Stadtfuehrung_UniProfessoren-1-2

„Innsbruck wie noch nie“ Es ist eine Stadtführung der besonderen Art. Wir stehen auf 2.334 Metern über dem Meeresspiegel am wohl einfachsten Gipfel Innsbrucks, dem Hafelekar. Kaum zehn bis 15 Minuten dauerte der Aufstieg von der Bergstation. Es ist eine kleine, bunte Runde interessierter Zuhörer, die der Einladung von vier Universitätsprofessoren gefolgt ist. Der Föhn, der eben noch heftig geblasen hat, lässt uns am kleinen Gipfelplateau in Ruh und Ernst Steinicke, der erste der Professoren, ergreift das Wort. Zunächst wollen wir uns orientieren. Was sehen wir? Im Süden? Italien, ja richtig. Und im Norden? Deutschland. Und was noch? Ratlose Gesichter.

li-re: Michael Beismann (Geographie), Ernst Steinicke (Geologie/Geografie), Andreas Flora (Architektur) und Kurt Scharr (Geschichte/Geografie).

li-re: Michael Beismann (Geographie), Ernst Steinicke (Geologie/Geografie), Andreas Flora (Architektur) und Kurt Scharr (Geschichte/Geografie).

„Vom Hafelekar sieht man Afrika!“

Wenngleich auch nur im tektonischen Sinn. Die afrikanische Kruste beginnt in etwa dort wo heute die Europabrücke in Richtung Brenner führt. Denn nur weil ein Meer dazwischen liegt, heißt das noch lange nicht, dass die Platte aufhört. Diese geht weiter erklärt der Geologe. Und so gehört, vereinfacht gesagt, ein großer Teil der Alpen zu Afrika.

„Innsbruck wie noch nie“ heißt die Führung, die Teil des Rahmenprogramms „Senses“ des heuer zum 17. Mal stattfindendem „Nature Film Festival Innsbruck“ ist. Zusammengetrommelt von Mag. Michael Beismann (Geographie) führen A.Univ.-Prof. Mag.Dr. Ernst Steinicke (Geologie/Geografie), assoz. Prof. Dipl.-Ing. Andreas Flora (Architektur) und Univ.-Prof. Mag.phil. Dr.rer.nat. Kurt Scharr (Geschichte/Geografie) durch die Stadt, Geschichte und Zeit.

Föhn, unser einzigartiges Phänomen

Wäre es nach Steinicke gegangen, hätte er von einem Festival im Oktober abgeraten. Denn der allseits bekannte Föhn ist bekannt als Störenfried. Er verursacht bei einigen Menschen Kopfweh und wird fürs Verkehrschaos zur Verantwortung gezogen. Als die Universität Innsbruck vor knapp 350 Jahren gegründet wurde, hatte man ernsthafte Zweifel, ob in dieser Stadt überhaupt studiert werden kann. Nun denn, es scheint so, als ginge es durch. Auch, wenn manche Studenten hin und wieder durch den Wind sind.

Das Phänomen „Föhnwind“ gibt es in den Bergen öfters. Auch in Salzburg, Vorarlberg oder gar Wien ist es ab und zu föhnig. Aber so stark wie in Innsbruck ist er nirgends. Tiefdruckgebiete über dem Mittelmeer sorgen dafür, dass die warme Luft in der Sahara angesaugt wird. Diese steigt auf in die Alpen und es bilden sich Wolken. An Föhntagen kann man die „Föhnwand“ am Brenner von der Nordkette aus gut sehen.

Nun stürzt die Luft wieder nach unten und schießt wie mit Düsenantrieb, stärker als jeder Dyson-Händetrockner, aus dem Wipptal auf Innsbruck.  Dabei erwärmt sie sich  um ein Grad pro 100 Höhenmeter. So kann es in Innsbruck im Herbst/Winter oft wärmer sein als in der Po Ebene oder Genua. Ganze 17 Grad Temperaturunterschied haben wir heute zwischen der Altstadt Innsbruck und dem Hafelekar, wo der der „warme Föhn“ um einiges kühler ist.

Wer kann bei dieser Kulisse schon einem Selfie widerstehen?

Wer kann bei dieser Kulisse schon einem Selfie widerstehen?

Auch Universitätsprofessoren tauschen das Klassenzimmer gerne gegen Gipfelstunden.

Auch Universitätsprofessoren tauschen das Klassenzimmer gerne gegen Gipfelstunden.

Innsbruck als Verkehrsstadt

Dr. Kurt Scharr übernimmt mit seinem Spezialgebiet: Geschichte. Er nutzt den guten Blick auf die Stadt um etwas anderes zu verdeutlichen. Innsbruck war seit der Antike immer schon eine Verkehrsstadt. Hier wurden Waren umgeladen und Pferde gewechselt. Der Verkehr war siedlungsbegründend und bringt uns heute allerdings auch weniger erfreuliche Dinge wie Lärm, wenig Platz und selten auch Probleme mit der Luftqualität. An Föhntagen wie heute allerdings kein Thema.

Gut sichtbar ist auch die Autobahn, welche in den 1930er Jahren geplant wurde. Wichtiges Kriterium damals war tatsächlich die Anlage als Aussichtsplattform mit Blick auf die Nordkette. Seitdem hat sich einiges getan, der Blick auf die Nordkette ist hin und wieder noch zwischen Schallmauern gegeben.

Die Hafelekar Station ist eine der drei Denkmal geschützten Bauten auf der Nordkette.

Die Hafelekar Station ist eines der drei Denkmal geschützten Bauten auf der Nordkette.

Alpine Architektur

Wir ziehen weiter und nehmen die Seilbahn zurück auf die Seegrube. Dass wir heute auf so viele Berge mit Bahnen fahren können, ist Dank der technischen Erschließung der Alpen im 20. Jahrhundert möglich. Davor konnte man nur zu Fuß auf Hütten wandern und das taten vor allem jene Menschen gerne, die selbst gar nicht in den Alpen lebten. Die Sehnsucht nach alpiner Natur kam aus dem außer-alpinen Raum, aus England und Deutschland, weswegen auch viele Hütten die Namen deutscher Städte tragen.

Die drei Stationen der Nordkettenbahn von Franz Baumann, dem wohl bekanntesten Architekten der Tiroler Moderne, deuten auf genau diese Sehnsucht hin. Massive Holzbalken, wie man sie aus alten Bauernhäusern kennt, runde Bögen, wie in Hofeinfahrten kombiniert mit modernen, zweckorientierten Räumen sind prägend für die Station Seegrube. Alle drei Stationen stehen unter Denkmalschutz.

Auch den Name Zaha Hadid fällt an dieser Stelle, mit deren Bauten (Hungerburgbahn, Skisprungschanze am Bergisel) man sich ein „Leuchtturm“-Projekt in die Stadt geholt hat.

Auch die Austragung der Olympischen Spiele (1964 und 1976) war für die Stadtentwicklung Innsbrucks wichtig. Die Suburbanisierung in Richtung Olympisches Dorf, wo heute noch die bunten Hochhäuser der ehemaligen Sportlerunterkünfte stehen, wurde damals forciert.

Tipp: mehr zum Thema Architektur gibt’s am Blog hier und hier

Zeitreise durch die Altstadt

Der dritte und letzte Teil der Führung findet im Herzen der Stadt statt, wo wir den Vier-Viecherplatz mit seinen vier Tiere-Wappen bestaunen und uns versuchen die Stadt im Mittelalter vorzustellen. Da man mit Pferdekutschen nur schwer rückwärts fahren konnte, war Innsbruck als Einbahn angelegt mit der Kiebachgasse als Entlastungsgasse. In den Höfen wurden die Pferde versorgt und die Warenlager aufgefüllt. Die Menschen selbst wohnten erst im ersten oder zweiten Stock.

Und so gäbe es noch viel zu erfahren und zu entdecken, doch nach 4,5 Stunden findet diese spezielle Führung im warmen Föhnwind mit Blick aus Hafelekar ein Ende. Wer weiß, vielleicht gibt es im nächsten Jahr ja wieder eine Expertenrunde durch Innsbruck. Wie würde wohl ein Archäologe, ein Physiker oder ein Botaniker die Stadt sehen?

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