Stadttürme waren das eigentliche ‚Markenzeichen‘ einer mittelalterlichen Stadt. Majestätisch aus dem Bollwerk der Stadtmauer emporragend ‚herrschten’ sie nicht nur über die Stadt selbst sondern auch über das Umland. Ein Eintritt in die Stadt war nur durch einen dieser Türme möglich, die zugleich auch als Zollstationen dienten. Niemand entkam dem langen Arm der Obrigkeit, die von den Zolleinnahmen fürstlich lebte.
Türme verkörperten im Mittelalter auch den Wehrwillen ihrer Bewohner. Sie symbolisierten mit Nachdruck, dass man bereit war, jeden Angriff abzuwehren. Innsbruck verfügte einst über vier Wehr-Stadttürme und einen ‚Durchgang‘, die heute mitsamt der Stadtmauer verschwunden sind. Ich will sie in diesem Blogartikel kurz vorstellen.
Innsbruck wurde zu einem lukrativen Knotenpunkt
Wer gedacht hatte, Innsbruck wäre eine Gründung der Römer, muss enttäuscht werden. Es waren Bayern, genauer die Andechser Grafen, die Innsbruck begründeten. Sie errichteten im heutigen Stadtteil St. Nikolaus zuerst den Markt ‚Anspruggen’ und schlugen um 1170 eine Brücke auf das andere Innufer. Mit gutem Grund. Denn dort entstand der Handelsplatz namens ‚Insprugk‘. Gleich einmal mit dem Marktrecht ausgestattet entwickelte er sich zu einer sprudelnden Geldquelle und gab jener Siedlung den Namen, die 1205 das Stadtrecht erhielt: Innsbruck. Der gesamte ostalpine Handelsverkehr vom und über den Brenner musste nun wohl oder übel zuerst das ‚Nadelöhr’ Innsbruck passieren. Nach Osten oder Westen - egal. Man musste das Inntor und die Innbrücke passieren. Die Zolleinnahmen brachten Wohlstand nach Innsbruck.
Diesen Wohlstand galt es zu verteidigen. Im 13. und 14. Jahrhundert wurde die Stadtmauer errichtet, die vier Durchgänge nach allen Himmelsrichtungen offen ließ. Die Türme waren besonders massiv gebaut, boten Platz für die Wachmannschaften und dienten als Zollstellen. Ein fünfter Durchgang wurde in Dokumenten als ‚Tränkertörl’ genannt. Es dürfte sich dabei um ein Tor in der Stadtmauer dargestellt haben, durch das das Vieh zum Inn getrieben werden konnte, um es zu tränken. Ich habe die Türme, die auf dem Stich aus dem Jahre 1755 gezeichnet sind, mit Nummern versehen. Sie sollen jetzt kurz vorgestellt werden.
1 Das Tränkertörl
... befand sich vermutlich am Ausgang der heutigen Badgasse, also in der Nähe des heutigen Marktplatzes. Es diente mit großer Wahrscheinlichkeit als spezieller Zugang für die Hirten und Viehtreiber, die die Tiere beaufsichtigen und zur Tränke am Inn führen mussten. Zudem verhinderte das Vorhandensein dieses Tores, dass das Vieh die Stadteingänge und -ausgänge in den anderen Toren blockierte. Und, ganz wichtig: die Kuhfladen sollten weder die Bürgerschuhe beschmutzen noch tagelang in der Hauptverkehrsadeer der Stadt vor sich hin stinken.
2 Das Inntor
...war das vielleicht wichtigste Tor des mittelalterlichen Innsbruck. Es war stadtseitig gelegen quasi der ‚Brückenkopf‘ der Innbrücke, also der wichtigsten mittelalterlichen Brücke der Stadt. Das Tor wurde denn auch ‚Innbrückentor’ genannt. Heute noch kann man erahnen, wie der Turm an die Ottoburg angeschlossen war.
Das Aussehen dieses Turmes ist aus zwei Plänen bekannt, die anlässlich der Abrisses des Turmes im Jahre 1790 gezeichnet worden sind. Zahlreiche andere Stiche bestätigen dieses Aussehen. So auch Matthäus Merians Stich, dessen Innsbruckansicht den Turm mit vier aufgesetzten Wachtürmchen zeigt. (Bild oben). Eine große Auslassung sowie das Tor zur Brücke, dessen Form mit dem Plan anno 1790 übereinstimmt. Im Inntor befand sich auch eine Feuerwache und zweitweise das Stadtarchiv. Die Darstellung des Planes verdanke ich dem Stadtarchiv Innsbruck.
3 Das Pickentor
...wird als das vierte Stadttor bezeichnet. Es dürfte die heutige Seilergasse abgeschlossen haben. Jedenfalls wird das Tor von Johann Michael Strickner in einem kolorierten Kupferstich aus dem Jahre 1755/56 als Verbindung zum heutigen Marktplatz dargestellt. Detaillierte Darstellungen dieses Turmes sind nicht überliefert.
4 Das Vorstadt- oder Spitalstor
Dieser Turm war der dritte große Wehrturm innerhalb der Innsbrucker Stadtmauer. Er bildete den südlichen Eingang der Altstadt. Da das Spital jenseits der Stadtmauer (in der heutigen Maria Theresienstraße) lag, wurde das Tor bisweilen auch als Spitalstor bezeichnet. Es wurde zusammen mit dem Zollhäuschen im Zuge der städtebaulichen Modernisierung Innsbrucks auf Geheiß von Kaiserin Maria Theresia 1765 abgerissen. Die Herrscherin machte auch deshalb kurzen Prozess mit dem Gemäuer, weil das Tor für die bevorstehende Hochzeit ihres Sohnes Leopold mit der spanischen Prinzessin Maria Ludovica wesentlich zu eng war. Kein Schaden ohne Nutzen: Die großen Steinquader des Turmes wurden sofort als Fundament der Triumphpforte verwendet, die eigens zur Begrüßung des Brautpaares errichtet werden sollte.
5 Das Rumertor oder der Wappenturm
Der vielleicht bedeutendste Turm war jener, der sich am östlichen Rand der Altstadt befand. Einst ‚Saggentor‘, dann ‚Rumertor‘ genannt stellte er den Durchgang zwischen Hofgasse und [/]Rennweg[/notrans] dar.
Als das Rumer Tor 1494 abgebrannt war gab Kaiser Maximilian I. den Auftrag, einen neuen, prächtigen Turm zu gestalten. Es war klar, dass es kein ‚normaler‘ Turm sein konnte, mit dessen Bau Kaiser Maximilian seinen Hofbaumeister Niklas Türing beauftragte. Er gab darüber hinaus dem Hofmaler Jörg Kölderer den Auftrag, einen prächtigen heraldischen Fassadenschmuck zu gestalten der alle bisherigen ‚Wappentürme’ überbot. Bekanntlich fürchtete der Kaiser, er könnte nach seinem Tod vergessen werden. Auch deshalb wollte auf der Ostfassade die Größe seines Herrschaftsbereichs darstellen. Insgesamt 54 Wappen jener Länder zierten den Turm, die Maximilian besaß oder besitzen wollte. Bannerträger links und rechts des Tores zeigten das Habsburger Wappen einerseits und den Tiroler Adler andererseits. Das Wappenprogramm auf seiner ostseitigen Außenfassade sollte dem Ankömmling eindrucksvoll zur Kenntnis bringen, wer und wie mächtig der Herr dieser Stadt ist, die man durch dieses Tor betritt. Der Wappenturm war ein exzellentes Beispiel für Maximilians I. höfisches Repräsentationsstreben.
Heute ist der Wappenturm leider nicht mehr sichtbar: Unter der Herrschaft Kaiserin Maria Theresias ging er im Zuge des barocken Umbaus der Hofburg in dem heutigen Südrondell auf. Der kolorierte Kupferstich, der uns heute eine Ahnung von der Grandezza des Turmes gibt, wurde von Salomon Kleiner angefertigt.
Mein Tipp:
Experience Tirol
Wer einmal neben Kaiser Maximilian in der Kutsche durch das mittelalterliche Innsbruck fahren willl kann das tun. ‚Experience Tirol‘ nennt sich eine fantastische Präsentation unseres Landes mit Hilfe hochmoderner Technik im 2. Obergeschoss des Kaufhauses Tyrol. Darin wird auch die Altstadt zur Zeit der Herrschaft Kaiser Maximilians gezeigt, vor allem auch das Vorstadttor.
Innsbruck erinnert sich
Wer sich über Innsbrucks Geschichte in Form von Geschichten interessiert ist auf der Blogseite des Stadtarchivs Innsbruck goldrichtig. Sie gehört zu den besten Seiten, die ich im deutschsprachigen Raum kenne. Kurzweilige, wunderare Texte fördern versteckte historische Juwelen unserer Stadt ans Tageslicht.
Bewerte den Artikel
Zeige mir den Ort auf der Karte
Alm-Freiwilliger in der 'Schule der Alm', Kultur-Pilger, tirol-Afficionado, Innsbruck-Fan.
Ähnliche Artikel
Was wäre Weihnachten ohne unsere Traditionen, die diese ganz besondere Zeit noch magischer machen? Einige Weihnachtsbräuche kennt…
Wenn man mich fragt, sind Bücher die besten Weihnachtsgeschenke überhaupt: zeitlos, langlebig und nachhaltig ermöglichen sie wunderbare…
Eine archäologische Grabung an einem riesigen Schalenstein in Tarzens bei Ellbögen brachte ein hochinteressantes Ergebnis. Für…
Anfang Oktober 2024 ging eine Meldung durch die Medien: Das US-Streaming-Unternehmen Netflix drehe gerade Teile einer neuen…