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Die Innsbrucker Promenadenkonzerte spielten vor gut 150 Jahren erstmals für kleines Geld ganz große Musik. Am kommenden Wochenende geht das musikalische Sommerspiel in der Kaiserlichen Hofburg in die nächste Runde. Bis Ende Juli reihen sich heuer dann derart hochkarätige Programmpunkte aneinander, dass man besser schon mal den Kalender zückt. Weil Abendgarderobe ist hier echt kein Muss – verspricht Geschäftsführerin Michaela Florian im altehrwürdigen Café Central in Innsbruck. Und serviert damit gleich eine Zeitreise zum Frühstück.

Ein Strauß zur Eröffnung

15. Oktober 1868. Johann Strauß Jr. hastet durch den schier endlosen Korridor im Kursalon Oberlaa. Er braucht jetzt einen Schluck Cognac. War das die richtige Stiege gewesen, hier sieht alles so gleich aus! Er greift die nächstbeste Türklinke und stürzt im Raum dahinter zielsicher zum offenen Fenster. Unten im Hof liegen sich die Menschen in den Armen, Adelige und einfaches Bürgervolk, lachend und scherzend, als wären sie gleich. Johann muss schmunzeln. Soeben hatte dort unten kein Geringerer als er selbst die ersten Wiener Promenadenkonzerte eröffnet. Und bei aller Bescheidenheit: Das war schon ziemlich krass gewesen. Anerkennend legt sich ihm eine Hand auf die Schulter, die andere reicht ihm ein Glas Cognac, am Finger glänzt ein wohlbekannter Siegelring. Johann gefriert das Blut in den Adern, als ihm dämmert, in welches Zimmer er da gerade gestolpert ist. Das breite Grinsen lässt den berühmten Backenbart noch mächtiger wirken: Gut gemacht, zwinkert der Kaiser.

Guten Morgen auf Wienerisch

Entschuldige bitte, reißt mich Michaela aus meinen Tagträumen, wartest du schon lange? Keine zwei Minuten, antworte ich und schüttle mir den Strauß aus dem Kopf. Kellner war eh noch keiner da, magst du was frühstücken? Gern, und schau, ich hab’ dir gleich das diesjährige Programm mitgebracht! Gewaltig, hast du schon Empfehlungen für mich angestrichen? Ja, schon, antwortet Michaela, senkt die Frühstückskarte und grinst: Alle. Also wie immer, vom Feinsten, frage ich. Genau, nickt Michaela und entscheidet sich für das Wiener Wellness-Frühstück.

Was wie ein Treffen unter alten Freunden wirkt, ist auch ein bisschen so: Michaela besuchte schon als Kind ihre ersten Promenadenkonzerte, heute bald 30 Jahre her. Auch ich lauschte im Hofe der Hofburg den Symphonikern, bevor ich überhaupt wusste, was das ist. Seit Jänner macht Michaela die gewählte Geschäftsführerin bei den Promenadenkonzerten, ein barockes Büro in bester Lage gibt es dafür trotzdem nicht: ein kleiner Sticker am Postfach der Privatadresse, schmunzelt Michaela.

Große Kunst für kleines Geld

Mozart, Bach, Strauß – prominente Promenadenkonzerte gibt es schon seit dem 19. Jahrhundert. Anfangs konnte der Adel darüber nur das Pudernäschen rümpfen, doch die Erfolgsgeschichte war da längst geschrieben: hochkarätige Musikdarbietungen für alle, ganz ohne gesellschaftliche Zwänge, im Mittelpunkt steht die Musik. Es wird gelacht, gesungen und getanzt, ein schöner Abend unter gleichgesinnten Kulturfreunden. Dargeboten immer im Freien, Open-Air sagt man heute, also auf öffentlichen Plätzen, in Parks und Gärten. Gerade in Wien gab’s da viel Walzer und Polka, schwärmt Michaela, in Innsbruck vermehrt Blasmusik, doch längst ist’s auch hier bunter: Bigband, Opernabend, Symphoniker, Streichquartett und Blasmusik. Täglich flattern ihr Anfragen namhafter Orchester aus aller Welt ins halb-private Postfach, aber ohne Mittel muss man leider viele schöne Absagen schreiben, bedauert Michaela zwischen zwei Schluck Kaffee. Wer hingegen eine Zusage bekommt, schreibt in Innsbruck schnell Geschichte: Letztes Jahr war etwa die „Hausband“ des Weißen Hauses zu Gast – samt Secret Service und Bombenspürhunden.

Das Programm: Ein Sommernachtstraum

Überhaupt wird in der Innsbrucker Hofburg sommers ja ein Kulturprogramm geboten, von der selbst versierte Musikerinnen und Musiker (Michaela bespielt Flöte, Trompete, Klavier und Chor) nur feucht träumen können: Den Auftakt am kommenden Samstag markiert die Royal Netherlands Army Band mit einem Eröffnungskonzert der Extraklasse. Gefolgt vom Heimspiel der Innsbrucker Symphoniker, einem Gastspiel der Münchner Philharmoniker, einem bayrischen Opernabend oder der österreich-ungarischen Haydn Philharmonie – der Kaiser wäre sicher stolz gewesen. Persönlicher Pflichttermin für Michaela: die SWR Big Band feat. Max Mutzke am 28. Juli – aber sie wird ja ohnehin bei jedem Termin zugegen sein, zwinkert die Mit-Organisatorin schelmisch. Und legt dazu gleich noch eine schöne Story obendrauf: Im letzten Jahr war ein Obdachloser Stammgast und kaufte jeden Tag ein Ticket. An einem Abend entschuldigte er sein Fernbleiben, denn er müsse für das nächste Ticket erst wieder etwas „arbeiten gehen“. Die angebotene Sozial-Freikarte schlug der Mann entrüstet aus: Sieben Euro sind ja schon geschenkt!

Unsere kleine Wiener Zeitreise haben wir im Café Central mittlerweile erfolgreich aufgegessen, und Michaela muss jetzt auch wieder los, flyern gehen. Aus Kostengründen halt notwendig, sagt sie, aber man bekommt auch ein G’spür für die Menschen – die für ein Programmheft der Promenadenkonzerte sogar nochmal umdrehen und sich freudig bedanken: Wir sehen uns dann dort! Womöglich gibt sich dort dann auch wieder ein gewisser Johann Strauß die Wiener Walzer-Ehre.

Bildnachweise: Der Schnappschuss von Michaela beim Frühstück stammt vom Autor. Die drei Fotos bei „Große Kunst für kleines Geld“ hat uns Michaela Florian von den Innsbrucker Promenadenkonzerten zur Verfügung gestellt. Das Coverfoto sowie die letzten drei Bilder im Beitrag hat Emanuel Kaser für Innsbruck Tourismus geschossen.

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