Hochpuschtra Stubensound

Wenn auffallend viele, vor allem aber junge Menschen in Tracht durch Innsbrucks Altstadt bummeln, ist es wieder so weit: Die Volksmusik macht unsere Stadt für drei Tage zur Hauptstadt alpenländischer Weisen. 

Vier Jahre lang musste man sich in Innsbruck quasi ‚durchfretten‘, um mehrere Tage hintereinander gute Volksmusik genießen zu können. Am letzten Oktoberwochenende 2022 war’s endlich so weit: Der renommierte ‚Alpenländische Volksmusikwettbewerb‘ um den Herma-Haselsteiner-Preis fand im Congress, auf den Plätzen der Innsbrucker Innenstadt, in den Beisln und sogar auf den umliegenden Almhütten statt. 

Der Wettbewerb führt alle zwei Jahre Dutzende junge Volksmusikantinnen und -musikanten aus dem gesamten Alpenraum zusammen, um die Besten ihres Fachs zu küren. Da der Wettbewerb 2020 pandemiebedingt entfallen musste, war’s heuer nicht nur für mich ein lang erwarteter herbstlicher Hochgenuss, die jungen Musikantinnen und Musikanten singen und spielen zu hören. Mit anderen Worten: Die Fretterei hatte ein Ende.

Volksmusik inspirierte einst Mozart und Beethoven

Einem Missverständnis möchte ich an dieser Stelle entschieden entgegentreten: Liebliche Schnulzen und rührselige Schlager sind und waren nie jene Volksmusik, von der hier die Rede ist. Unter Volksmusik verstehe ich Lieder, Musik und Tänze, die über Jahrhunderte hinweg von ‚ländlichen Musikanten‘ entwickelt, komponiert und dargeboten worden sind. Diese ‚einfache Musik‘ inspirierte auch Mozart und Beethoven: Die Zauberflöte Mozarts oder die Pastorale Beethovens sind ohne Rückgriff auf ‚Volksweisen‘ nicht denkbar.

Dass Volksmusik zum allergrößten Teil fröhlich stimmt, ist logisch. Was ist früher den armen Leuten am Land denn anderes übrig geblieben, als zu versuchen, ihre meist triste Lebenssituation kurzfristig in der Musik zu vergessen? Deshalb spielten Musikanten im Gasthaus zum Tanz auf oder zauberten mit besinnlichen Weisen feierliche Stimmungen in ihre schlichten Bauernstuben. 

Aus der Vielzahl hervorragender junger Musikerinnen und Musiker stach für mich heuer auch eine junge Schweizer Sängerin heraus. Florina Plattner trat im Rahmen von ‚Aufg’horcht – Volksmusik erobert die Stadt’ in der Spitalskirche auf. Begleitet von einer Kollegin am ‚Schwyzerörgeli‘, einer Schweizer Sonderform des diatonischen Akkordeons, trug sie mit einer wunderbaren Stimme Lieder vor. Und überzeugte als Schweizerin – nona – durch glockenhellen Jodelgesang, der im barocken Juwel an der Maria-Theresien-Straße einen wunderschönen Resonanzraum fand.

Volksmusik weist aber auch zahlreiche religiöse Bezüge auf. Und genau das ist es, was viele von uns zu Weihnachten gerne hören – wenn das Hackbrettspiel an gebratene Äpfel erinnert oder Geigenmusik die wohlige Wärme einer Stube noch gemütlicher macht. 

Eigentlich eine geniale  Nachwuchsförderung

Peter Margreiter und seine Frau Sonja laden mit ihrem Team des Tiroler Volksmusikvereins alle zwei Jahre zu diesem Festival junger Musikantinnen und Musikanten. Das Ziel ist Nachwuchsförderung, sind doch nur Musikantinnen und Musikanten bis zum 25. sowie Sängerinnen und Sänger bis zum 30. Lebensjahr teilnahmeberechtigt. Beim Wettbewerb ist es für Musikantinnen und Musikanten verpflichtend, neben ‚Stubenmusik‘ auch ‚Tanzmusik‘ vorzutragen. Auch die teilnehmenden Sängerinnen und Sänger sind angehalten, regionaltypische alpenländische Volksmusik und Volksweisen vorzutragen. Die Rechnung der Verantwortlichen des Tiroler Volksmusikvereins, mit dieser Veranstaltung junge Talente mit ersten Auftritten zu fördern, ist wieder voll aufgegangen. 

Dass die Nachwuchsförderung im Bereich der Volksmusik besonders gut ist, belegten auch heuer wieder Dutzende junge Musikantinnen und Musikanten, Sängerinnen und Sänger. Es ist sehr beachtlich, welche technischen Fähigkeiten sich diese jungen Leute schon in jungen Jahren angeeignet haben. Auch das Alter versetzt mich immer wieder ins Staunen: Ein siebenjähriges Mädchen spielte bereits an einer Kinderharfe. Und wie! 

Harfen sind offenbar ein Lieblingsinstrument für Mädchen und Frauen. So lauschte ich – ich geb’s zu – verzückt auch dem Spiel eines 13-jährigen Mädchens am Innenhof der Claudiana. Interessant war es für mich zu erfahren, weshalb sie Harfe spielen gelernt hat: weil sie im Alter von sechs Jahren die zwei Mädchen von ‚Harfonie‘ bei deren Sieg in ‚Die große Chance’ im TV gesehen hatte. Da beschloss sie, auch Harfe zu erlernen. Und darin hat es das Mädchen aus Thiersee, das die Musikschule in Kufstein besucht, schon zu einiger Meisterschaft gebracht.

Neben dem Wertungsspiel der teilnehmenden Musikantinnen und Musikanten gehört es bereits zur Tradition, dass ein Abend der dreitägigen Veranstaltung dem Tanz gewidmet bleibt. So auch in diesem Jahr, als Hunderte begeisterte Tänzerinnen und Tänzer den Congress bevölkerten. 

Tradition ist die ganz spezielle internationale Verkaufsmesse ‚Rund um die Volksmusik’. Was es da zu sehen und zu entdecken gibt, ist einzigartig. Ob Okarinas, Harfen, Blechinstrumente oder original Tiroler Trachtenpatschen: Es ist eine stimmige, bisweilen sogar tönende Ausstellung. Dann nämlich, wenn sich die jungen Musiker und Musikerinnen ans Testen der Instrumente machen.  

Ein Alpenländisches Festkonzert

Höhepunkt ist natürlich der Festabend am Samstag, in dessen Rahmen die Herta-Haselsteiner-Preise vergeben werden. Zwei Stunden exquisite Volksmusik, vorgetragen von brillant spielenden jungen Menschen, begeistern seit der Gründung die Zuhörerinnen und Zuhörer. Eigentlich selbstverständlich, dass diese Veranstaltung vom ORF für Rundfunk und Fernsehen aufgezeichnet wird. 

Und so möchte ich das heurige Resümee mit einem Wunsch verbinden: dass geprüft wird, ob aus dieser dreitägigen Veranstaltung nicht eine ganze ‚Festivalwoche‘ gemacht werden könnte. Damit hätten nicht nur die Anhänger der Volksmusik eine Freude, auch der Tourismus in unserer Stadt wäre einem Impuls im Oktober sicher nicht abgeneigt.

Linktipp

Bilder, Ergebnisse und Pressestimmen entnehmen Sie der Website des Tiroler Volksmusikvereins.

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