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Es ist, als feierte man in Haiming eine Art Wiedergeburt. Nach zwei Jahren pandemiebedingter Absagen der ‚Haiminger Markttage‘ stürmten die Menschen am 8. Oktober am ersten der beiden Tage die Verkaufsstände. Für den zweiten Markttag am 15. Oktober ist mit Sicherheit ein ähnlicher Ansturm zu erwarten. 

Begonnen hatte alles, als Hubert Wammes, der ‚Vater des Haiminger Apfelwunders‘, gemeinsam mit seinen Kollegen im Jahre 1987 eine bäuerliche Verkaufsveranstaltung begründete. Die Idee trug schon sehr bald sichtbare Früchte. Am jeweils zweiten und dritten Wochenende im Oktober stürmen seither zehntausende Besucher Jahr für Jahr den Oberländer Ort, um sich für die Wintermonate mit Haiminger Äpfeln, Erdäpfeln, Lagergemüse, Obst und anderen Spezialitäten einzudecken. Im selben Zeitraum stieg der Ort übrigens zur größten Obstbaugemeinde Nordtirols auf. 

Äpfel sind das Haiminger Alleinstellungsmerkmal

Für mich sind die Markttage seit Jahren ein Pflichttermin, quasi ein persönliches ‚Hochamt’, an dem ich eine akkurate Routine einhalte. Zuerst geht’s zur Apfelverkostung am Stand der Haiminger Obstbauern. Da verschaffe ich mir einen Überblick über die neueste Ernte und die Geschmacksunterschiede diverser Apfelsorten, vorzugsweise aus biologischem Anbau von Rudi Wammes. Um ehrlich zu sein: Ich verkoste so lange, bis ich weiß, welche Apfelsorte die süßeste ist. Da ich ja nur mit Öffis und dem E-Bike unterwegs bin, kaufe ich die Äpfel meiner Wahl in den Folgemonaten in kleineren Mengen im Haiminger Obstlager an der alten Straße nach Ötztal Bahnhof gelegen. Ganz im Gegensatz zum Großteil der Besucher, die mit dem Auto anreisen. Sie decken sich mit einem Wintervorrat ein, den sie auch gleich mit dem Auto mitnehmen. Da gehen ihnen hilfreiche Buben zur Hand, die die gekauften Vorräte per Handwagen zum Auto bringen. 

Haiminger Pioniere des BIO-Landbaus

Als nächstes besuche ich die Verkaufsstände der BIO-Bauernfamilien. Haiming genießt den vorzüglichen Ruf, quasi eine Pioniergemeinde des BIO-Landbaus zu sein. Die Familien Glatzl und Kopp mit  Getreide und Gemüse sowie die 'Äpfelfamilie' Wammes mit Äpfeln waren mit die Vorreiter giftfreier  Erzeugung von Lebensmitteln. 

Während die Glatzls direkt am Markt vertreten sind herrscht am Hof der Familie Kopp ('Christls Hof', quasi um die Ecke der Markttage) eine Art  ‚Hausmesse‘-Feeling. Berge von Kürbissen, Kartoffeln und wunderbaren Wurzelgemüsen, Salaten und Tomaten werden hier während der Markttage bei ihrem Bauernhof, quasi vor der Haustüre, feilgeboten.  

Prämierter Whiskey aus Haiming

Die Glatzls warten heuer mit einer ganz besonderen Neuigkeit auf: mit ihrem im Sherry-Eichenfass gereiften ‚Single-Corn-Whiskey‘. Bei einer Whiskey-Verkostung in den USA gelang ‚Glatzl Gold‘ im vergangenen Jahr sogar der Sprung in den Whiskey-Olymp. 

Wenn man weiß, dass der edle Tropfen quasi aus einem Abfallprodukt destilliert wird, das beim Vermahlen des ‚Tirggens‘ als Mehl anfällt, wird dieser Erfolg so richtig zur Sensation. Bislang füllte Maismehl vor allem Schweinemägen und in sehr beschränktem Umfang wurde es zur Herstellung von Nudeln verwendet. Dass daraus nun ein exzellentes Destillat gemacht wird, zeigt die Innovationsfreude der Glatzls.

Mit ‚Mairs Beerengarten‘ nimmt ein weiterer innovativer Betrieb aus der Region an den Markttagen teil. Aus kleinsten Anfängen hat sich dieser Familienbetrieb zu einem Vorzeigeunternehmen mit dem Schwerpunkt auf Beerenproduktion entwickelt. Logischerweise bieten die Mairs auch allerlei Spirituosen und Marmeladen an. 

Federkiel-Stickereien für Trachtenträger

Bei Veranstaltungen wie den Haiminger Markttagen dürfen auch ‚Urtiroler Handwerksbetriebe‘ nicht fehlen. So bietet auch heuer wieder die ‚Federkielsstickerei Seiringer‘ aus der Kaunertaler Naturparkgemeinde Faggen ihre handgemachten Erzeugnisse an. Ich bewundere vor allem den Mut dieser Familie, ein auf Handarbeit und somit auf hohem Arbeitsaufwand basierendes Qualitäts-Produkt herzustellen und damit ihr Einkommen zu erarbeiten. Bei der Federkielstickerei werden aus edlem Leder und den Federkielen aus Pfauenfedern nicht nur die traditionellen, kunstvoll verzierte Ranzen und Gürtel hergestellt. ‚Trachtige‘ Tiroler schätzen auch die von den Seiringers erzeugten Geld- und Handtaschen. 

Steinöl: ein Hit in der Tiroler Volksmedizin

Auf einem guten Tiroler Erntemarkt darf ein Produkt nicht fehlen, das aus der Volksmedizin unseres Landes nicht mehr wegzudenken ist: das Tiroler Steinöl aus Pertisau am Achensee. Das ‚schwarze Gold Tirols‘ wird vom Familienunternehmen Albrecht in Pertisau aus dem Schiefergestein destilliert und in viele neue, fantastische Produkte verwandelt. Ich verwende die Steinölsalbe der Albrechts seit Jahren zur Wund- und Hautpflege und die Shampoo-Variante, um meine Haare bei Laune zu halten. 

Zum Abschluss ein Zickeler-Schnitzel

Obwohl es bei den Markttagen nicht an Verpflegungs- und Essensständen fehlt, gehört es für mich zu einer lieb gewonnenen Tradition, zum Abschluss meines Haiminger Marktbesuches im 'Zickeler‘ vorbeizuschauen. Dieses im Tiroler Oberland legendäre Gasthaus, das mit bürgerlichem Namen ‚Gasthof Stern‘ heißt, bietet ein Gericht an, das ich eigentlich nur hier esse: das berühmte ‚Zickeler-Schnitzel‘. Natürlich mit Pommes und einem Salat. 

Dass ich heuer auch noch die Seniorchefin Marion Kapeller treffe, die im Jahre 2012 das Haus an ihren Sohn Sandro übergeben hat, ist für mich quasi ein ‚Bonus‘. War ich doch während meiner Tätigkeit als Regionalentwickler jahrelang Stammgast dieser Haiminger Institution.

Aber das ist eine andere Geschichte.

Mein Tipp: Wer sich in Haiming nicht mit größeren Wintervorräten eindeckt, kann am 15. Oktober, dem zweiten Tag der heurigen Markttage, zwischen 09:00 Uhr und 17:00 Uhr völlig entspannt mit der ÖBB anreisen. Die Züge legen nämlich an der Haltestelle Haiming einen Extra-Zwischenstopp ein. Ihr erspart euch eine lange Parkplatzsuche und könnt auch das eine oder andere Bier ohne schlechtes Gewissen genießen.

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