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Es ist mir peinlich, das muss ich jetzt hochoffiziell zugeben. Ich hatte geglaubt, Innsbruck doch einigermaßen gut zu kennen. Sozusagen wie die eigene Hosentasche. Immerhin lebe und arbeite ich hier (oder in der Nähe) seit etwa 40 Jahren. Und dann das!

Auf der Suche nach neuen fotografischen Perspektiven in der Innsbrucker Altstadt fiel mir kürzlich ein blau bemaltes, schmales Mini-Kreuzrippengewölbe am Fußende des Goldenen Dachls auf. Genau dort, wo man direkt unter dem goldenen Wahrzeichen zu den Lauben durchgeht. Und beim näheren Hinsehen war ich einerseits heiter-schockiert und andererseits hocherfreut.

Die 'unterste Schublade' des Goldenen Dachl...

Die ‚unterste Schublade‘ des Goldenen Dachl…

„Dieses spätgotische Netzgewölbe unter dem Erker zeigt an den Kreuzungspunkten kleine Figuren und Ornamente vor einem blauen Gewölbehintergrund.“ Soweit der von mir sofort zurate gezogene Kulturführer ,Das goldene Dachl in Innsbruck‘ von Lukas Morscher und Ulrich Großmann. Die ,kleinen Figuren‘ haben es allerdings faustdick hinter den Ohren, beobachtete ich und recherchierte weiter. „Zeittypische Grotesk-Figuren“ ergänzt Innsbrucks Stadtarchivar Dr. Lukas Morscher im persönlichen Gespräch, als ich ihn um eine Deutung bitte. Und was ein nackter Hintern oder ein entblößtes Gemächte an diesem Prunkerker zu suchen hätten?

Munter-obskure Gesellen am Goldenen Dachl

Munter-obskure Gesellen am Goldenen Dachl

Auch das sei völlig unklar, gibt Morscher zu. Es könnte die Rache von mittelalterlichen Handwerkern wegen unbezahlter Rechnungen genauso sein wie die Darstellung eines Fruchtbarkeitsrituales. Und übrigens: das Goldene Dachl strotze von Unklarheiten und Geheimnissen. Da liege noch Vieles im Dunkeln. Wie zum Beispiel das rätselhafte, bis heute nicht entzifferte Spruchband auf den berühmten Reliefplatten.

Bis heute nicht enträtselt: die Geheimschrift am Goldenen Dachl

Bis heute nicht enträtselt: die Geheimschrift am Goldenen Dachl

Na gut. Dann ist wenigstens Tür und Tor für Interpretationen der kleinen Figuren geöffnet. Für mich ist das Figürchen, das dem suchenden Kunstfreund heiter seinen nackten Hintern entgegenstreckt, die Blaupause des viel zitierten ,Schluchtenscheißers‘.

Der nackte Hintern am Goldenen Dachl lässt allerhand Interpretationen zu.

Der nackte Hintern am Goldenen Dachl lässt allerhand Interpretationen zu.

Als solche werden wir von unseren nördlichen Nachbarn ja nur allzu gerne und allzuoft bezeichnet. Weshalb ich ob dieser Entdeckung auch hocherfreut bin? Endlich haben wir die Vorlage dazu, weshalb uns unsere Nachbarn jenseits der österreichischen Grenze so bezeichnen und können jetzt nachvollziehen, weshalb wir kühnen Alpenbewohner so genannt werden. Und jenes muntere Männlein, das seinen Hosenschlitz stolz öffnet? Könnte doch in einem Aufwaschen als ,Schneebrunzer‘ durchgehen oder etwa nicht?

Offen-hosig. Der legendäre "Schneebrunzer"?

Offen-hosig. Der legendäre „Schneebrunzer“?

Mich würde jetzt die Meinung der p.t. Leserschaft herzhaft interessieren. Wie können diese Figürchen und das, was sie darstellen, gedeutet werden? Denn in dieser illustren und kreuzfidelen Truppe findet man auch Musikanten, Tagediebe und Faulpelze. Für zweckdienlichen Hinweise, Deutungen, Vermutungen oder gar Behauptungen in der Kommentarspalte bin ich außerordentlich dankbar.

 

 

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