2018_2031_Ferdinandeum_FC_Innsbruck Tourismus_Mario Webhofer

Wer heute durch die Museumstraße spaziert, meint, es sei immer schon dagestanden: das Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum. Das dreistöckige Gebäude im Stil der Neorenaissance liegt etwas zurückgesetzt. Auch der breite marmorne Treppenaufgang, gesäumt von zwei Sphinxen und unter säulengestütztem Balkon, unterstreicht die besondere Rolle dieses Hauses im Straßenzug.

Für Kunst und Wissenschaft

Zwischen erstem und zweitem Geschoß leuchtet golden „Ferdinandeum“, links und rechts davon Büsten bekannter Tiroler Künstler, darunter als einzige Frau die gebürtige Vorarlbergerin Angelika Kauffmann. In den Fenstergiebeln des zweiten Obergeschoßes finden sich die Porträtköpfe bedeutender Tiroler Wissenschaftler und Dichter – von Oswald von Wolkenstein bis Hermann von Gilm. Über der schmuckvollen Fassade thront die drei Meter hohe Skulptur der „Tyrolia“, zu ihren Füßen sind die Lettern „Museum“ zu lesen.

Dieses Jahr feiert das Tiroler Landesmuseum sein 200-jähriges Bestehen. Es ist das Flaggschiff der Tiroler Landesmuseen Betriebsgesellschaft m.b.H. (TLM) mit ihren fünf Häusern und einem Dutzend Sammlungen, das Flaggschiff der heimischen Museen und Ausstellungshäuser. Und neben dem Tiroler Landestheater die nicht nur historisch bedeutendste Kultureinrichtung Innsbrucks, eine Institution. Gegründet haben sie 1823 einflussreiche Bürger der Landeshauptstadt – mit kaiserlichem Segen und unter maßgeblicher Beteiligung des Gouverneurs von Tirol, Karl Graf von Chotek. Bereits im ersten Jahr ihres Bestehens verzeichnete der Verein 379 Mitglieder, heute sind es rund 2.500.

200 Jahre Ferdinandeum

Anfangs verfügte das Museum noch nicht über eigene Räumlichkeiten. Sammlungen und Präsentation waren zunächst im Stift Wilten, dann in der heutigen Theologischen Fakultät in der Universitätsstraße untergebracht. Das „Tyrolische Nationalmuseum“, wie es damals noch hieß, sollte sammeln, bewahren, präsentieren und erforschen. Und zwar alles, was für das historische Tirol (bis Ende des Ersten Weltkriegs gehörten Südtirol und das Trentino auch territorial dazu) relevant war.

Kein Wunder, dass die Räumlichkeiten rasch zu klein und Pläne für ein eigenes Museumsgebäude gewälzt wurden. Die Gelegenheit war günstig, wurde in den „Angerzellgründen“ (die Angerzellgasse erinnert heute noch daran) doch eine neue Straße gebaut und das Areal damit für die Stadterweiterung erschlossen. Das Museum sollte das erste Gebäude sein, das in der Museumstraße errichtet wurde. Zur Grundsteinlegung 1842 reiste der Namensgeber Erzherzog Ferdinand an.

In den folgenden Jahrzehnten sollte das Museum zahlreiche Erweiterungen erfahren, ein Ostflügel kam dazu, der Westflügel wurde erweitert, eine Aufstockung vollzogen. Nach dem Krieg beseitigte man die Bombenschäden.

Fünf Häuser, ein Dach

Die letzten großen Um- und Zubauten wurden 2003 abgeschlossen. Sie brachten 2.250 Quadratmeter zusätzliche Nutzfläche. Ein weiterer Meilenstein folgte 2018: Da nahm das Sammlungs- und Forschungszentrum (SFZ) der TLM in Hall seinen Betrieb auf. Die längst mehrere Millionen Objekte umfassenden Sammlungsbestände befinden sich seither dort, zudem eine zentrale Forschungsstelle.

Seit 2007 führt die Tiroler Landesmuseen Betriebsgesellschaft m.b.H. (TLM) die operativen Geschäfte, ihre Gesellschafter sind Land Tirol und Verein Ferdinandeum. Die TLM verfügen inklusive Tirol Panorama mit Kaiserjägermuseum, Museum im Zeughaus, Tiroler Volkskunstmuseum und Hofkirche über fünf Häuser. Im SFZ finden sich zwölf Sammlungen – von der Archäologie bis zum Tiroler Volksliedarchiv.

Artefakte, naturwissenschaftliche und historische Objekte, Kunst- und Kulturgegenstände aus rund 30.000 Jahren Geschichte, und damit eine der größten regionalen Sammlungsbestände in Österreich. In den Dauer- und Sonderausstellungen der TLM ist nur ein Bruchteil der Schätze zu sehen. An der grundsätzlichen Aufgabe der TLM – sammeln, bewahren, präsentieren und erforschen – hat sich bis heute nichts geändert.

Hinter den Kulissen

200 Jahre Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum heißt auch 200 Jahre Konservierung und Restaurierung der gesammelten wertvollen Gegenstände. Zum ersten Mal einen Blick hinter die Kulissen dieses faszinierenden und vielschichtigen Tätigkeitsfeldes bietet die Ausstellung „Im Detail. Die Welt der Konservierung und Restaurierung“, die noch bis 25. Juni 2023 im Ferdinandeum in der Museumstraße zu sehen ist.

Es handelt sich dabei um die erste dermaßen umfassende Ausstellung zum Thema in Österreich, entstanden in enger Kooperation mit der Universität für angewandte Kunst in Wien. Diese bietet Ausbildungen im Fach Restaurierung an. Anhand unzähliger Beispiele aus den verschiedenen Spezialgebieten können Besucherinnen und Besucher sehen, welche Materialien besonders empfindlich sind, welche Beschädigungen es geben kann, wie sie behandelt werden, welche wissenschaftlichen Methoden angewendet werden und wann nach althergebrachter Weise restauriert wird. Kurzum: was Restauratorinnen und Restauratoren sonst „im Verborgenen“ tun.

„Uns sieht man normalerweise ja nicht, obwohl wir bei jeder Ausstellung involviert sind“, erzählte Bereichsleiterin Laura Resenberg anlässlich der Eröffnung der Ausstellung im November 2022. Restauratorinnen und Restauratoren sorgen für die fachgerechte Konservierung von Objekten, sie kontrollieren und restaurieren sie für Ausstellungen und verpacken sie so, dass die kostbaren Gegenstände beim Transport (etwa als Leihgaben) nicht beschädigt werden. Allein das Protokoll, das leihnehmende Museen auszufüllen haben, umfasst mehrere Seiten mit detaillierten Anforderungen bezüglich Verpackung, Transport, Hängung und Umgebungsbedingungen.

Es werde Licht

Möglichkeiten für Beschädigungen gibt es unzählige, wie etwa Feuchtigkeit, Schimmel oder Mottenbefall. Schon die, die Licht bei Papier, Stoff oder Farben anrichten kann, ist bemerkenswert. In der Ausstellung findet sich unter anderem eine Liste von verschiedenen Lichtstärken. So beträgt der Lux-Wert bei klarem Himmel und Sonnenhöchststand 130.000 lx, in der Dämmerung noch 750 lx, während das Bundesdenkmalamt als Richtwerte für Ausstellungen von Textilien, Grafiken, Büchern oder Leder 50 lx empfiehlt, für Gemälde gerade einmal 120 lx. Daneben Beispiele, wo Lichtschäden entstanden sind und wie sie bestmöglich behandelt werden können.

Dabei zählt zum wichtigsten Ziel der Restauratorinnen und Restauratoren, Schäden erst gar nicht entstehen zu lassen. Jedes Museum aber ist gerüstet für den Ernstfall. Vom Blackout der Klimaanlage bis zur Überschwemmung haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der TLM alles schon erlebt.

Besonders einprägsam: die Notfallkiste mit unterschiedlichen Materialien zur „Erstversorgung“ von Objekten. Wie ein Erste-Hilfe-Koffer bei der Behandlung eines Notfalls sind hier alle für Sofortmaßnahmen notwendigen Werkzeuge und Materialien enthalten. So eine Notfallkiste steht in jedem Museum, abgestimmt auf die dort zentralen Sammlungselemente. Sie muss leicht zu transportieren, der Standort leicht zugänglich und den Mitarbeitenden bekannt sein. Nur ein Aspekt von vielen im Bereich Konservierung und Restaurierung, den die Ausstellung „Im Detail“ ins Licht rückt.

200 und 50

Anlässlich des runden Geburtstags des Ferdinandeums gibt es noch eine ganze Reihe von Veranstaltungen, die uns zeigen, welche Schätze die TLM bergen. Und welche Bedeutung dieses Museum für die Stadt Innsbruck, das Land Tirol hat. So feiert das Museum im Zeughaus sein 50-jähriges Bestehen im Herbst 2023 mit der Neueröffnung der Schausammlung. Im ehemaligen Waffenarsenal Kaiser Maximilians zeichnen Objekte aus der historischen Sammlung dann wieder die Geschichte Tirols nach.

Allein der auf das 200-Jahr-Jubiläum hin angedachte Umbau des Stammhauses Ferdinandeum in der Museumstraße lässt weiter auf sich warten.

Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum
Museumstraße 15
6020 Innsbruck
Tel. +43 512 59489
www.tiroler-landesmuseen.at

Anmeldung für Führungen: [email protected]

Einen Überblick über Ausstellungen in Innsbruck gibt der Veranstaltungskalender auf innsbruck.info.

Fotos, wenn nicht anders angegeben: © Susanne Gurschler

Headerbild: © Innsbruck Tourismus/Mario Webhofer

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