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Was heißt denn hier Stille Nacht? Von wegen, besinnliche Adventszeit. Alle Jahre wieder bricht die nackte Panik aus. Wir beschließen wie jedes Jahr, nächstes Weihnachten in den Tropen zu verbringen und gehen gleichzeitig auf der Jagd nach Geschenken, die die Welt nicht braucht. Dabei geht das in Innsbruck auch anders.

Tee hilft gegen Stress heißt es. Auch gegen Weihnachtsstress? Alles eine Sache der Einstellung - im "Tiroler Edles", dem Shop von Therese Figl in der Innsbrucker Altstadt. Foto: Therese Figl

Tee hilft gegen Stress, heißt es. Auch gegen Weihnachtsstress? Alles eine Frage der Einstellung – im „Tiroler Edles“, dem Shop von Therese Fiegl in der Innsbrucker Altstadt. Foto: Paula Fiegl

Warum nur tun wir uns das an? Weil es irgendwie dazu gehört. Unser optimiertes Leben schreit nach weihnachtlicher Häuslichkeit, die wir nicht etwa durch gemütliche Stunden mit unseren Lieben erreichen, sondern durch exzessives Einkaufen und Konsumieren. Dabei ist es vollkommen egal, was wir kaufen soweit es nur im Entferntesten mit Weihnachten zu tun hat. Sei es Weihnachtsschmuck, Pullover mit Rentier-Druck oder eben Weihnachtsgeschenke. Für letztere gibt es in Innsbruck durchwegs individuelle und entschleunigte Alternativen zur Massenware, die das gesamte Wortspektrum von nachhaltig bis regional bestens abdecken.

Liebevoller Schmuck, Taschen und Mosslinge im Endlich Store in Dreiheiligen. Foto: Simon Posch

Liebevoller Schmuck, Taschen und Mooslinge im Endlich Store in Dreiheiligen. Foto: Michael Obex

Bäume leuchtend, Bäume blendend, Überall das Süße spendend.  In dem Glanze sich bewegend, Alt und junges Herz erregend – Solch ein Fest ist uns bescheret. Mancher Gaben Schmuck verehret; Staunend schaun wir auf und nieder, Hin und Her und immer wieder.

Das funktioniert nur bei Goethe im vorletzten Jahrhundert, heute im 21. Jahrhundert, hat man den Eindruck, Besinnlichkeit und Weihnachtsfreuden sind ein Luxus, den wir uns nicht mehr leisten können. Weihnachten lässt sich nicht mehr einfach erleben, Weihnachten muss organisiert werden. Auf die Frage „Wie geht’s?“ erwartet man vom ersten Dezember an ein schulterzuckendes „Bin im Stress“, das sich gegen Mitte des Monats in ein „Oh Gott, frag nicht!“ steigert und kurz vor Weihnachten in einem „Bin ich froh, wenn das vorbei ist!“ gipfelt. Wer die Unverfrorenheit besitzt, mit einem „Danke, gut“ zu antworten, ist nichts als ein widerlicher Aufschneider. Oder hat den Ernst der Lage nicht begriffen.

In Wilten kann man sich bei heißer Schokolade, frisch Gebackenem eine kurze Auszeit gönnen. Und ganz nebenbei mal echt hübsche und originelle Weihnachtsgeschenke kaufen. Foto: Tiroler Madl

Im „Tirolermadl“  in Wilten kann man sich eine Auszeit  vom Innenstadt-Trubel gönnen. Und ganz nebenbei mal echt hübsche und originelle Weihnachtsgeschenke kaufen. Foto: Tanja Vogt

Ach Goethe, wenn du wüsstest! Wo sich einst im Glanze der Innsbrucker Innenstadt Alt und Jung freudig bewegten, schieben sich heute Massen mit Tüten unterm Arm zwischen Glühweinständen durch. Sinnend geht hier keiner durch die Gassen, hier herrscht der pure Überlebenskampf. Dabei ist die Weihnachtsbeleuchtung in der Maria-Theresien Straße und auch in der Innsbrucker Altstadt wohl eine der Schönsten der ganzen Gegend. Und es durchaus wert, mal für ein paar Minuten stehen zu bleiben und den Blick nach oben zu richten. Die Erkenntnis, dass Weihnachten immer mehr zu einem Fest der Hetzerei verkommt, ist längst auch in unserem virtuellen Bewusstsein angekommen. Wusstest du, lieber Leser, dass es für die Google-Wortkombination „Weihnachten und Stress“ um 40% mehr Treffer gibt als bei der Kombination „Weihnachten und Stille“? Dabei ist es herrlich entspannend, Läden im Innsbrucker Viertel Wilten zu besuchen, die von Online-Handel nichts wissen wollen, sondern auf persönliche Beratung fokussieren. Zumal sich ganz in der Nähe auch ein Glühweinstand befindet, dessen Glühwein nicht nur besinnend ist, sondern auch ausgesprochen köstlich.

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Der Pop Up – Store von rebekka ruétz ist einen Besuch wert, die erfolgreiche Tiroler Designerin ist im Kaufhaus Tyrol zu finden. Foto: rebekka ruétz

Du wirst es nicht glauben, sehr verehrter Goethe, aber selbst die festliche Stimmung ist uns mitunter vergangen. In manch einer Ecke leuchten nicht die Christbäume, sondern tobt der Krieg der Sterne in den Schaufenstern der großen Kaufhäuser. Ach, du weißt nicht, wovon ich spreche? Dann lies mal die Wunschzettel der Kinder: Sie sprechen eine kryptische, martialische Sprache und lesen sich gelegentlich wie die Beschaffungsliste eines Waffenhändlers vom Mars.

Und zur Not hilft immer, und zwar wirklich immer Schokolade. Zum schenken und selber essen. Foto: Tanja Vogt

Und zur Not helfen immer, und zwar wirklich immer Weihnachtskekse. Zum schenken und selber essen. Weihnachstimmung geht eben auch durch den Magen.  Foto: Tanja Vogt

Aber! Wir halten es wie der Inhalt des bis heute erfolgreichsten Weihnachtssongs der 80er-Jahre des letzten Jahrhunderts: in „Last Christmas“ besingt George Michael, der damals noch die eine Hälfte des Pop-Duos Wham war, eine unglückliche Beziehung. „Vor einem Jahr zu Weihnachten habe ich dir mein Herz gegeben, doch schon am nächsten Tag hast du es weggeworfen. Dieses Jahr erspare ich mir die Tränen und werde es diesmal jemand ganz Besonderem schenken“, heißt es da. Das machen wir auch und besorgen süße, individuelle Weihnachtsgeschenke und freuen uns darauf, einen kurzen Moment innezuhalten, wenn sich die Stille über den Berggipfeln Innsbrucks ausbreitet.

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