Andere Städte haben einen Speckgürtel, Innsbruck hat einen Kaspressknödelgürtel. Er erstreckt sich ungefähr dort, wo man auch sämtliche Almen in unmittelbarer Nachbarschaft zur Stadt findet.
Erstmal vorausgeschickt: Kaspressknödel muss man sich verdienen. Es gilt also nicht, mal schnell mit dem Lift irgendwo rauf zu fahren. Kaspressknödel entfalten ihr ganzes Aroma nur, wenn man sie mit zitternder Stimme am Ende seiner Kräfte bestellt. Dann sind sie wie ein kleiner Ofen im Magen, spenden neue Energie und Lebenskraft. In meinem Bekanntenkreis gibt es einige Kaspressknödel-Experten, die ihre Freizeit größtenteils der Qualitätssicherung dieses Kulturgutes widmen. In der Praxis schaut das etwa so aus:
1. Schritt: Meteorologische Studien
Nach dem Frühstück stellt man sich auf den Balkon und macht sich ein Bild vom Wetter, jetzt im Winter natürlich vor allem von der Schneelage. Wenig Schnee: lieber auf Nummer sicher gehen und im Süden von Innsbruck auf die Jagd gehen (Sistranser Alm, Kemater Alm, Pleissenhütte), hier ist es schneesicherer, weil die Almen höher und auch meist schattiger gelegen sind. Genügend Schnee: die stadtnahen Almen im Norden ansteuern, sie sind niedriger gelegen, es ist weniger kalt und bei schönem Wetter herrlich sonnig (z. B. Rumer Alm).
Panorama Aussicht von der Rumer Alm, Foto: Jakob Flarer
Wetter: Wo ziehen Wolken? Eine Fehleinschätzung kann schwerwiegende Folgen haben, während die anderen die Sonne genießen, sitzt man selbst vielleicht genau in dem Tal, wo die Wolken hängen bleiben.
2. Schritt: kalkulieren, profitieren
Nach dem Wetter folgt ein Blick auf die Uhr und eine entsprechenden Kalkulation der Sonneneinstrahlung und ein Vergleich mit der Terrassenausrichtung der favorisierten Hütte. Nur was für Profis. Ich warte auf die entsprechende App und bis dahin: Südterrasse ist immer gut.
3. Schritt: Gruppendynamik
Dann natürlich: Wer macht mit? Sind kleine Kinder mit von der Partie? Auf die Muttereralm kommt man (in diesem Fall ausnahmsweise genehmigt) mit dem Lift, auf der Arzler Alm gibt`s einen Streichelzoo, einen Spielplatz z.B. beim Gasthof Bergheim/Fotsch. Eine richtige Einschätzung der Gruppendynamik garantiert ungestörten Kaspressknödelgenuß.
4. Schritt: Fitnessfaktor
Als letzter Punkt: eine ehrliche Einschätzung der momentanen körperlichen Form. Die physische Konstitution sollte sich direkt proportional zur Kaspressknödelgröße verhalten. Zwischen 50 Minuten (Rinner Alm) und 2 Stunden (Kemater Alm) ist alles möglich.
Kemater Alm, Foto: Isaline Lütscher
Kaspressknödel auf der Kemater Alm
Endlich am Ziel
Ist man dann endlich am Ziel, gibt es eigentlich nur eine Sache, die mich persönlich stört: der Name „Kaspressknödel“ ist einfach nur lieblos, außerdem steckt einiges mehr drin als „Kas“ und die Zubereitung geht über „pressen“ weit hinaus. Und dann noch das umständliche Bestellen der Beilage: „Mit Suppe, mit Kraut oder mit Salat?“ Hier erkennt man allerdings gleich den Charakter sämtlicher Tischnachbarn. Kaspressknödelsuppe bestellen meiner Beobachtung nach meistens engagierte Hobbysportler (oder solche, die so wirken wollen): die Portion ist kleiner als bei den anderen Varianten und die Suppe liegt nicht so schwer im Magen. Kaspressknödel mit Salat werden gewählt, weil man sich der Illusion hingibt, der Salat könnte irgendwas an der Kalorienanzahl besser machen. Nein, das tut er nicht. Wirklich nicht. Kaspressknödel mit Kraut sind eindeutig meine Favoriten, man bekommt zumindest Vitamit C noch als Bonus, das könnte die Fettverbrennung eventuell ankurbeln. Trotzdem gilt: hat man den Kaspressknödelgürtel von Innsbruck irgendwann durch, ist es auch Zeit, den Gürtel wieder enger zu schnallen.