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Wetten? Nicht einmal fünf Prozent der Innsbrucker wissen um die Existenz eines uralten Handwerksbetriebes in der Maria-Theresien-Straße. Eine letzte Dependance des alten Handwerks liefert der Globalisierung ausgerechnet hier ein zähes Rückzugsgefecht.

Helmut Schmarda heißt dieser ‚letzte Mohikaner‘, der hartnäckig seine „Taschnerei“ im Stöcklgebäude des Hauses 7-9 betreibt. Ich will mir jetzt keine falschen Federn an den Hut stecken: ich kannte diese einzigartige Manufaktur an Innsbrucks Prachtstraße bis zum heurigen Sommer auch nicht. Bis mich für eine nicht alltägliche Bestellung die „Lederwarenerzeugung Schmarda“ finden musste. Davon aber später.

Eine Zeitreise auf der Theresienstraße

Das Atelier selbst ist nicht ohne genaues Hinsehen zu finden. Ein kleines, unauffälliges Firmenschild auf der Maria-Theresien-Straße weist den Weg nur ungefähr. Zuerst geht’s nämlich im Zick-Zack durch einen Gang, vorbei an einem Nagelstudio zum Eingang der Leder-Manufaktur im Stöcklgebäude 7-9. Wer sie zum ersten Mal betritt, staunt nicht wenig. Ich war sofort entzückt.

Eine der vielen Nähmaschinen im Atelier Schmarda.

Eine der vielen Nähmaschinen im Atelier Schmarda. Mit ihr wurde Leder genäht.

Denn mit dem Überschreiten der Türschwelle macht man eine Zeitreise der besonderen Art. Und das mitten in der Stadt. Staunend stehe ich in einem von drei großen Räumen. Der erste Blick fällt auf die vielen musealen Nähmaschinen, der zweite labt sich am Leder-Lager samt alten Lederkoffern und noch älterem Handwerkszeug. Und ein dritter Blick gleitet zu einer Wand, auf der hunderte von teils uralten Urlaubskarten der Mitarbeiter aufgepinnt sind. Ein untrüglicher Beweis dafür, dass dieser Betrieb in seinen Glanzzeiten bei den Mitarbeitern sehr beliebt gewesen sein muss.

Der Stoff aus dem die Träume sind: echte Lederkoffer aus dem Hause Schmarda. Leider Ausstellungsstücke.

Der Stoff aus dem die Träume sind: echte Lederkoffer quasi mit Patina aus dem Hause Schmarda. Leider Ausstellungsstücke.

Leder-Manufaktur in dritter Generation

„Zu unseren besten Zeiten hatten wir 14 Mitarbeiter“, begrüßt mich der Patron Helmut Schmarda (76) freundlich. So als ob er sich rechtfertigen wollte, weshalb das nicht mehr so sei. Nicht immer war die Leder-Manufaktur hier im unteren Bereich der Theresienstraße angesiedelt, erzählt er mir, der in dritter Generation diesen Familienbetrieb führt. Zuerst war man im Haus Theresienstraße 3, später dann im Haus Nummer 21. Und jetzt eben dort, wo einst das von den Innsbruckern geschätzte Gasthaus Delevo ‚ordiniert‘ hatte.

Das Lederlager des Helmut Schmarda in der Maria Theresienstraße.

Das Lederlager des Helmut Schmarda in der Maria Theresienstraße. Alle Stärken, alle Farben. Was das Herz begehrt.

Die Globalisierung schlägt zu

Fernglasköcher, für Swarovski gefertigt.

Fernglasköcher aus purem Leder, made in Tyrol

Die Geschichte dieser Ledermanufaktur steht stellvertretend für den Niedergang des alten Handwerks in der globalisierten Welt. Es ist noch gar nicht so lange her, dass Schmarda die Köcher für Ferngläser hier, mitten in Innsbruck gefertigt hatte. „Dann hat uns Kunststoff in Zusammenarbeit mit der Globalisierung einen Strich durch die Rechnung gemacht“, erzählt er mir mit einem leicht bitteren Unterton. Damit sei das Schicksal seiner Werkstätte beinahe besiegelt gewesen.

Aber Helmut Schmarda lässt sich nicht unterkriegen. Der einst begeisterte Kletterer und Bergsteiger – an der Wand seines Büros hängen uralte Fotos von unzähligen Begehungen – diversifizierte sein Angebot, wie es so schön heißt. Er setzte auf Jagdrucksäcke, die heute quasi das Rückgrat seines Betriebes bilden. Und das, obwohl diese Rucksäcke rein gar nichts mit den modernen High-Tech-Rucksäcken zu tun haben. Kein Tragegestell, kein Plastik, wenig individuelle Anpassung. Aber, so Helmut Schmarda, „Leinen,Filz, Loden und bestes Leder garantieren eine lange Lebenszeit der Stück für Stück händisch gefertigten Rucksäcke.“ Ob Retro-Trend oder nicht: diese Rucksäcke erreichen das höchste Qualitätsniveau. Und schauen unwahrscheinlich gut aus.

Einer der exklusiven Jagdrucksäcke von Schmarda. Retro ist in.

Einer der exklusiven Jagdrucksäcke von Schmarda. Retro ist wieder in.

Wenngleich die Manufaktur eine mit wunderbarer Patina belegte Ausstrahlung hat: Helmut Schmarda setzt auch auf modernste Technik. Auch oder gerade was den Verkauf anlangt. Seine Website über die Jagdrucksäcke ist sehr ansprechend gestaltet, ebenso wie ein Videofilm über die händische Fertigung von Waren aus Leder. 

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Kunstvoll bestickte Glockenriemen aus Leder

Da gibt’s noch ein Standbein, auf das Schmarda immer schon gesetzt hatte: auf kunstvoll gearbeitete Glockenriemen, die bei Tirols Viehzüchtern und Älplern sehr beliebt sind. „Wir haben gemeinsam mit der Glockengießerei Grassmayr in den eher schlechten Jahren die Fertigung von Souvenirglockenriemen ausgebaut“, erzählt er nicht ohne Stolz. Konnte er den Mitarbeiterstand halten? Auf längere Sicht nicht, sagt Helmut Schmarda, obwohl hunderttausende von Souvenir-Glockenriemen erzeugt worden waren. Der Mitarbeiterabbau – und da folgte er der alten, rücksichtsvollen Handwerkertradition – reduzierte sich lediglich auf den natürlichen Abgang. Es ging bei ihm also ohne Kündigungen und soziale Härten ab. Praktiken, die in der galoppierenden Globalisierung ‚altmodisch‘ erscheinen mögen.

Bestickte Glockenriemen aus dem Hause Schmarda haben Tradition. Auch die kunstvollen Bosamenten, die farbigen Borten sind selbstverständlich handgefertigt.

Bestickte Glockenriemen aus dem Hause Schmarda haben Tradition. Auch die kunstvollen Bosamenten, die farbigen Borten, sind selbstverständlich handgefertigt.

Leder, mit Laser bearbeitet

Leder, mit Laser bearbeitet

In der Manufaktur arbeitet Helmut Schmarda heute mit zwei Angestellten. Mit einem seiner Mitarbeiter sind auch neue Techniken eingeführt worden, wie zum Beispiel die Bearbeitung von Leder mit Laser.  Jetzt können verschiedene Ledergegenstände in einer noch nie dagewesenen Art kunstvoll verziert und sogar beschriftet werden. „Man kann sich sogar das Monogramm samt dem Logo in seinen Gürtel einbringen lassen“ meint Helmut Schmarda verschmitzt.

Zudem nimmt ein anderer Geschäftszweig stetig zu, sagt er: die Reparaturen. Auch da vertrauen die Kunden immer noch dem alten Qualitätshandwerk. Ob nun Lederbekleidung, Ledertaschen und Leder-Koffer: der Meisterbetrieb Schmarda bringt alte Lederwaren wieder in Schwung.

Exklusive Glöckchenriemen für Wipptaler Goassn.

Exklusive Glöckchenriemen

Ihr wollt nun wissen, weshalb ich die Manufaktur Schmarda erstmals aufgesucht hatte? Es waren Glockenriemen,  die mich in diese versinkende Welt des alten Handwerks geführt haben. Wie einigen von Euch vielleicht bekannt ist, verbringe ich den Sommer als freiwilliger Almhelfer und Oberhirte auf einer Goassalm im Valsertal, auf Helgas Alm nämlich. Die Meckertruppe hatte es heuer geschafft, einige der Glockenriemen samt den Glöckchen zu verlieren. Also mussten neue Riemen her. Bestickt und farbig sollten sie sein, dem Schönheitsbedürfnis der Meckerdamen halt angepasst. Denn solche Riemen sind die ‚Juwelen‘ der Goassn. Dass sich dann auch noch ein großzügiger ‚Sponsor‘ fand, der die Kosten dafür übernommen hatte, war der Grund, die Taschnerei Schmarda zu suchen und zu finden. Wie gesagt, Schmarda ist in Älplerkreisen bekannt für die gediegene Verarbeitung dieses ‚Tierschmucks‘.

Dass die Glöckchenriemen denn auch ganz nach dem Gusto der Geissenherde war, belegt die Tatsache, dass sich meine Lieblingsgoass ‚Espresso‘ höchsselbst bei mir bedankt hatte. Ganz selten ist sie nämlich bereit, für ein Selfie still zu halten. Mit dem fein bestickten Glöckchenriemen aus dem Hause Schmarda um den Hals ist es ihr – jetzt quasi als feiner Dame – nicht wirklich schwer gefallen.

Meine Lieblingsgoass Espresso bedankte sich übreschwänglich für den von Schmarda gefertigten Glockenriemen. Brave Goass!

Meine Lieblingsgoass ‚Espresso‘ bedankte sich überschwänglich für den von Helmut Schmarda gefertigten Glockenriemen. Brave Goass!

 

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