Pfarrkirche Peter und Paul, Götzens

Ein feines, bisher leider wenig bekanntes Musikfestival feiert seinen 25. Geburtstag. ‚Cultura Sacra‘ hat sich in der Götzner Pfarrkirche zu einer Veranstaltungsreihe entwickelt, die bereits international für Aufmerksamkeit sorgt. Das Jubiläumsjahr beginnt heuer am 16. April mit Musik von Bach und seinen Zeitgenossen in der Pfarrkirche ‚Peter und Paul‘.

Ich geb’ es zu: Cultura Sacra war für mich bislang nicht wirklich ein Begriff. Und das, obwohl ich die Barockpfarrkirche zu Götzens und barocke Musik von Mozart und vor allem Johann Sebastian Bach liebe. Barockarchitektur ist allerdings nicht nach meinem Geschmack. Aber die Lage der Kirche und der milde Lichteinfall am Nachmittag sind außergewöhnlich. Ich kann mir gut vorstellen, dass die Musik dieser Zeit im Zusammenspiel mit dem zauberhaften weichen Licht der untergehenden Nachmittagssonne für eine besondere Stimmung sorgt.

Privatinitiative mit Tiefgang

Wie viele kulturelle Initiativen entsprang ‚Cultura Sacra‘ einer Privatinitiative. Das Ehepaar Eva-Maria und Federico Zogg gründete 1997 den Verein, in dessen Mittelpunkt die Wallfahrtskirche Götzens steht. Hier hatte übrigens der inzwischen selig gesprochene Pfarrer Otto Neururer bis zu seiner Verhaftung durch die Gestapo und seiner anschließenden Ermordung durch die Nazis gewirkt. Das Ehepaar wollte die Geschichte dieses Hauses, vor allem aber die konkreten Aktivitäten der Pfarrgemeinde mit der Idee einer ‚Sakralen Kultur‘ musikalisch beleben. 

Drei Reihen sakraler Musik

In dieser außergewöhnlichen Atmosphäre wird seit nunmehr 25 Jahren einer ‚kulturellen Spiritualität‘ während des Jahres mit drei unterschiedlichen Konzertreihen gehuldigt: Die ‚Tiroler Barocktage‘ feiern den Frühling, der ‚Musiksommer Götzens‘ bietet Volksmusik im Kirchenraum zur Sommerzeit, und die Reihe ‚Avantgarde & Zeitgeist‘ präsentiert neue sakrale Musik im Herbst. Da ist es nur selbstverständlich, dass auch der bildenden Kunst in Götzens im Rahmen von Ausstellungen breiter Raum gewidmet wird. (Eine Programmübersicht finden Sie auf der Website von Cultura Sacra.)

Das heurige ‚Vereinsjahr‘ der Cultura Sacra startet am 16. April 2023 mit einem von vier Konzerten im Rahmen der ‚Tiroler Barocktage‘ mit Musik von Bach und seinen Zeitgenossen. Der Leiter dieser Reihe innerhalb der Cultura Sacra ist ein weit über Tirol hinaus bekannter Musiker, Chorleiter, Dirigent und Musiktheoretiker: Wolfgang Kostner. Von dem im ‚Hauptberuf‘ in der Lehrerausbildung tätigen Professor an der Pädagogischen Hochschule Tirol („ich bin ein bekennender Pädagoge“) wollte ich mehr über diese feine Kulturinitiative in Götzens erfahren.

Kostner beginnt denn auch gleich mit einer Art Entschuldigung. „Ich bin kein Götzner und habe eigentlich meine musikalischen Wurzeln in Hatting“, lacht er. Dort ist er nicht nur als Organist, Leiter des Kirchenchores und Mitglied der Musikkapelle tätig. Wer alte Zeitungsberichte durchforstet, erfährt auch von dem von ihm gegründeten Kammerchor NovoCanto, den er mit gleichgesinnten Studienkollegen im Jahre 2000 ins Leben rief, um selten aufgeführte Vokalmusik des Barock kennenzulernen. „Dazu gesellten sich heimische Musiker auf historischem Instrumentarium, so Kostner, „die jetzt das Orchester der Tiroler Barockinstrumentalisten bilden.“ Mittlerweile haben sich NovoCanto und die Tiroler Barockinstrumentalisten auch überregional behaupten können.

Wolfgang Kostner und die Tiroler Barocktage

„Als vor rund 13 Jahren das Ehepaar Zogg, die Gründer dieser Kulturinitiative, an mich herangetreten ist, um mich zu bitten, die Barockmusik-Reihe zu programmieren, fühlte ich mich sehr geehrt und habe sofort zugesagt“, erzählt Kostner. Eine überaus gute Wahl, wenn man weiß, dass Kostner auch zu den ausgewiesenen Kennern barocker Tiroler Musik gehört. Wenn es noch den geringsten Zweifel an seinen Qualitäten gegeben hätte:  Seine Dissertation zu den ‚Festwochen Alter Musik‘ weist ihn als exzellenten Fachmann der Barockmusik aus. 

So haben sich die ‚Tiroler Barocktage‘ in Götzens in der Zwischenzeit zu einer qualitativ hochwertigen Konzertreihe entwickelt, die auch auf internationale Resonanz stößt. Kein Wunder, dass Wolfgang Kostner immer mehr Anfragen renommierter Top-Ensembles erhält: „Dass exzellente Ensembles bereit sind, unsere eher bescheidenen Honorare zu akzeptieren, ist ein großes Kompliment für unsere Konzertreihe.“ Es dürfte noch ein weiteres Merkmal der ‚Tiroler Barocktage‘ zum Tragen kommen: die „persönliche, geradezu familiäre Atmosphäre“, wie es Kostner nennt. 

Musikalische ‚Nachhaltigkeit‘

Größten Wert legt Kostner auf die ‚Nachhaltigkeit‘ der Tiroler Barocktage. Was versteht er darunter konkret? 

„Wir wollen eine Plattform für junge Sänger, Ensembles und Instrumentalisten auf historischen Instrumenten sein und sie mit internationalen Solisten zusammenbringen“, formuliert er den Grundgedanken. „Es gehört weiters zu unseren Kernzielen, regionale Ensembles und leistungsstarke heimische Chöre zu forcieren und auch regionale, historische Kompositionen aus der Barockzeit zur Aufführung zu bringen.“ Mit anderen Worten: Cultura Sacra soll attraktiv für junge, heimische Musiker sein, die dieses kleine, feine Festival auch in Zukunft mittragen.

Selbst in den Zeiten der Pandemie wollte man den heimischen Musiktalenten die Gelegenheit geben, ihr Können zu zeigen. Deshalb wurden Konzerte im Internet gestreamt. Im folgenden Youtube-Video musizierten 2022 das Vokalensemble NovoCanto, die Tiroler Barockinstrumentalisten und Cladia Delago-Norz unter der Leitung von Prof. Wolfgang Kostner.

Volksmusik und neue, sakrale Musik

Was mich am Jahresprogramm der Cultura Sacra weiters fasziniert, ist die ‚Mischung‘ der Konzertreihen. Da ist einmal der ‚Musiksommer Götzens‘ mit Volksmusik im Kirchenraum. An vier Sonntagen im Juni und Juli spielen jeweils um 19 Uhr junge Volksmusikanten und -Ensembles in der Kirche. ‚Zur höheren Ehr‘, wie man in Tirol dazu sagt. Programmiert werden die Konzerte von Andreas Schreier, einem ausgewiesenen Volksmusik-Kenner.

Der Herbst steht dann ganz im Zeichen neuer sakraler Musik. Dabei kommen unter anderem Werke von Krysztof Penderecki, Werner Pirchner, Aarvo Pärt und Olivier Messiaen zur Aufführung. Susanne und Markus Fritz programmieren die drei Konzertabende im September und Oktober, die interessante und höchst anspruchsvolle Kompositionen sakraler Musik beinhalten.

Begeisterung als Triebfeder

Man kann es sich ja vorstellen: Cultura Sacra ‚lebt‘ vom Engagement und der Begeisterung der teilnehmenden Musik-Künstlerinnen und Künstler. Denn das Budget dieses ‚Festivals spiritueller Musik‘ ist mehr als überschaubar. „Eigentlich fließt es in die – eh bescheidenen – Honorare unserer Musiker“, sagt Wolfgang Kostner. Nicht nur das Gründungsehepaar Eva-Maria und Federico Zogg arbeitet seit jeher ohne Bezahlung. Auch die Verantwortlichen für die drei Konzertreihen erhalten für ihre Mühen lediglich – im wahrsten Sinn des Wortes – Gottes Lohn. 

Es klingt vielleicht komisch, aber für mich sind das eindeutige Zeichen dafür, dass dieses Festival zu jenen eher raren, qualitäts- und gehaltvollen Veranstaltungen zählt, die ihre Kraft und Ausstrahlung aus den Ideen und der Musikbegeisterung beziehen. Dazu kommt im Fall Götzens noch die Einbettung in eine Dorfgemeinschaft mit funktionierender Pfarrgemeinde.

Das Programm der heurigen ‚Tiroler Barocktage‘ in der Wallfahrtskirche Götzens

Header-Bild: © Werner Kräutler

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