© Innsbruck Tourismus : Tom Bause Kopie

Eine Innsbrucker Ikone wird zwanzig Jahre alt. Selten ist es einem Bauwerk vergönnt, innerhalb weniger Jahre Ikonenstatus zu erlangen. Der Bergiselschanze ist genau das gelungen.

Mich interessieren Geburtstage eigentlich wenig. In diesem Fall wollte ich jedoch aus erster Hand erfahren, wie der Bau vonstatten ging und was denn in den 20 Jahren am Bergisel so alles passiert ist. Ich wandte mich an Alfons Schranz, einem ‚altgedienten’ Mitglied des Sport-Club Bergisel. Nicht zuletzt deshalb, weil Schranz heuer zeitgleich zwei ganz persönliche Jubiläen feiert, die mit der Bergiselschanze verwoben sind. Seit 40 Jahren (!) ist er als Freiwilliger für den  Sport-Club Bergisel tätig, der für die Bergiselschanze verantwortlich zeichnet. Mehr noch: er war in den vergangenen 20 Jahren als Chef des Organisationskomitees (OK) sozusagen der Generalmanager der Wettbewerbe auf dem Innsbrucker Heldenhügel. 

Die Drohung der FIS machte Innsbruck ‚Beine‘

Fast schien es so, als ob Innsbruck mit dem Neubau der Schanze auf dem schicksalsträchtigen Bergisel das neue Jahrtausend einläuten wollte. Ein Neubau der Schanzenanlage, die bereits zweimal im Zentrum Olympischer Winterspiele gestanden war, zeichnete sich zwar ab und wurde schon 1990 diskutiert. Jahrelang wurde ein Neubau auf die lange Bank geschoben. Als der internationale Skiverband FIS 1999 damit drohte, der alten Schanzenanlage die Wettbewerbs-Zulassung zu entziehen war Feuer am Dach. Aus der ratz-fatz durchgeführten Ausschreibung eines „Neubau Bergiselschanze mit Aussichtscafé“ ging Zaha Hadid als eindeutige Siegerin hervor. Der Entwurf der Pritzker-Preisträgerin (eine Art Nobelpreis für Architektur) verpasste Innsbrucks Hausberg ein neues, sensationelles Erscheinungsbild. Vorher aber war noch die alte Anlage zu sprengen, was am 25. März 2001 erfolgte. Es erregte in Innsbruck allergrößtes Aufsehen.

Schröcksnadel fixierte ersten Veranstaltungstermin auf neuer Schanze

Ursprünglich hätte das erste Skispringen ja erst im Jahre 2003 auf der - einer Kobra ähnelnden - neuen Schanze stattfinden sollen. Wehalb der erste Wettbewerb - es war ausgerechnet das Innsbrucker Springen der Vierschanzentournee - bereits zehn Monate nach Baubeginn stattfand, wollte ich von Alfons Schranz wissen. Der ehemalige Leiter des Postverteil-Zentrums in Hall war damals Wettkampfleiter der Veranstaltungen und seit 2002 Chef des Organisationskomitees (OK) der Bergiselschanze. „Damals ist dem ÖSV-Chef Peter Schröcksnadel eingefallen, das Springen der Vierschanzentournee im Jänner 2002 auf der neuen Schanze anzusetzen“ erzählt Schranz lachend. Woraufhin wirklich alle Hebel in Bewegung gesetzt werden mussten um das  Monsterprojekt umzusetzen und den Termin einzuhalten. Es fand am 4. Jänner 2002 statt und sah einen Sieger, der sich ausgerechnet im Eröffnungsjahr der Schanze in die Sportgeschichtsbücher eingetragen hat: Sven Hannawald. Ihm gelang es als erstem Skispringer überhaupt, alle vier Wettbewerbe der Tournee zu gewinnen.

Betonieren bei minus 17 Grad

Der ‚Presto-Befehl‘ des ÖSV-Präsidenten brachte vor allem die Baufirmen ins Schwitzen. „Damals hatte es teilweise minus 17 Grad, und da wird Betonieren zu einem Problem“, erzählt Schranz. Und dennoch ging alles gut. Die Schanze glich zwar einem ‚bewohnten Rohbau‘, das Wettbewerbsspringen konnte jedoch ohne Fehl und Tadel durchgeführt werden.

Der Wermutstropfen in der Karriere von Alfons Schranz

Als OK-Chef stand Schranz bei allen Wettbewerbsspringen der vergangenen 20 Jahre quasi im Zentrum des Sturmes. Gemeinsam mit seinen Mitarbeitern war er für Vorbereitung und reibungslosen Ablauf des Springens verantwortlich. „Von der Unterkunftsbeschaffung für die Mannschaften über die Organisation von Containern (als Umkleide- und Aufenthaltsräumlichkeiten) bis hin zu LKW für den Schneetransport hatten er und seine Mannen alles im Auge zu behalten. Auch die Präparierung der Schanze und der Anlaufspur fiel in seinen Bereich. Stress gab es immer dann, wenn in der Nacht vor dem Springen Schnee gefallen war. „Da mussten die Zuschauerränge vom Schnee befreit werden, was sehr arbeitsintensiv und teilweise schwierig war“ erzählt Schranz. Erst dann wurde die Veranstaltung von der Polizei freigegeben.

Nach dem Vierfachtriumpf von Sven Hannawald im Jahr der Eröffnung der neuen Schanze war das Springen am Bergisel mehrere Jahre hintereinander ausverkauft. Schranz: „Einmal waren 3.000 Leute vor dem Stadion, die wir nicht einlassen durften“. Um die maximale Besucherzahl von 22.500 Zuschauern kontrollieren zu können mussten anfangs die Eintrittskarten kopiersicher gemacht werden. Heute machen Scans die Eintrittskarten fälschungssicher.

Abschied vom Bergisel

Dass er seinen ‚Job‘ nun an einen Nachfolger übergeben konnte sieht er mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Das lachende Auge ist die Freizeit zu Weihnachten. Denn für ihn war die Zeit zwischen Mitte Dezember und dem 6. Jänner arbeitstechnisch jahrzehntelang quasi die absolute Hochsaison. Das weinende  Auge betrifft die Vergangenheit. „Eigentlich waren die vergangenen zwanzig Jahre eine tolle Zeit“, erzählt er. Was ihn heute noch ‚wurmt‘ sind die zwei Totalabsagen des Springens der Vierschanzentournee 2008 und 2022. „Beide Male hat uns der Wind einen Strich durch die Rechnung gemacht“ sagt er.

Mit der Anschaffung einer Flutlichtanlage für das Bergiselstadion dürfte das Windproblem jedoch in Hinkunft kleiner werden. „Die Windnetze haben uns bereits sehr geholfen. Und wenn eine Flutlichtanlage installiert ist, können wir mit dem Springen später beginnen. Das hat den Vorteil, dass der Wind in den Abendstunden meistens abflaut.“ 

Ein Lesetipp: Die außergewöhnliche Website des Innsbrucker Stadtarchivs widmet dem Geburtstagskind Bergiselschanze ebenfalls einen Beitrag. 

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