EBIKE-MIT-RADZEICHEN-VOR-WIPPTAL

In einer dreiteiligen Serie möchte ich euch, geneigte Leserinnen und Leser, jene Straßen als wunderbare E-Bike-Tour vorstellen, über die vom Mittelalter bis in die Neuzeit das Weiße Gold transportiert worden war. Den Beginn mache ich mit der ‚Ellbögener Salzstraße‘.

Im Mittelalter war Tirol mit raren Bodenschätzen gesegnet. Der Reichtum unseres Landes gründete sich auf Salz und Silber. Wobei Salz rund 700 Jahre lang die Kassen klingeln ließ. Und so prägen die Spuren des Salzes bis heute das Erscheinungsbild vieler Dörfer. Mächtige Bauernhäuser und wunderbare Gasthöfe künden vom einstigen Reichtum Tirols. Und so wird eine Tour auf den Salzstraßen zu einer Kulturreise durch die Jahrhunderte. In diesem Beitrag folge ich den einstigen Salztransporten auf der ‚Ellbögener Straße‘ von Hall ausgehend bis Matrei am Brenner.

Um diese Strecke an einem Tag ohne Probleme zurückzulegen, habe ich in Igls bei Gilda und Karl Zimmermann ein E-Bike ausgeliehen. Die beiden betreiben im  schönsten Haus des Ortes ganz in der Nähe der Kirche ihren feinsinnigen ‚kunstwerkstall‘. Den kleinen E-Bike-Verleih führen sie also quasi nebenher.

PRÄCHTIGE BAUERNHÖFE, MÄCHTIGE GASTHÄUSER

Habt ihr euch noch nie gefragt, wie es möglich ist, dass viele jahrhundertealte Bauernhöfe im Mittelgebirge und Wipptal eher fürstlichen Ansitzen denn kargen Bauernhütten gleichen? Wer die ‚Ellbögener Straße‘ von Hall bis Matrei kennt, weiß was ich meine. Es sind kulturelle Zeugen des frühen Reichtums unseres Landes, der sich auf Salz gründete. Überraschend ist allerdings, dass das ‚Weiße Gold’ auch bei einfachen Menschen weitab der Städte für einen bemerkenswerten Wohlstand sorgte. Dafür sorgten Vorschriften, die heutzutage als ‚Wettbewerbsverzerrung‘ gebrandmarkt würden.

TIROLER SALZSTRASSEN

Als der Salzabbau vor rund 700 Jahren im Halltal so richtig begann, musste auch die Verteilung akribisch organisiert werden. Auf insgesamt vier Straßen wurde das ‚Weiße Gold‘ des Mittelalters dann in alle Himmelsrichtungen exportiert. Über die ‚Ellbögener Straße‘ und den Brenner nach Süden. Die ‚Obere Straße‘, also die alte Römerstraße Via Claudia Augusta, die vom Reschen über den Fernpass nach Süddeutschland und in die Schweiz führte, nahm die Transporte der ‚Mittleren Straße‘ über das Mieminger Plateau auf. Die wiederum war die Fortsetzung der ‚Unteren Straße‘, die von Hall über Zirl nach Telfs reichte. Zu ihr gesellte sich später die ‚Salzstraße‘, quasi eine ‚Konkurrenzroute‘ auf der anderen Seite des Inns zwischen Inzing und Pfaffenhofen.

REICHTUM ENTLANG DER SALZSTRASSE

Eine Tiroler Eigenheit sorgte dafür, dass sich der mittelalterliche Warenverkehr und somit auch der Salztransport zu einem Segen für die Gemeinden entlang der Salzstraßen entwickelte. Eine bis ins kleinste Detail fixierte Organisation baute darauf, dass der Transport ausschließlich von jeweils lokalen Fuhrwerksbesitzern durchgeführt werden musste. In sogenannten  ‚Rodordnungen‘ wurde exakt fixiert, wo die Waren in ‚Pallhäusern’ gelagert werden mussten und wie hoch die Gebühren dafür waren. Die Anzahl der Rodstationen, also der Umladestellen, war ebenso festgelegt wie die an den Stationen bereit zu haltenden Fuhrwerke und die Reihenfolge ihres Einsatzes. Mit anderen Worten: Für einen Salzhändler war es unmöglich, sein Salz in Eigenregie von Hall bis Telfs zu transportieren. Er war auf die lokalen ‚Bauernspediteure‘ angewiesen.

EIN JAHRESERTRAG SALZ HATTE DEN WERT VON 98.000 PFERDEN

Das Tiroler Salz war im Mittelalter überaus wertvoll. Zwischen 1661 und 1662 wurden in Hall 9.600 Tonnen Salz gewonnen. 100 Kilogramm Salz waren das Äquivalent zu einem Pferd oder 35 Laib Käse. Umgerechnet stellte die Jahresproduktion zwischen 1661 und 1662 also den Gegenwert von 96.000 Pferden oder 3.360.000 Laib Käse. Der Profit – vor allem für die Habsburger – war enorm. Wenn man nun bedenkt, dass der damalige Salzpreis rund das Achtfache des Herstellungspreises war, wird klar, wie deren Kriege finanziert worden waren. Das Salz war eine immer sprudelnde Geldquelle. 

TRANSITPROTESTE SCHON IM MITTELALTER

Um die Jahresproduktion 1661-1662 zu transportieren, waren 7.750 Fuhren nötig. Eine Fuhre fasste maximal 3 Salzfässer zu je 266 Kilogramm. Nehmen wir an, dass es nur an 250 Tagen möglich war, auf den damaligen Straßen schwere Lasten zu transportieren. Dann ergibt die Rechnung rund 30 Salzfuhrwerke täglich oder an die drei Fuhrwerke pro Stunde. Kein Wunder, dass sich damals schon die Straßenanrainer über den Transit-Verkehr beschwerten, während sich Wirte und Bauernspediteure die Hände rieben.

DIE ELLBÖGENER STRASSE: KUNST, KULTUR UND GASTHÄUSER

Die frühen Salzspediteure waren also Bauern, die sich mit dem Transport ein erkleckliches Zubrot verdienten. Sie nannten sich ‚Rodfuhrleute‘. Rod bedeutet in diesem Zusammenhang ‚Reihe‘, man könnte heute auch den Ausdruck ‚Radl’ verwenden. Die Strecke, die ein Salzfuhrwerk damals an einem Tag zurücklegen konnte, betrug rund 30 Kilometer. Somit war unabdingbar, dass in gewissen Abständen einerseits die Pferde gewechselt wurden und andererseits die Salzhändler samt ihrer Entourage nächtigen konnten. Die Grundlage für reiche Bauern und reiche Wirte war also quasi vorzeichnet.

MIT DEM E-BIKE VON HALL NACH MATREI AUF DER ‚ELLBÖGENER STRASSE'

Ausgangspunkt meiner Tagesreise auf der Ellbögener Straße war das Salzlager in Hall. Sie werden sich fragen woher der Name ‚Ellbögen’ kommt. Ganz einfach. Weil die Kurven dieser Straße damals wie heute oft wie ein Ellenbogen aussehen. 

Ich begann also meine E-Bike-Fahrt mit der Überquerung der Haller Innbrücke, um das andere Ufer bei Häusern zu erreichen. Der Weg führte von dort weiter nach Ampass. Vorbei an wunderschönen, mächtigen Bauernhäusern, deren einstige Besitzer mit Sicherheit Rodfuhrwerker waren. Leicht ansteigend dann hinauf zur spätgotischen Kirche.

Der Name des Ortes geht nicht etwa auf einen ‚Pass‘ zurück, obwohl man das annehmen könnte. Schon eher auf ein keltisches Wort das ‚Zwischen den Bächen‘ bedeutete. Die spätgotische Vitus-Kirche lässt die Vermutung zu, dass sie von den Fuhrleuten und Salzhändlern mit errichtet worden war. Der Heilige Vitus war nämlich auch für den Schutz der Fuhrleute zuständig.

Nach den beiden berühmten Türmen der Pfarrkirche zum Hl. Johannes führt der Weg weiter nach Aldrans. Vorbei am Fundort des größten mittelalterlichen Goldschatzes Tirols zur Kirche von Aldrans. Die wiederum steht auf einem uralten Kultstein, einem sogenannten ‘Schalenstein’. Benannt nach den halbkugelförmigen Vertiefungen, die künstlich eingebracht worden sind. In meinem Blogbeitrag beschreibe ich diese mysteriösen Steine.

Nach Aldrans folgt der eher steile Anstieg nach Lans. Es ist deshalb auch logisch, dass Lans zwei uralte, einzigartige Gasthäuser beherbergt. Der erste an der Straße ist der Isserwirt, dem einige Meter weiter der Wilde Mann folgt. Die reich verzierten Gebäude sind wahre Denkmäler an der Ellbögener Straße.

Ein weiterer, relativ steiler Anstieg wird an seiner höchsten Stelle wieder von einem Gasthaus ‚gekrönt‘: dem Grünwalderhof. Knapp vorher passiert man den ‚Goldbichl’, einen der außergewöhnlichsten prähistorischen Kultplätze Östereichs. Auch in Sachen ‘Goldbichl’ verweise ich auf meinen Blogbeitrag.

Der Gründwalderhof vereinigte gleich zwei Eigenschaften: Einerseits war er Raststation der Reisenden an der Brennerstrecke, somit auch der Salzspediteure. Andererseits dient er als Poststation des Fürsten Thurn und Taxis, der unter Kaiser Maximilian als Hauptpostmeister in Innsbruck diente. Seine Post reiste also quasi auf einer ‚gemähten Wiese‘, denn die Erhaltung der Salzstraße lag im großen Interesse von Adel, Wirten und Bauern gleichermaßen. Und das nützte der schlaue Fürst.

Uralte Spuren der Brennerroute sind in Patsch zu sehen. Direkt bei der Volksschule wurden jene Steine der einstigen Römerstraße wieder verlegt, die bei Grabungsarbeiten im Dorfzentrum gefunden worden waren.

Ab Patsch wird die Ellbögener Straße ihrem Namen und Ruf gerecht. Wie eine Riesenschlage windet sie sich um die von Bächen zerfurchte, steil abfallende Landschaft in Richtung Ellbögen, wo weitere mächtige Gebäude auf kulturaffine E-Biker warten.

Ellbögen ist bekannt ob seiner Kirche St. Peter, flankiert logischerweise von einem ehemaligen Gasthaus. Kurz danach befindet sich im sogenannten ‘Mühltal’ eine jener wichtigen Institutionen, ohne die die Salzstraße kaum vorstellbar gewesen ist: eine Schmiedewerkstätte. Die Außenfresken geben noch Zeugnis davon. Auf der Weiterfahrt in Richtung Matrei passiert man dann einen der wuchtigsten Gasthäuser auf dieser Salzstraße: den Neuwirth.

Bemerkenswert ist der wuchtige ‘Zach-Hof’ in Ellbögen mit seinen vielen kleinen Details. Verspielte Erker Wappen und Sinnsprüche zieren solche Gebäude nicht selten.

Ab Ellbögen weitet sich dann das Wipptal in Richtung Matrei. Pfons und Mühlbachl liegen noch auf dem Weg, bevor man in Matrei einrollt. Für alle, die den Nervenkitzel einer Hängebrücke spüren wollen: Vor Mühlbachl ist die Burg Trautson jetzt in luftiger Höhe erreichbar.

Matrei war einst das erklärte Ziel der Salzhändler. Der riesige Salzstadl und die gute Infrastruktur spülte im ausgehenden Mittelalter viel Geld in den Ort. Heute noch kann man sich dem Charme von Matrei kaum entziehen.

MEINE TIPPS FÜR DIESEN E-BIKE-AUSFLUG:

  • Die Fahrt von Hall bis nach Ellbögen oder Matrei ist mit einem E-Bike auch ohne Spezialtraining möglich. Die Länge der Strecke von Hall nach Matrei: rund 30 Kilometer.
  • Ich habe die Etappe unterteilt und bin zuerst vom E-Bike-Verleih in Igls nach Matrei a.B. gefahren. Dort habe ich den Zug nach Hall i. Tirol genommen, um die zweite Halb-Etappe über Ampass-Aldrans und Lans bis nach Igls zu absolvieren.
  • Die Fahrt führt entlang der Landesstraße, die bisweilen auch ‘Römerstraße’ genannt wird. Von  Hall über Ampass nach Aldrans, Lans, Patsch und Ellbögen in Richtung Matrei am Brenner folgt man genau dieser Straße, die mit einem eigenen Radstrreifen gekennzeichnet ist.
  • Dennoch ist Vorsicht geboten, die Ellbögener Straße ist bisweilen unübersichtlich und eng.
  • Raststationen gibt es in jeder Gemeinde. Die typischen Tiroler Dorfbrunnen bieten exzellentes Wasser zum Befüllen der Wasserflaschen.

Alle Bilder: © Werner Kräutler

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