Weihnachten ohne Krippe? Das ist für viele Tiroler Familien ganz einfach nicht vorstellbar. Kein Wunder also, dass eine Krippe unter dem Christbaum zum immer noch gepflegten Brauchtum in unserem Land gehört. Eine Frage treibt mich schon lange an: Gibt es überhaupt noch original Tiroler Krippenfiguren, die nicht aus China stamen oder mit Automaten geschnitzt werden? Ich machte mich auf die Suche nach der alten Krippenbaukunst in Tirol und traf zwei Meister ihres Faches. Einen Krippenfiguren-Schnitzer in Oberperfuss und einen sogenannten Fassmaler in Arzl bei Innsbruck.
In kaum einem anderen Land wird die Kunst des Krippenbaues mit soviel Eifer, Zeitaufwand und vor allem Können betrieben wie in Tirol. Davon zeugen die vielen Krippenbauvereine und Krippenausstellungen. Ich wollte aber einmal einem jener Meister über die Schulter schauen, der die detailgetreuen Miniaturfiguren von Menschen und Tieren schnitzt, die die Krippen bevölkern. Dabei entdeckte ich eine regelrechte Schnitzer-Dynastie. Nämlich jene der Spiegls in Oberperfuss.
Die Spiegl-Dynastie in Oberperfuss
Der Tipp eines Freundes brachte mich auf die Spur von Konrad Spiegl, den ich in Oberperfuss besuchte. Konrad führt in dritter Generation das fort, was sein Großvater Josef begonnen hatte. Der Bauer hatte um 1900 als Autodidakt mit 16 Jahren seine erste Krippe gebaut und die Figuren dazu geschnitzt. „Am Küchentisch“, meint sein Enkel heute. Josefs Kunstfertigkeit, vor allem aber seine geschnitzten Ziegen, machten ihn ziemlich schnell bekannt. Seine Söhne Konrad und Franz führten diese – ich möchte sagen urtirolerische – Kunstform im bäuerlichen Nebenerwerb fort. Kein Wunder, dass sie es über alles liebten, Schafe und Ziegen zu schnitzen.
Konrad Spiegl in seiner Schnitzstube in Oberperfuss.
Konrad Spiegl werkt gerade in seinem Atelier am Dorfrand als ich ihn besuche. „Ich bin in dritter Generation Krippenfigurenschnitzer“, lacht er. Sein erstes ‚Schafl’ hat er als Vierjähriger am Küchentisch geschnitzt. Talent und Kreativität haben sich offenbar vererbt. In gewisser Weise schon, meint der ausgebildete Bildhauer. Zudem hat er 20 Jahre Schnitzerei in der Schnitzschule in Elbigenalp unterrichtet.
Warteliste
Als Laie interessiert es mich schon, was denn an seinen Figuren einzigartig ist. Kenner der Szene erzählten mir, das Spiegl-Krippenfiguren quasi von aller Weite her erkennbar sind. „Es ist einerseits die Kleidung der Figuren und andererseits deren Haltung“, sagt Konrad Spiegl. Während er mit mir spricht, arbeitet er an der Figur einer Frau, die künftighin in einer Krippe aus einem Brunnen Wasser holen wird. Ohne Vorlage schnitzt er die Figur aus Zirbenholz. Eine wunderschöne geschnitzte Kuh steht auf dem Arbeitstisch. Daneben ein Bild eines Grauen Rindes. „Das war die Vorlage, die mir der Kunde gegeben hat“, lacht Konrad.
Wer aber glaubt, das Spiegel’sche Atelier quelle über von Krippenfiguren, Kamelen, Ziegen oder Schafen, täuscht sich. Zu gefragt ist seine Kunst. Das Gegenteil ist der Fall: wer Figuren von Konrad Spiegl erwerben will, sollte diese früh genug bestellen. „Ich hab zwar immer einige Figuren vorrätig, aber das sind nicht sehr viele“, sagt er. Ein wunderschöner alter Holzkasten beherbergt einige seiner Werke, die er ‚in freien Stunden‘ auf Vorrat schnitzt. Ansonsten wird man auf eine Warteliste gesetzt.
Die Größe der Figuren ist nicht standardisiert. „Viele haben eine Größe zwischen zehn und zwölf Zentimeter“, erzählt Konrad. „Ich schnitze auch kleinere, mitunter aber auch sehr viel größere Figuren“. Als Material verwendet er Zirbenholz, bisweilen auch Linde. Aber da könnte ja das reichlich vorhandene Zirbenharz austreten, werfe ich laienhaft ein. „Da schaut schon der Fassmaler dazu, dass das nicht passiert.“ Fassmaler?
Konrad Spiegl beschäftigt sich ausschließlich mit dem Schnitzen von Figuren. Deren Bemalung übernimmt dann ein ‚Fassmaler‘, also ein Künstler, der der Holzfigur Farbe verleiht, sie in Farben ‚fasst‘. Und einer dieser Maler mit einem besonders guten Ruf in Fachkreisen und bei Krippenfreunden wohnt in Arzl bei Innsbruck. Worauf ich Konrad Pernlochner einen Besuch abstatte.
Fassmaler haben mit Krippenkunst zu tun
Es scheint mir, dass die Krippentradition eines Ortes mit darüber bestimmt, ob die Krippenbaukunst immer noch floriert oder eben nicht mehr. Und Arzl ist, ähnlich wie Oberperfuss, in Fachkreisen für seine jahrzehntelange Krippenbau-Tradition bekannt. Kein Wunder also, dass Konrad Pernlochner hier einer Tätigkeit nachgeht, die unter Krippenfreunden als künstlerisch gilt. Er ist Fassmaler. „Aber nur in meiner Freizeit“, sagt Konrad Pernlochner mit Nachdruck, als ich ihn besuche. Denn der gelernte Schlosser ist in seinem Brotberuf Schweißtrainer. Auf etwas ist Konrad Pernlochner aber besonders stolz: er betreibt auch eine Mini-Landwirtschaft mit zwei Mutterkühen und fünf Schafen. Damit er die Wurzeln zur bäuerlichen Lebensweise nicht verliert, meint er.
Wie ist er zur Krippenkunst gekommen? Schon sein Vater und der Großvater hatten Figuren geschnitzt, mit Vorliebe Schafe und Ziegen. Zudem hatten sie weiter an ihrer Familienkrippe gebaut. Seine Brüder widmen sich eher dem Aufbau von Krippenbergen und auch dem Schnitzen. Aber: sie haben ihn motiviert, sich mit dem Bemalen der Figuren zu beschäftigen.
Er führt mich gleich einmal in sein Atelier. Wer nun annimmt, hier auf himmlische Heerscharen von Engeln in allen Farben, auf Herden von Ziegen oder Schafen oder gar auf Kamele zu stoßen, sieht sich getäuscht. Denn er bemalt Figuren nur nach Auftrag und hat nicht die Absicht, quasi ‚auf Lager‘ zu produzieren. „Die Leute bringen die geschnitzten Figuren, die ich dann bemale“, sagt er.
Und die Farben? Da verwendet er nur echte Ölfarben. Acryl kommt erst gar nicht in Frage. Aber zuallererst werden alle Figuren grundiert. Damit kein Harz austreten kann. „Wie wählst Du die einzelnen Farben für eine Figur aus und wie komponierst du dann die Farbkombinationen?“. So ganz ins kalte Wasser der Figurenmalerei sei er ja nicht gesprungen, sagt Konrad. „Ein bekannter Salzburger Künstler hat mir sehr viele Tipps gegeben.“ Ein Fassmalkurs in Oberperfuss und die langjährige Praxis haben sein Talent zum Vorschein gebracht. Immerhin bemalt er schon seit 13 Jahren Krippenfiguren.
Er malt „nach Gefühl“, wie er sagt. Natürlich gebe es da Vorbilder, auch sehr alte Vorbilder. Wichtig sei jedoch für ihn, erdige Farbtöne zu verwenden. Lediglich die drei Könige fallen hier etwas aus dem Rahmen. Deren Kleider dürfen schon einmal purpurrot sein, vielleicht sogar mit einem hellen Blau kombiniert. Und Gold, ja das darf bei Königen nicht fehlen. Genauso wenig wie es auf den Flügeln der Engel fehlen darf, die Pernlochner mit großer Meisterhaft bemalt und vergoldet.
Ziegen und Schafe sind logo. Aber Vögel in Krippen?
Mich interessieren klitzekleine Vögel, die in einer Art Schwamm am Arbeitstisch stehen und auf dünnen Drähten angebracht sind. Ob ich denn noch nie genau geschaut hätte in den Krippen, will Konrad von mir wissen. Nicht wirklich, gebe ich zu. Aber an Vogelschwärme in Krippen kann ich mich beim besten Willen nicht erinnern. „Hier in Arzl gibt es immer fliegende und sitzende Tauben in den Krippen“, sagt er. Für ihn ein Grund, bisweilen zum Schnitzmesser zu greifen und die gefiederten Freunde selbst herzustellen.
Wer also zum ‚Krippeleschaugn‘ nach Arzl kommt sollte nicht versäumen, die gefiederten Freunde in den Krippen zu suchen.
Ein letzter Tipp für Krippenfreunde
Das Tiroler Volkskunstmuseum zeigt noch bis zum 2. Februar 2019 seine fantastische Ausstellung, ein ‚Krippenerlebnis‘: Weihnachtswunder. Krippenkunst vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Gezeigt werden 20 Krippen mit Figuren aus Holz, Wachs, Ton oder Karton, unter anderem eine barock gekleidete Krippe, orientalische Krippen und jüngere Krippen aus dem 20. Jahrhundert.
Wer noch eine Krippe in allerletzter Sekunde unter den Christbaum stellen will: Der Osttiroler Künstler Andreas Brunner hat eine einzigartige Papierkrippe entwickelt: Weihnachen im Vatikan. Erhältlich im Volkskunstmuseum.
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Alm-Freiwilliger in der 'Schule der Alm', Kultur-Pilger, tirol-Afficionado, Innsbruck-Fan.
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