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Innsbruck ist die Stadt der sportlichen Artenvielfalt. Klettern, Skifahren und Mountainbiken mögen die bekanntesten sein, aber da hört das Angebot noch lange nicht auf. Nicht alle Sportarten kann man eben so mal ausprobieren. Paragleiten im Tandem von der Nordkette allerdings schon. Sollte man auch.

Johannes Glatz, ein alter Bekannter, schreibt mich an, ob ich Lust hätte mal mit ihm fliegen zu gehen. Ein Blick auf seine Facebookseite verrät: Fliegen ist seine große Leidenschaft. 2011 hat er, nachdem er zum Studieren nach Innsbruck gezogen ist, damit angefangen. Und nicht mehr aufgehört. 2012 folgt der Tandemschein, seitdem fliegt er auch zu zweit durch die Luft, rund 700 Mal seitdem. Johannes ist nach Abschluss seines Studiums sogar noch einen Schritt weitergegangen und hat sein Hobby zum Beruf gemacht. Gemeinsam mit einem Kollegen entwickelt er Acro-Gleitschirme weiter. Nebenbei fliegt er mit Kunden durch die Luft. Mal in Brasilien, mal rund um Innsbruck und wenn die Wetterlage passt auch von der Nordkette. 

„Ohhh“ und „ahhh“ und „oh man, would you dare to do that?!“ hört man in der Seilbahnkabine der Nordkettenbahnen am Weg auf die Seegrube. Wir sind schon fast oben angekommen, die Schafe weiden auf der Wiese direkt unterhalb der Terrasse und ein paar Meter über dem Boden saust gerade ein Gleitschirmflieger vorbei. Das wird doch nicht… oder doch? Um mich herum höre ich viel Bewunderung, aber auch viel Ehrfurcht. Ich weiß plötzlich nicht, ob ich es jetzt gut finde, dass ich diejenige bin, die gleich mit ihm mitfliegen wird. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass die beiden grauhaarigen Damen vor mir mich für verrückt erklären würden.

Die Nordkette ist kein einfaches Gebiet zum Fliegen. Aber Johannes hat’s drauf und das will er mir erst noch zeigen, bevor wir gemeinsam in die Luft starten.

"Mei der traut sich was!"

„Mei der traut sich was!“

Johannes Glatz, Gleitschirmpilot.

Johannes Glatz, Gleitschirmpilot.

Überflieger.

Überflieger.

Vor der Terrasse.

Wofür es sich lohnt die Kaspressknödel aus den Augen zu lassen.

Für Flüge auf der Nordkette muss das Wetter passen. An föhnigen Tagen kann man generell nicht Gleitschirmfliegen. Dann gehört die Luft über der Nordkette den Segelfliegern, die im starken Wind wortwörtliche Wellen reiten. Paragleiter bevorzugen andere Konditionen, trotzdem kann es vorkommen, dass sich Paragleiter, Drachenflieger und Segelflieger gemeinsam den Himmel über der Seegrube teilen. In der exponierten Südlage der Nordkette entwickelt sich die Thermik schnell und ist selbst im Schatten noch stark zu spüren, wie ich wenig später am eigenen Leib erfahren werde.

Die Aussicht auf die Stadt Innsbruck und ins karge Karwendel Gebirge macht es für „Mitflieger“ wie mich dafür umso attraktiver. Eine Kamera am Schoß, die GoPro in der rechten Hand und ein Handy in der Tasche. Mehr bereit kann man nicht sein, oder?

Touristenattraktion Startplatz.

Touristenattraktion Startplatz.

Die Dohlen haben es leichter.

Die Dohlen haben es da leichter.

Neue Perspektiven gibt's auch in der Luft.

Neue Perspektiven gibt’s auch in der Luft.

Tandemflug

Obwohl ich den ganzen Vormittag schon aufgeregt war, stellt sich jetzt eine innerliche Ruhe ein. Johannes richtet die Leinen, dann komme ich ihn nach unten. Wir starten oberhalb eines der letzten Schneefelder. Im Winter bin ich hier mit den Ski abgefahren. Steil ist es schon. Aber ein paar Sekunden später hänge ich bereits an Johannes‘ Gurt und es gibt’s nur noch eine Richtung: hinauf. Der Schirm hinter uns entfaltet sich und zieht ruckartig nach hinten. Und dann nach vorne. Viel Laufen muss ich nicht, bis meine Füße keinen Boden mehr unter sich mehr spüren.

Wir schweben. Ich find’s großartig. Ich bin immer noch ruhig und kann mich nur nicht entscheiden wohin mit welcher Kamera ich mich zuerst wenden möchte. Die Luft weht mir um die Nase, die Aussicht ist grandios. Wir ziehen Kreise, es geht gut nach oben. Das Vario piepst fröhlich vor sich hin und verrät, die Thermik ist gut. Wir steigen bis auf die Höhe der Karrinne, fliegen bis zum langen Sattel und am Innsbrucker Klettersteig entlang zurück. Schon sind wir oberhalb des Hafelekars, was für ein Ausblick! Fun Fact: Von hier sieht man übrigens bis nach Afrika!

Beim Herrichten der Leinen.

Beim Herrichten der Leinen.

Wenig später in der Luft.

Wenig später in der Luft.

Über der Seegrube…

…und dem Hafelekar muss die Freiheit wohl grenzenlos sein.

Jetzt kommt der Teil an den ich bisher erfolgreich vermieden habe zu denken: Wir müssen auch wieder nach unten. Verdammt. Höhe abbauen geht gut in Spiralen. Nur mag mein Magen das so gar nicht. Plötzlich ist mir doch flau und mein Kreislauf auch nicht das, was er vor einigen Minuten noch war. Dabei würde ich es doch noch gerne genießen. Aber ehrlich gesagt bin ich nur froh, dass wir uns halbwegs schnell und sicher der Seegrube wieder nähern. Ich bin auch froh zu wissen, dass Johannes im Jahr rund 600 Flüge macht. Die Routine die mir gerade abgeht, halt er im Blut.

Wir landen im Schneefeld. Das kühle Nass tut gut. Ich merke trotzdem, dass mein Körper noch etwas überfordert ist von dem ungewohnten Erlebnis. Auch in meinem Kopf drehen sich die Impressionen. Ganz im Gegenteil zum Piloten, der startet wieder Richtung Terrasse und sucht seine nächsten Fluggäste. Ob es sich auszahlt mitzufliegen, will ein Amerikaner von mir wissen als ich etwas später bei einem kühlen Eistee in der Sonne sitze. Da brauch ich nicht lange zu überlegen: „Hell, yeah!“

Weitere Infos

Es gibt mehrere Tandemflug Anbieter rund um Innsbruck, von der Nordkette starten aber die wenigsten. Flüge mit Johannes Glatz bucht man über sooperfly.at oder telefonisch unter +43 650 401 95 98. Termine sind wetterbedingt.

Infos zur Nordkette und den Seilbahnen: www.nordkette.com

 

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