernberger Schwarzhafer, Kemater Weißmais, Rotholzer Trockenbohnen – noch nie davon gehört? Dann wird es Zeit. Es handelt sich nämlich um alte Tiroler Sorten Getreide und Hülsenfrüchte.

Land – Sorten –Vielfalt

Begonnen hat alles nicht in Innsbruck, sondern in Salzburg. Erwin Mayr, studierter Agrarwissenschaftler, erforschte alte Landsorten und konzentrierte sich dabei auf Kulturpflanzen, die sich im alpinen Raum fanden. Sein Ziel war, sie für künftige Züchtungen zu sichern. 1922 sammelte er erstmals in Tirol und legte damit den Grundstein für die Tiroler Genbank. Neben der Genbank in St. Petersburg ist sie die älteste weltweit, als regionale Genbank dank ihrer langen Historie einzigartig.

Die Ausstellung spart dabei nicht aus, dass Mayr und seine Forschung ideologisch alles andere als unbelastet waren. 1938 wurde der Agrarwissenschaftler Mitglied der NSDAP. Als Leiter der Pflanzenzuchtfelder des Gaues Tirol und Vorarlberg war er vom Kriegsdienst befreit.

Zur Geschichte

1939 gründete Mayr die Forschungs- und Zuchtanstalt in Rinn, die nach dem Zweiten Weltkrieg vom Land Tirol übernommen und in Landesanstalt für Pflanzenzucht und Samenprüfung umbenannt wurde. Mayr blieb Leiter der Genbank und unterrichtete an der Universität Innsbruck. Er starb 1969. 1999 wurde die Anstalt in Rinn geschlossen und als Tiroler Genbank in die Abteilung Landwirtschaftliches Schulwesen und Landwirtschaftsrecht des Landes Tirol integriert.

Ein wahrer Schatz

Über 1000 Saatgutproben aus 35 Pflanzenarten finden sich heute in der Tiroler Genbank: verschiedene Varianten von Weizen, Roggen und anderen Getreidesorten, von Hülsenfrüchten, Leinsaaten und Gemüsesamen. Darunter echte Stars: Steiners Roggen Tiroler Kolbendinkel zum Beispiel wurde Anfang des 20. Jahrhunderts auf der Wiener Getreidebörse gehandelt. Seine außerordentliche Qualität sorgte dafür, dass er vor wenigen Jahren in die Riege der Hochzuchtsorten aufgenommen wurde. Gelagert werden die Samen in getrockneter Form im Kühllager bei minus 16 Grad.

Von den Erdäpfeln verzeichnet die Genbank 70 Sorten. Die nahrhaften Knollen halten sich am besten in dunklen, trockenen Räumen. Um den Bestand zu erhalten, werden sie jährlich angebaut. Auch in Sachen Äpfel weist die Tiroler Genbank weitaus mehr Vielfalt auf, als in den Supermarktregalen zu finden ist. Insgesamt 400 Apfelsorten listet die Genbank, 68 davon wachsen in eigenen Sortengärten.

Alte Methoden

Neben Beispielen alter Sorten besonders interessant in der Ausstellung „Land – Sorten – Vielfalt“: alte Gerätschaften und Behältnisse, die zeigen, wie das „Material“ früher gesammelt, aufbewahrt und analysiert wurde. So transportierte Mayr seine Proben in einer Holzkiste. Diese hatte seinem Bruder gehört, der im Krieg gefallen war. Die wesentlichen Daten und Fakten zu den Pflanzen sammelte er in einer Sämereien-Kartei samt Phiolen.

Auch Siebe zur Kornanalyse, Körnerzählgerät oder ein Mikroskop erzählen von der wissenschaftlichen Arbeit in vergangenen Jahrzehnten. Heute stehen Christian Partl, Leiter der Genbank, und seinem Team natürlich ganz andere technische Möglichkeiten zur Verfügung. Doch eines ändert sich nicht. Neben der Kontrolle des Saatguts auf seine Keimfähigkeit hin, werden immer wieder Proben angebaut, um den Bestand aufzufrischen. „Unsere primäre Aufgabe besteht in der Sicherung der genetischen Vielfalt alpiner Landsorten“, so Partl.

Neue Produkte

Da freut er sich natürlich besonders, dass einige alte Sorten eine Renaissance erleben. Die Fisser Imperial Gerste zum Beispiel wird von einigen Bauern wieder angebaut. Rund um sie entwickelten heimische Unternehmen neue Produkte, etwa ein feinherbes Bier oder Whisky. Auch Biolinien, wie die bekannte „Bio vom Berg“, setzen bei Äpfeln oder Birnen, bei Getreide oder Erdäpfeln verstärkt auf alte, schmackhafte und nahrhafte Sorten. Einige könnten in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen. Stark gekreuzte Industriesorten verursachen bei immer mehr Menschen nämlich Lebensmittelunverträglichkeiten – Äpfel zum Beispiel, oder Weizen. Alten Sorten scheinen diese Effekte nicht auszulösen. Und natürlich sind sie gut für die Biodiversität.

„Land – Sorten – Vielfalt“ im Tiroler Volkskunstmuseum rückt diese spannenden Aspekte ins Bewusstsein und zeigt, welchen Schatz die Tiroler Genbank seit 100 Jahren birgt.

Abgerundet wird die kleine Schau durch Pflanzkästen im Innenhof des Volkskunstmuseums (der überhaupt eine wunderbare, erlebenswerte Oase mitten in der Stadt ist). Dort können Besucher alte Sorten in natura sehen, ihnen sozusagen beim Wachsen zuschauen.

Tiroler Volkskunstmuseum

Land – Sorten – Vielfalt

Bis 30. Oktober 2022

Universitätsstraße 2

6020 Innsbruck

Tel. +43 512 59489 510

Öffnungszeiten: tägl. 9:00 – 17:00 Uhr

Auf der Website der Tiroler Landesmuseen finden sich die aktuellen Covid-19-Schutzmaßnahmen.

Fotos, wenn nicht anders angegeben: © Susanne Gurschler

Eine Übersicht über das Ausstellungsprogramm in den Museen in Innsbruck und Umgebung findet sich auf Innsbruck.info

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