jakobsweg

Zuerst traute ich meinen Augen kaum. In Arzl bei Innsbruck waren Schützen und Musikkapelle aufmarschiert. Böller waren zu hören, schmissige österreichische Marschmusik wurde geboten. Pomp & Trara für einen Jakobspilger? 

Aber nein, wär ja zu schön gewesen. Ich  platzte lediglich in die Feierlichkeiten zum Herz-Jesu-Sonntag, als ich auf dem Tiroler Jakobsweg in Arzl eintrudelte. Und dennoch hätte mir ein Tusch schon sehr gefallen: Denn die Pilgeretappe näherte sich einem in Tirol unbestrittenen Höhepunkt am Jakobsweg: Dem Dom zu St. Jakob in Innsbruck.

Von Gnadenwald aus war ich heute gestartet, hatte Absam, Thaur und Rum hinter mir gelassen und war nun in Arzl mit seinem weithin sichtbaren Wahrzeichen angelangt: die Kalvarienkirche auf einem wunderbaren, schon in der Vorgeschichte kultisch genützten ,Bergl‘, einem weithin sichtbaren Hügel. 

Ein weithin sichtbares Wahrzeichen: die Kalvarienbergkapelle von Arzl

Ein weithin sichtbares Wahrzeichen: die Kalvarienbergkapelle von Arzl

 Begonnen hatte ich in Lofer. Denn dort beginnt der „Tiroler Jakobsweg“ und schlängelt sich 246,8 km bis nach St. Christoph am Arlberg durch‘s Land. Wobei ich immer wieder gefragt wurde: wo beginnt der Jakobsweg eigentlich? Meine Antwort darauf: Er beginnt immer dort, wo sich ein Pilger/eine Pilgerin auf den Weg nach Santiago de Compostela macht. Schon klar, man muss ja nicht gleich bis nach Santiago quasi ,am Stück‘ pilgern. Man kann die Distanz in viele kleine Strecken aufteilen.

Die Schützenkompanie Arzl rückte natürlich nicht wegen eines Jakobspilgers aus. Es war Herz-Jesu-Sonntag.

Die Schützenkompanie Arzl rückte natürlich nicht wegen eines Jakobspilgers aus. Man beging den Herz-Jesu-Sonntag, den Festtag Tirols schlechthin.

Kalvarienberg Arzl fern

Der wundervolle Blick vom Jakobsweg aus auf Arzl und seinen Kalvarienberg. Auch die Hungerburg rückt sich rechts hinten schon ins Bild.

Nun lag also Innsbruck vor mir. Ich hatte immer geglaubt, die Stadt wie meine Hosentasche zu kennen. Und dann spaziert man als Pilger, ausgestattet mit Pilgerhut und Pilgerstab durch die Gassen von Mühlau und stellt fest, dass es da Ecken und Winkel gibt, die man nicht kennt. Noch nie gesehen hat. Da sind einmal die alten, schönen Bürgerhäuser. Na gut. Aber da war ein Gemäuer, das mir völlig neu war: der Ansitz Sternbach. Noch nie bemerkt. Oder der kleine Bach daneben, der gurgelnd eine mehr oder minder wilde Wiese durchquert. Noch nie gesehen.

Ich fühlte mich mitten in Innsbruck, als ob ich am spanischen Jakobsweg wäre: altes Gemäuer, ein Bach. Aber es ist kein kastilisches Schlößchen sondern der Ansitz Sternberg in Mühlau.

Ich fühlte mich mitten in Innsbruck, als ob ich am spanischen Jakobsweg pilgerte: altes Gemäuer, ein Bach. Aber es ist kein kastilisches Schlößchen, sondern der Ansitz Sternbach in Mühlau.

Und jetzt komme ich zum Kern des Pilgerns, so wie ich es liebe: Man ist langsam und sieht deshalb die Schönheit und das Wunderbare. Man riecht die Natur, man riecht den Sommer. Er bestand Anfang Juni aus einer Mischung zwischen dem Duft der weißen Holunderblüten und der aufgehenden Lindenblüten. Ein Parfum, wie man es sich lieblicher und schöner nicht vorstellen kann.

Jakob begrüßt die Pilger in Innsbruck

Der Heilige und Pilgerbruder Werner bei der Kettenbrücke in Innsbruck.

Der Heilige und Pilgerbruder Werner bei der Kettenbrücke in Innsbruck.

Zu guter Letzt bemerkte ich erstmals – zu meiner Schande muss ich das gestehen – die aus weißem Mamor gefertigte Skulptur des Heiligen Jakob an der Kettenbrücke. Eine Art Begrüßung für uns Pilger. So, und jetzt war‘s nur noch ein Katzensprung bis zum Dom mit dem im Mittelalter ob seiner Wunderkraft berühmten Gnadenbild „Mariahilf“ von Lukas Cranach.

Was nur noch wenige Tiroler wissen: Innsbruck war im Mittelalter ein wichtiger Sammelpunkt der Jakobspilger auf ihrem Weg nach Santiago. Man zog in größeren Gruppen, denn es warteten Wegelagerer, Räuber, Diebe und Mörder auf Beute. Na gottseidank ist das heute nicht mehr so.

Das Ziel aller Pilgersleute in Tirol: der Dom zu St. Jakob in Innsbruck

Das Ziel aller Pilgersleute in Tirol: der Dom zu St. Jakob in Innsbruck

Es ist und war übrigens nicht nur die Suche nach Sicherheit, die mittlalterliche Pilger bewogen hatte, via Innsbruck  weiter über den Arlberg zu ziehen. Sie taten dies vor allem deshalb, um vor dem Gnadenbild „Mariahilf“ von Lucas Cranach zu beten. Um dann weiter nur nach Einsiedeln zur „Schwarzen Madonna“ zu pilgern. Es ist daher keineswegs ein Zufall, dass Innsbruck über einen Jakobs-Dom verfügt.

Und wer dann noch das Innere des Domes genauer betrachtet, dem fallen die vielen Darstellungen Jakobs auf. Auf den Deckengemälden oder als Silberbüste. Im Bild unten: Jakob als ‚Matamoros‘, als ‚Maurentöter‘. Eine üble Geschichte, in die man den Lieblinsapostel Jesu‘ da in Spanien hineingeritten hatte. Eine frei erlogene Legende besagte, dass der Heilige Jakob persönlich auf einem weißen Pferd in die Schlacht von Clavijo gegen die Mauren eingegriffen hätte um damit den Sieg der Christen sicherzustellen.

Der Heilige Jakob auf einem weißen Streitross. Man erkennt ihn übrigens auf allen Darstellungen, er trägt immer eine Muschel mit sich.

Der Heilige Jakob auf einem weißen Streitross. Man erkennt ihn übrigens auf allen Darstellungen, er trägt immer eine Muschel mit sich. Aufnahme mit digiscoping von Swarivski-Optik

Wer aber glaubt, Pilger würden sich in Innsbruck dann quasi ins Nachtleben stürzen täuscht sich gewaltig. Man ist einerseits körperlich müde. Die Füße schmerzen. Man fragt sich jeden Abend, weshalb man sich das überhaupt antut. Um es am nächsten Morgen kaum erwarten zu können, wieder auf den Weg zu gehen. Und von Innsbruck aus heißt das: eine wunderschöne Etappe über Völs nach Inzing in Angriff zu nehmen.

Eine dörfliche Szene am Jakobsweg in Völs. Im Hintergrund die Blasiuskapelle.

Eine dörfliche Szene am Jakobsweg in Völs. Im Hintergrund die Blasiuskapelle.

Gut, der Weg am Inn entlang wird vom Stadtlärm beschallt. Aber in Völs ändert sich das schlagartig. Entlang eines ehemaligen Fischweihers Kaiser Maximilians (er hatte in Tirol eine Vielzahl solcher Fischzuchten angelegt) geht es nach Afling. Noch nie gehört? Ja, das ist es, was Pilgern in Tirol so unvergleichlich macht. Also Afling liegt zwischen Völs und Kematen und ist ein kleiner, aber sehr feiner Weiler. Mit Kirche und denkmalgeschützten Häusern. Und von Afling geht‘s dann ab ins Himmelreich.

Der bezaubernde Weiler Afling zwischen Völs und Kematen.

Der bezaubernde Weiler Afling zwischen Völs und Kematen.

Denn ein kleines Hochplateau heißt tatsächlich „im Himmelreich“ und liegt schon in Kematen. Von dort geht es dann weiter nach Unterperfuss, das ich bislang in Wahrheit auch nicht gekannt hatte. Obwohl es dort ein kleines Schlösschen gibt, den „Ansitz Farklehen“. Fark wurden die Fährmänner genannt und Lehen ist sozusagen ein Wohnsitz. In aller Kürze: Farklehen war die Zollstation an der Fähre über den Inn, die zwischen Zirl und Unterperfuss bestanden hat.

Der Weg ins Himmelreich ob Kematen.

Der Weg ins Himmelreich ob Kematen.

Der Inzinger Pfarrer Andreas Tausch hat eine der wenigen Herbergen in einem Widum eingerichtet. Dafür sei ihm Dank gesagt.

Der Inzinger Pfarrer Andreas Tausch in der Pilgerherberge Inzing.

Jetzt sind‘s nur noch einige Kilometer bis nach Inzing. Die Gemeinde gehört zu den ,vorbildlichen‘ Jakobsgemeinden in Tirol. Dank Pfarrer Andreas Tausch wurde im Widum eine Herberge eingerichtet, die allen Standards von Pilgerherbergen in Europa entspricht: Koch- und Duschgelegenheit, Stockbetten und viel Gemütlichkeit. Und was besonders für Pilger wichtig ist, die wochenlang auf Pilgerschaft gehen: In Inzing werden für die Übernachtung freiwillige Spenden entgegen genommen. 

Fresken am Adelshof in Toblaten. Das Haus ist eine Pilgerherberge der Sonderklasse..

Fresken am Adelshof in Toblaten. Das Haus ist eine Pilgerherberge der Sonderklasse..

Und man kann‘s kaum glauben: Auf Inzinger Gemeindegebiet gibt‘s eine weitere Herberge. Nämlich in Toblaten, rund 3 km westlich des Inzinger Dorfzentrums. Im ‚Adelshof‘, einem historischen Gebäude in dem schon der berühmte Tiroler Bauern-Geograf Blasius Hueber gewohnt hatte. Ein Haus mit Außenfresken, einem wunderschönen Gärtchen in wunderschöner Lage und viel Gastfreundschaft.

Von Toblaten aus sind’s dann noch vier Etappen bis St. Christoph am Arlberg, der letzten Station auf dem Tirol Jakobsweg. Und dort erwartet alle Pilger eine pfundige Überraschung. Aber das ist eine andere Geschichte.

Für alle, die sich dafür interessieren, auf dem Tiroler Jakobsweg zu pilgern, empfehle ich zwei Links:

  • Die Website des Tiroler Jakobsweges ist eine gute Informationsgrundlage: https://www.jakobsweg-tirol.net/de/ 
  • Das beste Kartenmaterial über den Streckenverlauf des Tiroler Jakobsweges bietet meines Erachtens diese Website
  • Mein Blog „Tiroler Jakobsweg“ www.tirolerjakobsweg.wordpress.com, den ich im Mai eröffnet habe, will neben Etappenbeschreibungen die Schönheit des Weges mit Fotos dokumentieren. Zudem gibt’s Kurz-Informationen über jene Gemeinden, die am Weg liegen. Und ganz wichtig: ich bin an der Erstellung einer Tiroler Jakobsweg-Herbergsliste, die vor allem günstige Herbergen aufzeigt. Ich ergänze derzeit die Herbergsliste fortlaufend, sodass in einigen Wochen hoffentlich eine komplette Liste aufgebaut ist.

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