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Ob Radfahren, Fußballspielen, Boxen oder Bergsteigen – egal, um welche Sportart es ging, Frauen mussten lange hart darum kämpfen, sie ausüben zu dürfen. Auch die Anfänge des Alpinismus, so schien es lange, fanden ohne weiblicher Beteiligung statt.

Mitnichten! – Wie zahlreiche Bücher und Ausstellungen der letzten Jahre zeigen. Mit „… von wandernden Frauenzimmern“ – Berge im Blick der Frau in der Villa Schindler in Telfs kommt eine feine Ausstellung über die Bergleidenschaft von Frauen dazu. Unter den Wagemutigen finden sich auch Tirolerinnen.

Einfach fantastisch

„… von wandernden Frauenzimmern“ – Berge im Blick der Frau wirft kulturhistorische, sportliche und künstlerische Blicke auf das spannende Thema. Dank dreier Kuratorinnen – Christine Gamper, Sandra Marsoun-Kaindl und Karin Pernegger –, die je ihr Wissen, ihre Kompetenzen einbrachten.

Gleich am Beginn des Parcours durch die Ausstellung können die Besucher:innen ihre eigenen Assoziationen, ihre Bergbilder, -fantasien, -geschichten in Worte fassen. Dafür steht ein Stapel Postkarten mit dem Wortlaut „Berge sind für mich …“ zur Verfügung. Die bereits aufgehängten Statements zeigen, wie vielfältig die Zugänge sind. Von „lebenswichtig“ über „einfach fantastisch“ bis „ständig im Weg“ reicht die Palette der Statements.

Wandernde Frauenzimmer

Von Anfang an zogen Berge Frauen in ihren Bann. Bereits im 19. Jahrhundert, als zunächst Engländer und Franzosen ihre Affinität zur hochalpinen Bergwelt entdeckten, fanden sich unter den Bergpionieren auch Frauen. Davon zeugen Bücher, die sich in den letzten Jahren den Alpinistinnen gewidmet haben, wie etwa Ingrid Runggaldiers „Frauen im Aufstieg“. Davon zeugen die auf Postkarten gedruckten Auszüge aus dem Leben und Wirken von (frühen) Alpinistinnen in der Ausstellung in der Villa Schindler. Einige Lebensläufe mühevoll in historischen Quellen ausfindig gemacht.

Krinoline und Hut

Und es wurde den Bergsteigerinnen wirklich schwer gemacht, Gipfel zu erklimmen. Selbst am Berg durfte die Etikette nicht gebrochen werden. Frauen mussten Reifröcke tragen, die sich mit Wasser vollsogen, immer schwerer wurden und/oder vereisten. So schleppten sie bei schlechter Witterung bis zu 30 Kilogramm zusätzlich auf den Berg. Von den Gefahren, an Stauden oder Felsvorsprüngen hängen zu bleiben, ganz zu schweigen. Und sie mussten dünne Damenschuhe tragen, Seidenhüte gar!

Kein Wunder, dass oft schwere Unfälle passierten, Alpinistinnen Zehen abfroren, sie erkrankten und nicht wenige völlig entkräftet aufgaben. Was die Herren der Schöpfung darin bestätigte, dass Frauen nun mal nicht für den Berg gemacht seien. Die Ausstellung „… von wandernden Frauenzimmern“ zeigt eine Vielzahl von Pionierinnen, mutigen und zähen Persönlichkeiten, die gar nicht daran dachten, klein beizugeben.

1552 die erste

Eines der ersten Zeugnisse von der Besteigung eines Berges überhaupt lieferten Regina von Brandis und ihre Tochter Katharina Botsch. Zusammen mit dem Statthalter von Innsbruck, Schwiegersohn und Ehemann Jakob von Boymundt zu Payrsberg bestiegen sie 1552 (!) die Große Laugenspitze im Ultental (Südtirol). „Diese Erstbesteigung ist zudem die früheste bekannte Nachricht von Frauen im Alpinismus“, betont Sandra Marsoun-Kaindl.

Ebenfalls in der Ausstellung vertreten, die Innsbruckerin Jenny Steiner. Sie hinterließ zwei schöne Tourenbücher, die ein spannendes Zeitdokument darstellen. Umfangreiche Zeugnisse sind rar. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, wurden Tourenberichte von Frauen kaum in Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht. Als die Telferin Emma Simcik 1936 zusammen mit einer Freundin als erste Frau ohne Männerbegleitung die schwierige Hohe-Munde-Überschreitung absolvierte, war das zwar eine kleine Meldung in der Zeitung wert, den Namen der „Fräulein“ unterschlug man aber.

Gegen alle Widerstände

Obwohl sie viel Häme einstecken mussten, als unweiblich dargestellt wurden, ließen sich Alpinistinnen nicht von ihrer Leidenschaft abbringen. Einige entwickelten eigene Kleidung, um den Gefahren zu entgehen. Unter ihren – oft gekürzten – Röcken blitzten Hosen; im Gebirge legten sie die Röcke ab, um sie kurz vor der Rückkehr wieder überzustreifen. 1896 gründete die Kletterin und Skifahrerin Mizzi Langer-Kauba das erste Sportgeschäft Wiens, 1913 fand sich die erste Modelinie für Bergsteigerinnen im Katalog.

Langer Weg

Erst Mitte der 1980er Jahre konnten Frauen in der Schweiz, in Österreich und Italien staatlich zertifizierte Bergführerinnen werden. Auch die Aufnahme in viele alpine Clubs wurde ihnen lange verwehrt oder nur unter diskriminierenden Umständen ermöglicht.

Kaum zu glauben etwa, dass der Alpine Klub der Karwendler 1975 mit der Bergsteigerin Veronika Sint-Menzel die erste Frau in seine Reihen aufnahm. Im Vorfeld hatte das Ansinnen zu heftigsten Auseinandersetzungen geführt. Die zweite Frau folgte in den 2000er Jahren!

Zwar wurde der erste Frauenrucksack in den 1950er Jahren entworfen, doch es sollte bis 2005 dauern, dass ein auf die Anatomie von Frauen abgestimmter in den Handel kam.

Dabei sind Frauen längst angekommen im Profialpinismus, spielen international in der ersten Liga. So etwa Gerlinde Kaltenbrunner, deren Schutzanzug von der Mount-Everest-Besteigung in der Ausstellung zu sehen ist. Die Extrembergsteigerin hat alle 14 Achttausender erklommen. Oder die Tirolerin Angela Eiter, die zu den weltweit besten Sport- und Wettkampfkletterinnen gehört.

Kunst und Berge

Den Ausstellungsmacherinnen gelingt es auch, das Thema Berge in der Kunst einzubinden. Kuratorin Karin Pernegger präsentiert vier Tiroler Künstlerinnen, die Berge nicht nur zum Thema machen, sondern selbst gerne in den Bergen unterwegs sind. So haben die in Wien lebende Maria Peters zahlreiche Expeditionen unter anderem nach Nepal geführt. Immer mit dabei ihre Zeichenutensilien.

Einen sinnlich-psychologischen Zugang zu den Bergen findet die Schwazer Künstlerin Susanne Liner. Während sich die Südtirolerin Sissa Micheli mit alpinen Orten kriegerischer Auseinandersetzungen befasst. Dazu Arbeiten, die einen geologischen Blick auf den Taschachferner spiegeln, der im Pitztal aufgewachsenen Elisabeth Eiter.

Die Ausstellung „… von wandernden Frauenzimmern“ – Berge im Blick der Frau präsentiert sich so als spannender Parcours mit interessanten Aussichten und prägnanten Einsichten – und sie ist keine Minute langweilig.

„von wandernden Frauenzimmern…“ – Berge im Blick der Frau

Bis 29. Oktober 2022
Villa Schindler

Obermarktstraße 45

6410 Telfs

Tel: +43 52 62 69 61 1340
Email: kultur@telfs.gv.at
https://www.telfs.at/villa-schindler.html
Öffnungszeiten: Mi 14-17, Do 18-21, Sa 13-17 h

Im Rahmenprogramm finden sich noch einige Termine im Oktober:

Vortrag Veronika Sint-Menzel, Die erste Frau beim Alpinen Club der Karwendler, am 30. September um 19.00 Uhr; Kuratorinnenführungen am 06. und 20. Oktober um 18.00 Uhr sowie am 29. Oktober um 15.00 Uhr; am 11. Oktober um 19.00 Uhr liest Carmen Gratl aus Helma Schimkes Buch „Über allem der Berg“.

Und wer nun Lust auf eine herbstliche Wanderung in der Umgebung von Telfs bekommen hat: Wie wärs mit dem Strassberghaus oder der neuen Alplhütte?

Fotos, wenn nicht anders angegeben: © Susanne Gurschler

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