Gutshof_©Stadtarchiv Innsbruck

Stadtplanung, Stadtentwicklung – das sind prickelnde Themen, finde ich. Die Ausstellung „Campagne Reichenau – Ein Stück Stadt bauen“ direkt über der neuen Stadtbibliothek entführt in den Stadtteil Reichenau. Ein großes Projekt steht an.

Die Ausstellung entstand im Auftrag der Innsbrucker Stadtplanung in Kooperation mit der Innsbrucker Immobiliengesellschaft und der Neuen Heimat Tirol.

Stadtraum

Ob wir uns in einer Stadt, einem Stadtteil wohlfühlen, hat viel damit zu tun, wie viel öffentlichen Raum es dort gibt, wie er gestaltet ist und wofür er zur Verfügung steht. Nicht weniger wichtig ist, ob ausreichend Infrastrukturen wie Geschäfte, Lokale, Kindergärten, Schulen und Freizeiteinrichtungen vorhanden sind, ob es eine gute Anbindung etwa in die Innenstadt und eine Durchmischung von verschiedenen Bevölkerungsgruppen gibt.

1904 gemeindete Innsbruck die Reichenau ein, damals bestand diese aus Wiesen und Feldern.

Richtig spannend wird Stadtplanung und Stadtentwicklung, wenn die Bevölkerung eingebunden wird oder es eine Ausstellung zum Thema gibt – so wie aktuell die Ausstellung „Campagne Reichenau – Ein Stück Stadt bauen“. Zu sehen im ersten Stock über der Stadtbibliothek in der Amraser Straße.

Campagne Reichenau

In der Reichenau wird in den nächsten Jahren auf rund neun Hektar ein neues Stadtquartier entstehen: die Campagne Reichenau. Über 1.100 Wohnungen sind geplant. Eine Riesensache für Innsbruck, um es salopp auszudrücken.
Die Ausstellung geht zurück in die Geschichte des Stadtteils Reichenau, zeigt, wie das Projekt Campagne Reichenau entstanden ist, wer mitgeredet hat, und wie es ausschauen wird.

Historische Zeichnung des Gutshofes in der Reichenau, den die Stadt Innsbruck Anfang des 20. Jahrhunderts erwarb. Foto: © Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck

Grüne Wiese

Anhand von ausgewählten historischen Bildern lässt sich die Entwicklung des Stadtteils nachvollziehen. Anfang des 20. Jahrhunderts – man kann es fast nicht glauben, wenn man durch die Reichenau fährt oder spaziert – war dort noch grüne Wiese. Mitten drin der Gutshof der Stadt Innsbruck, der in Kriegs- und Krisenzeiten die Bevölkerung mit Lebensmitteln versorgte – und an den heute noch der Gutshofweg erinnert. In der Reichenau stand auch der erste Flughafen Innsbrucks. Und hier errichtete die Stadt ab Ende der 1950er Jahre Wohnbauten, um die Wohnungsnot zu lindern, die nach dem Zweiten Weltkrieg herrschte. Zudem war damals noch mehr als ausreichend Platz, sodass sich neben dem Reitclub Campagnereitergesellschaft Tirol ein paar andere Sportvereine ansiedeln konnten.

1925 wurde der Innsbrucker Flughafen in der Reichenau errichtet, nach dem Zweiten Weltkrieg übersiedelte er nach Kranebitten. Foto: © Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck

Neun Hektar

Als die Campagnereiter 2009 nach Igls zogen, wurde eine große Fläche frei, auf der Wohnungen entstehen sollten. Um mehr Grund für Wohnbauten zu generieren, bezog die Stadt das Umfeld in die Planungen ein. Wie immer, wenn viele Interessen zu berücksichtigen sind, erwiesen sich die Verhandlungen mit Anrainern und Vertretern der Sportvereine als schwierig.

Das Areal Campagne Reichenau umfasst fast neun Hektar und soll in den nächsten Jahren neu gestaltet werden.

Die Stadt beschloss daher, ein kooperatives Planungsverfahren durchzuführen, bei dem sich alle Beteiligten – Politik, Stadtplanung, Architekten, Sportvereine, Anrainer u.a. – an einen Tisch setzten, um die Pläne zu diskutieren. Die Ausstellung zeigt, welche Prozesse das Projekt dabei durchlief. Besonders aufschlussreich in diesem Zusammenhang: die Kurzinterviews mit verschiedenen Beteiligten, die auf Video aufgezeichnet wurden. Alle erhielten die gleichen Fragen, die Antworten fielen trotzdem sehr unterschiedlich aus.

Mitte der 1950er Jahre errichtete die Campagnerreiter Tirol ihre Reitsportanlagen in der Reichenau, im Bild: Internationales Reitturnier 1964; Foto: © CRG Tirol

Mehrere Seiten

Die Interviews sind wie Mosaikteile, die zusammengesetzt ein spannendes Bild liefern. Sie verdeutlichen, wo es knarzte, wo die Auffassungen auseinandergingen, welches Potenzial die Beteiligten im kooperativen Planungsverfahren sahen und im Nachhinein sehen. Toll auch, sich das Areal samt Umgebung als Modell anschauen zu können. Ebenso lässt sich das erste Bauprojekt, das dort noch heuer umgesetzt wird, in Kleinformat betrachten.

Den Abschluss der Ausstellung bilden Informationen zu zwei speziellen Projekten. Studenten der Architekturfakultät, ./studio3 – Institut für experimentelle Architektur planten und errichteten direkt am Areal ein temporäres Stadtteilzentrum. Dort finden Treffen, Besprechungen und Veranstaltungen statt.

Modell der Wohnbauten die auf Baufeld 1 errichtet werden.

Kinder planen

Die Kunst- und Architekturschule bilding lud Kinder und Jugendliche der Neuen Mittelschule Reichenau dazu ein, sich damit zu beschäftigen, wie der Grünraum am Campagne-Areal gestaltet werden könnte. Beeindruckend und faszinierend, mit wie viel Fantasie, Kreativität und Ernsthaftigkeit sie sich mit dem Thema befassten. Einige Modelle und Interviews zeigen ihre Überlegungen.

Kinder und Jugendliche der NMS Reichenau machten sich mit viel Kreativität daran, den Grünraum zu gestalten.

Letzter Freitag

Die Ausstellung „Campagne Reichenau – Ein Stück Stadt bauen“ gibt auf wenig Raum einen guten Einblick in die Entwicklung des Bauprojekts Campagne Reichenau. Am Ende kann man das Gesehene und Gehörte in einer Sitzecke sacken lassen – bei gigantischem Ausblick auf die Nordkette, den Bereich rund um den Bahnhof und den Sillpark.

Zum Abschluss kann man auf gemütlichen Sesseln das herrliche Panorama genießen.

Wer noch mehr wissen will: Jeweils am letzten Freitag im Monat sind Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Stadt in der Ausstellung anzutreffen. Sie informieren über den Stand der Dinge am Areal und stehen für Fragen zur Verfügung.

Campagne Reichenau – Ein Stück Stadt bauen
Ausstellungskonzept: Rath & Winkler, Projekte für Museum und Bildung

Stadtbibliothek Innsbruck / Raum für Stadtentwicklung
Amraser Str. 2, 1. Stock
Die Ausstellung läuft bis 31. Oktober.

Öffnungszeiten: während der Öffnungszeiten der Stadtbibliothek, Mo 14:00–19:00 Uhr, DI–FR 10:00–19:00 Uhr, SA 10:00–17:00 Uhr
Jeweils am letzten Freitag im Monat informieren MitarbeiterInnen der Stadt von 10:00–14:00 Uhr über die Ausstellung und das Campagne-Reichenau-Projekt.

Fotos, wenn nicht anders angegeben: © Susanne Gurschler

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