Bild_7_Theater_Bärenkopf

Die Perspektive zu wechseln ist nicht nur spannend, sondern erweitert auch den eigenen Horizont und gewährt Einblicke in verborgene Welten. Dafür muss man nicht immer quer über den Globus pendeln muss, sondern kann diese unsichtbaren Schätze auch ganz nah entdecken. Nahezu jeden Tag führt mich mein Arbeitsweg mit dem Rad am Tiroler Landestheater vorbei. Das Gebäude kenne ich bestens – wohlgemerkt von außen. Als Freizeitstress-geplagte Bergfex muss ich allerdings zugeben: Das Interior samt Aufführungen ging bis jetzt an mir vorbei. Keine Zeit, sich zu spät um Tickets gekümmert und so weiter – Ausreden hatte ich genug. Doch um dieses große Defizit aufzuholen, durfte ich mit meinen Blogger-Kollegen einen Blick in das Herz des Theaters werfen. Und damit meine ich nicht die Zuschauerränge, sondern das wirklich Innerste.

Ein Theater für alle

Abgeholt werden wir gleich am Bühneneingang und damit startet auch schon der besondere Blick, die neue Perspektive auf das Tiroler Landestheater. In den leeren Rängen erzählt uns Chefdramaturgin Christina Alexandridis gleich, worauf es denn im Theater ankommt: auf die Leidenschaft, auf die Stadt, das Publikum, das Ensemble, die Intendanten, das Budget und auch auf das Selbstverständnis des Theaters. Zwischen Schauspiel, Tanz und Musiktheater will man das Publikum mit viel künstlerischer Freiheit mitnehmen und herausfordern, das besonders Skandalöse oder allzu große Herausforderungen jedoch meiden. Das Landestheater will hier für viele Leute vieles bieten und hat keine bestimmte Spezialisierung, sondern wählt hier den Mittelweg zwischen modern und klassisch.

Bühnenschild - Tiroler Landestheater - Hinter den Kulissen © Monica Nadegger

Hier geht’s lang. © Monica Nadegger

Das geheime Bühnenleben

Damit wir uns es auf den gemütlichen Rängen im Parkett nicht zu gemütlich machen, führt uns unser Weg durch schmale Gänge und etliche Seitentüren auf die Bühne. Was dabei auffällt: Der Bühnenbereich ist wesentlich höher. Der sogenannte Bühnenturm ist doppelt so hoch wie die eigentliche Bühne, immerhin muss der „eiserne Vorhang“ Platz haben, der sich zu Beginn jeder Vorstellung lüftet. Hier und da würden dann auch Schauspieler oder Schauspielerinnen an Stahlseilen von der Decke auf die Bühne heruntergelassen, erzählt uns Schauspieler Kristoffer Nowak, nicht ganz ohne einen Rückblick auf eigene Erfahrungen und die damit verbundene Höhenangst.

Bühnenstruktur - Tiroler Landestheater - Hinter den Kulissen © Monica Nadegger

Hinter dem Vorhang verbergen sich neue Welten – an der Decke oder im Boden. © Monica Nadegger

Die Bühne selbst ist ausgeklügelt technisch gestalten – von Drehboden bis zu Hubraum. Doch das wichtigste in Hinblick auf die Bühne sind natürlich die Akteure selbst. Damit hier alles rund läuft, proben Schauspieler, Tänzer und das Ensemble mehrere Stunden täglich, nahezu jeden Tag die Woche, um neue Stücke einzustudieren. Am Sonntag wird dann nicht etwa pausiert, sondern das bereits einstudierte Werk aufgeführt. Wie Texte und Abläufe gelernt werden, ist da bei individuell sehr unterschiedlich. „Ich brauche im Schnitt vier Wochen vor der Probezeit, um meinen Text wirklich zu können“, so Kristoffer. Anschließend wird dann noch einmal sechs Wochen geprobt. Erst ganz am Ende werden Licht, Bühnenbild, Kostüme, Schauspiel, Tanz, Gesang und Ensemble synchronisiert. Nur im Notfall springt der Souffleur oder die Souffleuse noch ein, meistens reicht aber schon die Präsenz der kleinen Helfer für die nötige Textsicherheit.

Das Bühnenbild selbst wird in einer hauseigenen Werkstatt gefertigt. Obwohl dabei oft ganz klassisches Handwerk zum Einsatz kommt, ist das Ergebnis doch etwas ungewöhnlicher als beim Tischler nebenan. Von Bärenköpfen über scheinbar historische Kunstwerke bis hin zu ganz eingerichteten Räumen gibt es hier einiges zu entdecken – an der Decke, in den Ecken, an den Wänden. Kreativität kennt hier keinen Rahmen.

Eine Kollage mit viel Selbstironie - die Kunstwerke in der Bühnenwerkstatt des Tiroler Landestheaters. © Monica Nadegger

Eine Kollage mit viel Selbstironie – die Kunstwerke in der Bühnenwerkstatt des Tiroler Landestheaters. © Monica Nadegger

Für die Gestaltung aller Bühnenrequisiten braucht es nicht nur Kreativität, sondern auch ganz klassische Handwerkskunst. Tiroler Landestheater © Monica Nadegger

Für die Gestaltung aller Bühnenrequisiten braucht es nicht nur Kreativität, sondern auch ganz klassische Handwerkskunst. © Monica Nadegger

Ein Hut, ein Stock, dein Damenunterrock

Durch schmale Türen, verwinkelte Gänge und einige Stockwerke geht es Richtung Perückenwerkstatt nach oben. 70 Stunden Handarbeit stecken in einer Perücke. Für aufwendige und maßgeschneiderte Exemplare kann es auch länger dauern. In der Werkstatt herrscht nur auf den ersten Blick kreatives Chaos zwischen Augenbrauen, Figurinen und ausgefallenen Frisuren. Dabei weiß jeder ganz genau, was zu tun ist.

Nach wenigen Minuten geht es schon weiter. Wir dürfen noch in das Herzstück des Theater: den Kostümfundus. Noch einmal geht es nach oben und zwischen dem zunehmenden Theatertreiben Richtung Dachboden. Dort warten mehr 20.000 Kostümstücke auf uns: Kleider, Anzüge, Schuhe, Requisiten und Ausgefallenes. Hier gilt ebenso: Der Großteil ist maßangefertigt, doch wenn möglich werden Basics wie Hemden natürlich öfter verwendet.

Kostümfundus - Tiroler Landestheater. © Monica Nadegger

Dieser begehbare Kleiderschrank hat es in sich: Tausende Kostüme sind hier sorgfältig indexiert und verstaut. © Monica Nadegger

Die Stoffe sind dabei qualitativ hochwertig, schließlich müssen die Kostüme unzählige Auftritte unter Bühnenlicht und Körpereinsatz überstehen. Die Kunst ist hier, den Schauspielern trotz aufwendiger Aufmachung noch Bewegungsfreiheit und zumindest ein wenig Komfort zu ermöglichen. Wir staunen über die Märchenecke und den durchaus ausgefallenen Hutvorrat.

Kostümfundus Tiroler Landestheater © Monica Nadegger

Platz für Ausgefallenes. Gibt es etwas, das es hier nicht gibt? © Monica Nadegger

Mit diesem intimen Blick hinter die Kulissen endet dann unsere Führung. Schließlich dürfen wir jetzt als „ganz normales“ Publikum noch am Parkett Platz nehmen. In wenigen Minuten besingen Rigoletto und Gefährten das ewige Spiel zwischen Macht, Liebe und Tod.

Das Programm in Tiroler Landestheater

Nach dem aufgrund der Coronakrise sehr durchwachsenen Frühjahr und Sommer startet das Programm im Landestheater nun wieder durch. Auf dem Spielplan stehen im kommenden Herbst Peter Maxwell Davies Kammeroper „Der Leuchtturm“ (ab 18. September) und die Oper „Der Freischütz“ von Carl Maria Weber (ab 16. September).  Der Vorverkauf startet mit 15. September für den ersten Teil der Spielzeit, ab 15. November folgt dann Teil 2. Wer selbst einen Blick hinter die Kulissen erhaschen will, muss sich noch ein wenig gedulden – noch gibt es aufgrund der eingeschränkten Kapazität keine Termine auf der Website. Allerdings können wir euch zumindest virtuell mit „hinter die Kulissen“ nehmen.

 

Weitere Informationen

  • Wer mehr über die Geschichte des Tiroler Landestheaters erfahren will, der ist hier richtig.
  • Einen Überblick über die kreativen Köpfe und Mitarbeiter findest du hier.
  • Alle Infos zu Abo-Möglichkeiten für Theater-Liebhaber sind auf dieser Seite zusammengefasst. Auf die Covid-19-Situation hat das Landestheater in der Abo-Gestaltung natürlich Rücksicht genommen: Abonnenten haben (aufgrund der limitieren Plätze) Vorrang und können ihre Termine frei wählen. Für Theaterfreunde lohnt sich also der kleine „Vorsprung“ auf die guten Plätze.
  • Die regulären Tickets für Vorstellung könnt ihr ganz bequem online oder per App kaufen, bei der Innsbruck Information vorbeikommen oder für Spontane auch im Theater an der Abendkassa euer Glück versuchen.
  • Den gesamten Spielplan für die Saison 20/21 findet ihr hier.

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