ANNA_STOEHR

Body Positivity. Frauenpower. Und nicht zuletzt #MeToo. Die letzten Jahre waren für viele Frauenbewegungen ein Schritt Richtung mehr Gerechtigkeit. Doch obwohl die Bewegung in die richtige Richtung weist, gibt es vor allem in einem Sektor, in dem Fairness und Teamspirit nicht unwesentlich ist, oft noch Aufholbedarf. In der Sportszene kämpfen Frauen in vielen Sportarten nicht nur um den Sieg, sondern auch um faire Bezahlung und Anerkennung.

Da Innsbruck im September Austragungsort für gleich zwei Großveranstaltungen, der IFSC Kletter-Meisterschaft und der UCI Straßenrad WM 2018, ist, habe ich mich bei den Athletinnen der Szene umgehört, wie es ihnen als Frau im Spitzensport ergeht. Annemiek van Leuten & Anna van der Breggen, beide niederländische Rennrad-Fahrerinnen, und Anna Stöhr, österreichisches Ausnahmetalent in der Kletter- & Boulderszene, teilen ihre Erfahrungen.

Frauenpower in einer Männerdomäne?

Die noch vor einigen Jahren so männerdominierte Radszene ebnet langsam auch Frauen den Weg Richtung Spitzensport. Annemiek van Leuten sieht vor allem eine Professionalisierung bei den Radrennen der Frauen. „Noch vor einigen Jahren war die Frauen-Liga eher eine Amateur-Liga, aber mittlerweile gibt es auch für die Frauen verbesserte Trainingsbedingungen. Die Weltcuprennen sind ähnlich organisiert wie bei den Männern. Das ist das, was wir brauchen um uns im Sport zu verbessern. Dass diese Rennen dann noch im Fernsehen übertragen werden, hilft uns natürlich auch enorm weiter“.

Team-Kollegin Anna van der Breggen sieht immer noch große Unterschiede, aber auch eine Verbesserung. „Es sind weniger Frauen in den Pelotons. Das Level der Frauen ist auch noch sehr unterschiedlich, weil da die Struktur anders ist als bei den Männern. Bei Frauen trainieren oft Amateure und Profis gemeinsam. Bei Männern sind da die Gruppen homogener. Es müssen einfach viel mehr Frauen in den Sport. Es werden aber schon mehr Rennen im Fernsehen gezeigt. Das motiviert auch andere Frauen, den Sport zu beginnen.“

Beim Klettern gäbe es noch einen Unterschied zwischen Halle und Fels, so Anna Stöhr. „Ich glaube, dass die Hürde wirklich an den Fels zu gehen noch etwas größer ist, da man in der Halle ja doch die gewohnte Umgebung hat und noch leichter jemanden mitnehmen kann. Viele Jungs gehen gemeinsam raus und wenn da nur eine Frau dabei ist, ist die Barriere größer. Aber das wird sich im Laufe der Zeit bestimmt noch anpassen. Klettern ist nämlich keine Sportart, die für Frauen nicht zugänglich ist. Überhaupt nicht.“

Die faire Behandlung und Gleichberechtigung sieht Anna Stöhr auch stark vom internationalen Sportverband abhängig. „Für mich war Gleichberechtigung immer normal im Klettersport. Ich will jetzt allerdings nicht von einer Vorreiterrolle sprechen, denn gleiches Geld und gleiche Sendezeiten sollten auch in jeder anderen Sportart normal sein. Es ist oftmals der Struktur und der Gesellschaft geschuldet, dass das im Frauensport nicht der Fall ist. Das ist sehr schade und unfair.“

Ann Stöhr lässt sich im Klettersport nicht aufhalten. Und das ist gut so. © TVB Innsbruck/Christian Vorhofer

Ann Stöhr lässt sich im Klettersport nicht aufhalten. Und das ist gut so. © TVB Innsbruck/Christian Vorhofer

Müssen Frauen härter für den Erfolg arbeiten?

Im Sport selbst? Annemiek van Leuten verneint. „Wir arbeiten aber härter in Sachen Social Media, weil wir im Fernsehen nicht die gleiche Aufmerksamkeit wie die Männer bekommen.“, so die Holländerin. „Wir wollen zeigen, was wir können. Und das gelingt über Twitter oder Strava.“ Rennrad-Fahrerin Anna van der Breggen sieht das ähnlich. „Mehr TV-Minuten bringen mehr Aufmerksamkeit und macht Frauen auch für die Sponsoren interessanter. Auf Social Media mache ich so viel ich kann, so lange es um’s Rennradfahren geht. Persönlich gehe ich es da etwas ruhiger an.“ Als wichtigste Eigenschaft für eine erfolgreiche Athletin sieht Anna van der Breggen Leidenschaft, Ehrgeiz, Training, aber auch die Individualität jeder einzelnen Sportlerin.

Anna van der Breggen genießt noch entspannt die Aussicht. Bei der Straßenrad-WM fährt sie dann aber hoffentlich ihren Konkurrentinnen davon. © Tirol Werbung / Klaus Kranebitter

In der Kletterszene sieht Anna Stöhr weniger Probleme als in anderen Sportarten. „Anfänglich waren Frauen in der Kletterhalle sicher unterrepräsentiert. Dieser Trend löst sich langsam auf, aber es ist sicher immer noch so, dass es eine eher männerdominierte Sportart ist.“ Allerdings habe sie am Anfang ihrer Karriere auch davon profitiert. „Bei mir war es nie ein Nachteil. Ich habe viel mit Jungs trainiert und da wurde eigentlich kein Unterschied gemacht.“ Doch nicht nur Profi-Athletinnen haben mit den Vorurteilen in männerdominierten Sportarten zu kämpfen. „Frauen sollten sich da überhaupt nicht einschüchtern lassen. Man muss da einfach ein bisschen von dem Schwarz-Weiß-Denken wegkommen und versuchen, das zu machen, was einem Spaß macht. Jeder kann sich nach oben arbeiten.“

Dass Klettern nicht nur für Kraft, sondern auch für Willensstärke steht, kann Anna nur bestätigen. „Die meisten Hürden beim Klettern sind mental. Es passiert viel im Kopf und man muss sich einiges zutrauen. Diese Hindernisse kann man dann aber auch überwinden.“

In der neuen Kletterhalle trainieren nicht nur Profis. „Jeder kann Spaß haben und sich nach oben arbeiten.“, so Anna Stöhr. © Raiffeisen/Berger

Gender Pay Gap und Preisgelder

Equal Pay. Ein englischer Ausdruck, der eigentlich genau das meint, was er übersetzt bedeutet. Gleiche Bezahlung – für alle. Österreich ist hier in einer Hinsicht EU-weit noch Schlusslicht. Denn das Bruttojahreseinkommen von Frauen lag auch  2016 hierzulande noch rund 37% unter dem ihrer männlichen Kollegen. Im Sport liegen Preisgelder oft noch wesentlich weiter auseinander. Während die  NBA-League in den USA bis zu 99 Millionen an ihre männlichen Athleten zahlt, verdienen weibliche Basketball-Spielerinnen gerade mal 900.000 Dollar. Andere Sportarten wie Tennis sind da schon weiter. Hier dürfen sich Frauen und Männer über Preisgelder in gleicher Höhe freuen. Und beim Radfahren und Klettern?

Annemiek van Leuten sieht hier langsam eine Verbesserung in der Radszene. „Ein Riesenschritt ist auch die bessere Bezahlung. Jetzt können Frauen den Sport wirklich Vollzeit betreiben und müssen nicht noch nebenher arbeiten. Das ist ein Riesenvorteil.“, so die holländische Rennradfahrerin.

Annemiek van Leuten in ihrem Element, dem Rennradfahren. © Swarovski Kristallwelten

Annemiek van Leuten in ihrem Element, dem Rennradfahren. © Swarovski Kristallwelten

„Ich hoffe, wir überzeugen mit unserem Sport und unserer Leistung mehr Frauen, in den Radsport zu kommen. (…) Es ist auch eine gute Frage für Tirol. Ich meine, die Bedingungen sind super. Frauen sollten eigentlich gute Chancen im Rennrad-Sport haben. Warum das noch nicht der Fall ist, kann ich leider auch nicht beantworten.“, rätselt Anna van der Breggen.

Anna Stöhr hat hier nur positive Wort für die Kletterszene. „Beim Klettern sehe ich hier eine sehr positive Entwicklung. Für eine Weltcupsieg kriegen Männer und Frauen genau gleich viel gezahlt. Es ist auch nicht so, dass die Zeiten für das Finale immer stark unterschiedlich sind. Wir haben die gleichen Weltcup-Orte, wir haben die gleiche Bezahlung und die gleichen Sendezeiten.“

In London findet diesen Herbst das Women’s Climbing Symposium statt, wo es explizit um Frauen im Klettersport geht. Als abschließende Worte für Frauen im Klettern hat Anna Stöhr noch ermutigende Worte. „Kommt hin. Macht euer Ding. Und ihr werdet sehen, dass ihr da von niemandem etwas zu befürchten habt.“

Dass viele Sportarten immer noch männerdominiert sind, wird sich nicht von heute auf morgen ändern. Das Interview mit den drei Athletinnen lässt aber zumindest Nachwuchstalente in der Rad- und Kletter-Szene hoffen, dass die Veränderungen bereits jetzt im Gange sind.

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Titeltild: Anna Stöhr – © Fischhuber

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