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Wer geglaubt hatte, die Geschichte des Tiroler Freiheitshelden Andreas Hofer wäre geschrieben, täuscht sich. Als MMag. Dr. Matthias Egger als Mitarbeiter des Innsbrucker Stadtarchivs alte Archiv-Bestände verzeichnete, fiel ihm ein sensationelles Konvolut in die Hände. In einer schlichten Mappe lagen rund 30 bislang unbekannte Originalschreiben Andreas Hofers an die Stadt Innsbruck. Jetzt ist es erstmals möglich, das Verhältnis zwischen Hofers ‚Bauernregiment‘ und dem Stadtmagistrat Innsbruck anhand offizieller Korrespondenzen zu beleuchten. 

Dass ein Archivar altes Schriftgut übernimmt, bewertet, erschließt und sichert gehört zu dessen Kernaufgaben. Ein spektakulärer Fund ist da eine willkommene Abwechslung. Im Fall dieser Briefe Andreas Hofers ist das jetzt sogar mit der Schließung einer Lücke in der historischen Forschung Tirols verbunden.

goldener adler innsbruck

Von einem Fenster des Goldenen Adler in Innsbruck hielt Andreas Hofer bekanntlich seine berühmte Rede an die Innsbrucker. Bild: Kräutler

 

Es ging um die Herstellung von Ruhe und Ordnung in Innsbruck

Wie findet man solche historischen Schätze? Das wollte ich von Matthias Egger wissen. Hat er danach gesucht? Nein, sagt er, „es war ein Zufallsfund. Ich wollte den Bestand von Militärdokumenten verzeichnen. Dabei ist mir ein Karton der Aufschrift Militär 1810/1 in die Hände gefallen. Und darin befand sich die Mappe mit den Briefen Hofers.“

Der Archivar des Stadtarchivs wandte sich sofort an den Brunecker Stadtarchivar Mag. Dr. Andreas Oberhofer. Er ist ein Spezialist in Sachen ‚Hofer-Briefe‘ und bestätigte, dass die Dokumente der Forschung bislang unbekannt waren, was  den Fund für die Tiroler Geschichtsforschung überaus wertvoll macht. Auch und vor allem, weil er das keineswegs spannungsfreie Verhältnis Hofers mit den Innsbrucker Stadtoberen belegt.

Dr. Matthias Egger, Dr. Andreas Oberhofer

Dr. Matthias Egger (links) und Dr. Andreas Oberhofer. Bild: privat.

 

Zuerst einmal: Ruhe und Ordnung

Zwischen dem 23. August und dem 21. Oktober 1809 entspann sich zwischen Hofer und dem Stadtmagistrat eine rege Korrespondenz. Es ging um die Herstellung von Ruhe und Ordnung in Innsbruck, die Wahl eines Bürgermeisters und – vor allem – um die Organisation der Landesverteidigung. Das haben wir jetzt quasi ’schriftlich‘. Und dann ging’s natürlich auch ums Geld.

Andreas Hofer

Andreas Hofer auf einer Kreidezeichnung von Jakob Altmutter. Bild: wikipedia

 

Bauern und Vorstadtpöbel plünderten in Innsbruck

Zwischen dem Ende der dritten Bergiselschlacht am 13. August – sie war eigentlich eher ein Gefecht – und dem 15. August, als Hofer mit seinen Gefolgsleuten in Innsbruck eingezogen war, kam es zu einem folgenreichen Machtvakuum. Egger: „Es kam in diesem ‚Interregnum’ zu zahlreichen Übergriffen in Innsbruck. In den verfügbaren Quellen heißt es, dass einzelne Bauern und der ‚Vorstadtpöbel‘, die ‚Hefe des Volkes‘, Exzesse und Übergriffe verübten.“ Selbst das Haus des damaligen Bürgermeisters Casimir Schumacher wurde in Mitleidenschaft gezogen. In dieser Situation erwarteten viele Innsbruckerinnen und Innsbrucker, dass Hofer die öffentliche Sicherheit und Ordnung wieder herstellen würde. 

Hofer trug denn auch am 23 . August dem ‚lob. Stadtmagistratt Innsbruck‘ im harschen Ton auf, „schärfenst auf […], alsogleich die vorher bestandene Bürgergard in Ordnung zu richten – und vorzüglich bis morgen in der Fruh eine Compagnie zur Stadtwache etc. zu stellen. Es wird lediglich keine Ausrede angenommen, indem man überzeugt ist, daß sich sicher noch so viel Gewehr in der Stadt vorfindet.“ Nur vier Tage später, am 27. August 1809, bezogen 53 Innsbruck Bürger die Stadtwache.

Bauchtasche Andreas Hofers Schupfen

Die Bauchtasche Andreas Hofers im Museum des Gasthofes ‚Schupfn‘. Bild: Kräutler

 

Hofers letzte Mahnung

In den Briefen wird auch klar, dass die ‚Chemie’ zwischen Andreas Hofer und den Stadtoberen nicht die beste war. Dem Oberkommandanten riss schließlich der Geduldsfaden. Einerseits saßen er und seine Gefolgsleute finanziell am Trockenen. Andererseits bemühte sich der Stadtmagistrat offenbar wenig, Kämpfer für die Verteidigung auszuheben. Am 7. Oktober diktierte Hofer seinem Schreiber quasi eine letzte Mahnung:

„Es wird dem löb. Stadtmagistrat hiemit das Letztemal der angemessenste Auftrag gemach (und zwar unnachsichtlich), heute bis 2 Uhr Nachmittag unfehlbar ein Compagnie von 120 Köpfen marschfertig hierher zur Hofburg zu stellen…“

Hofer merkte dann höchstselbst handschriftlich am Ende des Briefes an: „Das ist Eben das löste mall zu Ehr manen Andere Hofer“. Die letzte Mahnung also.

Die ultimative Drohung: „Machen Sie also Mittel – oder ich gehe“

Und am 20.Oktober dann eine ‚letzte Erinnerung‘ betreffend Geld. Er drohte an, wenn nicht innerhalb einer Stunde die verlangten 10.000 Gulden erlegt werden, die Stadt zu verlassen und dieselbe ihrem Schicksal Preis zu geben.

hofer brief

„Dem löb. Stadtmagistrat wird nochmals und die letzte Erinnerung gemacht – daß wofern die verlangte 10.000 Gulden bis in Zeit von einer Stunde nicht erlegt werden,… Faksimile: Stadtarchiv Innsbruck

 

„Was soll ich anfangen ohne Geld? Ich bring niemand vorwärts, wenn ich den Leuten nichts geben kann, und zuletzt haben wir von unseren eigenen Leuten die größten Excessen und Unordnungen.“

Hier droht Hofer der Stadt mit Zuständen, wie sie u.a. im Machtvakuum nach dem dritten Gefecht am Bergisel geherrscht hatten. Er schließt den Brief daher mit einer ultimativen Drohung: „Machen Sie also Mittel – oder ich gehe“.

…unseren eigenen Leuten die größten Excessen und Unordnungen. Machen Sie also Mittel – oder ich gehe – Innsbruck den 20t8ber 1809 Andre Hofer. Faksimile: Stadtarchiv Innsbruck

 

Allerdings waren die finanziellen Möglichkeiten der Stadt mehr als erschöpft – zumal die Landstürmer die städtische Gemeindekasse samt der Kanzleiausstattung geraubt hatten. Schließlich übergaben die Stadtväter in letzter Stunde Hofer noch 2.000 Gulden. Allerdings konnte auch diese finanzielle Kraftanstrengung nicht mehr das sich abzeichnende Ende von Hofers „Regiment‘ verhindern.

Die Erschießung Andreas Hofers

Hofers Erschießung. Bild: wikipedia

Nach etwas mehr als zwei Monaten war es um die Herrschaft des Hofer’schen Bauernregiments in der Hofburg geschehen. Am 21. Oktober zog sich der Oberkommandant mit seinen Getreuen aus Innsbruck zurück. Bereits am 24. Oktober standen die bayerischen Truppen auf Befehl von Napoleon persönlich vor der Landeshauptstadt. Am 1. November erstürmten die Bayern den Bergisel. Auch einzelne Erfolge der Tiroler Schützen bei Meran oder St. Leonhard i. Passeier konnten die totale Niederlage nicht verhindern.

Hofer floh mit seiner Familie auf eine Alm im Passeiertal, wurde verraten, am 28. Januar 1810 gefangen genommen und am 20. Februar 1810 in Mantua erschossen.

 

Mein Tipp für historisch Interessierte

Die Briefe Andreas Hofers waren Inhalt einer Ausstellung des Stadtarchivs Innsbruck, die noch bis zum 10. April gedauert hätte. Aufgrund der derzeitigen Situation wurde sie selbstverständlich beendet.

Im Herbst dieses Jahres wird jedoch eine zusammenfassende Publikation des Fundes im Rahmen der Schriftenreihe des Stadtarchivs Innsbruck erfolgen. Es ist ratsam, die Ankündigungen des Stadtarchivs genau zu verfolgen.

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