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Jeder Ort und jedes Bild, egal wo auf der Welt, ist mit Geschichten verbunden. Hinter all diesen Geschichten stehen Menschen und ihre Erinnerungen.

So lautet der Übergedanke, der höherer Sinn der Fotoausstellung TIROLESIA im Innsbrucker Fotoforum. Vier Wochen, hunderte Kilometer und Höhenmeter, strömender Regen: als die Fotografien Helena Manhartsberger letzten Sommer auf einem Motorrad aufbrach um Tirol zu fotografieren, wusste sie noch nicht was auf sie zukommen würde. Es war der kälteste Sommer seit Jahren. Sie hatte gerade erst ihren Motorradführerschein in Österreich gemacht. Es sollte zu einer Reise in die Seele eines Landes werden.

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Jeder Ort und jedes Bild, egal wo auf der Welt, ist mit Geschichten verbunden. Hinter all diesen Geschichten stehen Menschen und ihre Erinnerungen. Foto: Helena Manhartsberger


Die Welt auf einem Foto.

Alles begann vor fast zehn Jahren auf einer Studienreise durch Indonesien. Mit ihrer ersten digitalen Spiegelreflexkamera fing die damals knapp zwanzig-jährige Studentin aus Tirol an, ihre Umgebung immer öfter durch die Linse zu betrachten. Stationen in Burma kurz nach dem verheerenden Zyklon 2008 und im Libanon sowie Syrien veränderten Helenas Sicht der Dinge. Zu fotografieren bedeutet für sie einen Beitrag zu leisten, die Menschen dazu zu bringen nicht mehr wegzuschauen.

Nicht mehr wegschauen...Helena will nicht nur fotografieren sondern auch verstehen, was sie fotografiert. Foto: Helena Manhartsberger

Nicht mehr wegschauen…Helena will nicht nur fotografieren sondern auch verstehen, was sie fotografiert. Foto: Helena Manhartsberger

„Irgendwie habe ich immer eine Kamera gehabt: Kleine Taschenkameras, eine analoge Spiegelreflex, ich wollte immer schon Perspektiven aufzeigen. Ein Foto kann das, die Interpretation liegt im Auge des Betrachters, das ist das Spannende daran,“ erzählt sie. „In Burma hatte ich eine Wegwerfkamera dabei, das Regime erlaubte keine ausländischen Fotografen oder Journalisten. Letzten Endes ging es aber jedem darum, einfach nur zu helfen,“ erinnert sich Helena. Durch ihr Studium der Internationalen Entwicklung in Wien vertiefte sich der sozialkritische Aspekt ihrer Fotografien.

Die Fotografin Helena Manhartsberger auf ihrer Reise durch Indonesien. Hier wurde auch die Idee zu TIROLESIA geboren. Foto: Helena Manhartsberger

Die Fotografin Helena Manhartsberger auf ihrer Reise durch Indonesien. Hier wurde auch die Idee zu TIROLESIA geboren. Foto: Helena Manhartsberger

Für ein studentisches Austauschjahr ging Helena vor zwei Jahren an die Universität nach Yogyakarta auf Java, eine der vier Hauptinseln des Inselstaats. Dort entwickelte Helena auch mehr oder minder durch Zufall die Idee zu ihrem Projekt TIROLESIA. „Ich hatte ein Jahr Zeit ein paar Fotos für eine Ausstellung junger Künstler in Innsbruck zu machen“, erzählt Helena. „Das Blöde war nur: ich war ja in Indonesien, und die Fotos sollten einen starken Tirol-Bezug haben“, erklärt sie weiter. Irgendwann fing sie an Tirol in Indonesien zu „suchen“ und fand erstaunliche Parallelen im Brauchtum, aber auch in der Lebensführung. „In Indonesien verbrachte ich Zeit bei einer Familie, deren ein und alles ihre Hühner waren. Nur leider wurden die meisten in einer Nacht von einem Krokodil gefressen. Auf meinem Trip durch Tirol im folgenden Jahr fotografierte ich ebenfalls eine Familie, die ihre Hühner wie einen Augapfel hüteten. Leider wurden sie kurz vor meinem Besuch von einem Fuchs gefressen“, erinnert Helena sich. Das ist vielleicht die Quintessenz ihres Projekts. Aufzuzeigen, dass Lebensweisen und Gefühle sich Erdball-überspannend ähnlicher sind, als man es jeweils annehmen würde. Mit ihrem Projekt, ihren Fotos will Helena den Betrachter anregen, über den Tellerrand zu schauen, seine Fantasie und Vorstellungskraft walten zu lassen.

Hinter die Fassaden schauen...Foto: Helena Manhartsberger

Hinter die Fassaden schauen…Foto: Helena Manhartsberger


Die Fotos einer Welt.

Der dem Fotografie-Projekt zugrunde liegende Ansatz eines partizipativen Zugangs zu visuellen Medien wie Fotografie und Film verfolgt die Absicht, einen tiefer gehenden Austausch von Menschen in zwei Regionen anzuregen, die einander geografisch und kulturell scheinbar fern stehen. „Die Idee und der Grundgedanke von TIROLESIA ist ganz klassisch für eine kritischere Fotografie der Dialog. Der Dialog zweier vermeintlich fremder Kulturen: Indonesien und Tirol,“ erklärt Helena den Sinn ihrer zweijährigen Fotoreportage, die sie auf einen Roadtrip quer durch die Inseln des ostasiatischen Landes führte. Aber auch in Tirol begab sie sich mit einem indonesischen Streetart-Künstler auf dem Sozius ihres Motorrads für vier Wochen auf die Reise.

Der indonesische Street-Art Künstler Digie Sigit begleitete Helena auf ihre Reise durch Tirol. Foto: Helena Manhartsberger

Der indonesische Street-Art Künstler Digie Sigit begleitete Helena auf ihre Reise durch Tirol. Foto: Helena Manhartsberger

Diese Tour führte Helena und Digie Sigit auf fast verlassene Bergweiler, tobende Zeltfeste, in Hühnerställe und sommergrüne Wintertourismusdestinationen. „Eine der faszinierendsten Stationen war der Jungbauernball in Innernavis,“ erzählt sie, „ich dachte, man würde uns mit Vorurteilen begegnen, ich als tätowierte Tirolerin auf einem Motorrad mit Wiener Kennzeichen, einen ebenfalls tätowierten Indonesier hinten drauf. Aber im Zuge der Veranstaltung kam ich drauf, dass ich diejenige war, die Vorurteile hatte. Die Freundlichkeit und Aufgeschlossenheit der Tiroler war etwas, was ich versuchte durch die Linse einzufangen,“ führt Helena weiter ihre Erinnerungen daran aus. Die Autorin dieses Beitrags erinnert sich an zwei tropfnasse und verfrorene Fotografen auf einem Motorrad, die nach getaner „Arbeit“ in Decken gehüllt über ihre Erlebnisse sprachen. Ich bewunderte sie damals schon.

Toleranz und Mitgefühl, Offenheit und Verständnis erfuhr Helena auf ihrer Reise dort, wo sie es anfänglich am wenigsten vermutete. Foto: Helena Manhartsberger

Toleranz und Mitgefühl, Offenheit und Verständnis erfuhr Helena auf ihrer Reise dort, wo sie es anfänglich am wenigsten vermutete. Foto: Digie Sigit

Über 80 Fotographien, die von 9.September bis 3. Oktober im Fotoforum Innsbruck ausgestellt werde, bezeugen die Bemühung eindrucksvoll, Stereotypen, Vorurteile und Klischees zu hinterfragen. Vielleicht auch etwas, dass wir alle in den jetzigen Zeiten mehr und intensiver machen sollten. Den Menschen zuliebe, die tagtäglich psychische und physische Grenzen überwinden müssen.

Ab 9. September im Fotoforum Innsbruck.

Dienstag bis Freitag von 15:00 bis 19:00

Samstag von 10:00 bis 13:00

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