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Susanne Gurschler und meine Wenigkeit treffen uns diesmal im Café Walter im Innsbrucker Stadtteil Pradl. Bei Kaffee und Kuchen erzählt mir die Autorin von ihrem neuen Buch „Handwerk in Tirol“. Es ist kürzlich im Tyrolia-Verlag erschienen. Der schlichte Titel erklärt den Inhalt schon mal im Groben. Die Feinheiten finden sich freilich im Detail. So liegt der Fokus nicht auf dem Retrogedanken à la „die letzten ihrer Art“. Vielmehr zeigt Susanne anhand von 20 wunderbaren Beispielen auf, wie fest Verwurzeltes beherzt in die heutige Zeit überführt wird. Oder wie es sogar gelingen kann, hier erfolgreich neue Handwerksmethoden zu platzieren.

Das Thema hat Susanne „einfach interessiert“. Sie selbst sei zwar – abgesehen vom Rhetorischen - handwerklich unbegabt, meint sie, aber sie hätte dennoch einen Faible für Handwerksmärkte & Co. Foto: Tamara Kainz

Das Thema hat Susanne „einfach interessiert“. Sie selbst sei zwar – abgesehen vom Rhetorischen – handwerklich unbegabt, meint sie, aber sie hätte dennoch einen Faible für Handwerksmärkte & Co. Foto: Tamara Kainz

Wir beide sind uns übrigens schon bekannt. Nicht nur, weil Susanne ebenfalls für den TVB Innsbruck bloggt, sondern weil ich schon einmal über eines ihrer vorherigen Bücher berichten durfte. „111 Ort in Innsbruck die man gesehen haben muss“ haben wir an dieser Stelle zuletzt gemeinsam vorgestellt. Daher weiß ich bereits, dass Susanne ihr Handwerk versteht. Absolute Perfektion von der Recherche bis zur finalen Ausführung zeichnet sie aus.

Sachkundig und mit großer Empathie spürt die Autorin der Vielfalt und dem Reichtum des Tiroler Handwerks nach – wie hier der Steindruckerei Stecher & Stecher in Wildermieming. Foto: Kary Wilhelm

Sachkundig und mit großer Empathie spürt die Autorin der Vielfalt und dem Reichtum des Tiroler Handwerks nach – wie hier der Steindruckerei Stecher & Stecher in Wildermieming. Foto: Kary Wilhelm

Das Buch wirft keinen nostalgisch verklärten Blick in die Vergangenheit, sondern einen beherzten in die Gegenwart traditionellen Handwerks. Genauso, wie Keramikerin Andrea Baumann aus Sistrans. Foto: Kary Wilhelm

Das Buch wirft keinen nostalgisch verklärten Blick in die Vergangenheit, sondern einen beherzten in die Gegenwart traditionellen Handwerks. Genauso, wie Keramikerin Andrea Baumann aus Sistrans. Foto: Kary Wilhelm

Eine Eigenschaft, die sie mit den Portraitierten in ihrem neuen Werk teilt. Diesmal hat Susanne also 20 echte Tiroler Handwerker ausfindig gemacht. Hat sie in ihren Werkstätten besucht, ihnen auf die Finger geschaut und sich ihre Geschichte erzählen lassen. Das Erfahrene hat sie gewohnt gekonnt aufbereitet. „Handwerk in Tirol“ gibt einen authentischen Einblick in das, was Dogglmacher, Ranzensticker und Seifensieder ausmacht. Was Glasbläser, Lodenwalker und Zirbenholzdrechsler antreibt. Welches Feuer Handweber, Säcklermeister oder Rodlmacher in sich tragen. Illustriert sind alle Darstellungen mit Bildern der Fotografin Kary Wilhelm.

Einblicke in Vielfalt und Reichtum

Da ich selbst „ein Schreiberling“ bin, darf ich behaupten, ein Gefühl für die Materie zu haben. Ich behandle ebenfalls öfters derartige Themen. Umständehalber nicht in der Tiefe, aber doch mit dem größten Respekt. Respekt vor dem, was oft von Generation zu Generation weitergetragen, oder auch wieder entdeckt und neu belebt wird. Vor dem Wissen und der Leistung, die echtes Tiroler Handwerk ausmachen. Ja und spätestens, wenn ich an einem kalten Wintertag in meine warmen Patschen (Doggln) schlüpfe, oder jemandem wieder mit herrlichen Erzeugnissen aus Zirbenholz Freude bereite, bestätigt sich für mich, dass uns an der Bewahrung desselben gelegen sein sollte.

"Kaltgerührte Seife wird im Prinzip genauso hergestellt wie in den Anfängen", sagt Familie Walde von der gleichnamigen Seifen- und Fettwarenfabrik in Innsbruck. Foto: Kary Wilhelm

„Kaltgerührte Seife wird im Prinzip genauso hergestellt wie in den Anfängen“, sagt Familie Walde von der gleichnamigen Seifen- und Fettwarenfabrik in Innsbruck. Foto: Kary Wilhelm

Lederdesigner Gregor Mair aus Innsbruck kreiert "einen Stil, den man mag oder nicht, eher herb, unisex." Foto: Kary Wilhelm

Lederdesigner Gregor Mair aus Innsbruck kreiert „einen Stil, den man mag oder nicht, eher herb, unisex.“ Foto: Kary Wilhelm

In liebevoll recherchierten und fotografierten Portraits erzählt die Autorin von Vielfalt und Reichtum des Tiroler Handwerks. Regina Knoflach aus Igls ist eine der 20 vorgestellten VertreterInnen. Foto: Kary Wilhelm

In liebevoll recherchierten und fotografierten Portraits erzählt die Autorin von Vielfalt und Reichtum des Tiroler Handwerks. Regina Knoflach aus Igls ist eine der 20 vorgestellten VertreterInnen. Foto: Kary Wilhelm

Unter den Händen der im Buch vorgestellten HandwerkerInnen erwachen unterschiedliche Materialien zu neuem Leben. Holz, Wolle, Metall, Glas, Leder oder Porzellan – jedem (Roh-)Stoff ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Es braucht viel handwerkliches Können, um einen Stoff zu weben, eine Vase zu töpfern, oder einen Gurt mit Federkieltechnik zu verzieren. Und es braucht viel Freude an dieser Tätigkeit. Liebhaberei allein reicht zum Leben aber nicht aus.

Attraktiv für die Zukunft machen

Es ist daher auch mehr als die Besonderheit und oft Einzigartigkeit der verschiedenen Techniken, die Susanne in ihrem Buch so schön darstellt. Sie blickt ebenso auf die Anforderungen, denen traditionsreiches Handwerk heute genügen muss. Berichtet, wie parallel zu Globalisierung und Technisierung ein beständiger Spagat in die Neuzeit geschafft wird. Wie dem Druck des internationalen Marktes mit Billigimporten etc. standgehalten werden kann. Wie sanfte Innovationen gelingen, ohne zu verfälschen. „Auch Altes muss verfeinert, angepasst und weiterentwickelt werden“, weiß sie. „Nur dank zeitgemäßem Knowhow, kreativem Design und letztlich auch viel Durchhaltevermögen kann es zu einem begehrten Qualitätsprodukt werden, das manchmal sogar durch seine Modernität überrascht.“

„Handwerk in Tirol“ möchte Interessierten traditionelles Handwerk näherbringen und dabei diejenigen zu Wort kommen lassen, die es ausüben. Im Bild Benedikt Sonnleitner, der in Innsbruck eine Meisterwerkstatt für Blechblasinstrumentenbau betreibt. Foto: Kary Wilhelm

„Handwerk in Tirol“ möchte Interessierten traditionelles Handwerk näherbringen und dabei diejenigen zu Wort kommen lassen, die es ausüben. Im Bild Benedikt Sonnleitner, der in Innsbruck eine Meisterwerkstatt für Blechblasinstrumentenbau betreibt. Foto: Kary Wilhelm

Es sind nicht „die letzten ihrer Art“, die Susanne Gurschler vor den Vorhang holt. Sie beschreibt auch die Geschichten von jungen Betrieben und Quereinsteigern. Foto: Tamara Kainz

Es sind nicht „die letzten ihrer Art“, die Susanne Gurschler vor den Vorhang holt. Sie beschreibt auch die Geschichten von jungen Betrieben und Quereinsteigern. Foto: Tamara Kainz

Die Kunst ist es also, Leidenschaft mit Wirtschaftlichkeit zu verknüpfen. Zu transportieren, dass Hochwertigkeit und Langlebigkeit Arbeit wertvoll machen. Und dass der Konsument dafür auch einen fairen Preis bezahlen soll. Welche Entscheidungen dafür getroffen und welche Wege dafür gegangen werden – auch das beleuchtet Susanne eingehend. Meines Erachtens trifft die Innsbruckerin mit „Handwerk in Tirol“ voll den Zeitgeist. Das Bewusstsein und die Wertschätzung für traditionelles Handwerk sind zum Glück nämlich wieder vermehrt im Steigen begriffen.

Aus Liebe zum Handwerk

Ein Buch wie das von Susanne Gurschler unterstreicht das gebührend. Mir erscheint es fast wie eine Liebeserklärung an das Echte, das Nachhaltige. Insbesondere aber natürlich an die herausragenden Produkte, die entstehen. Logisch, dass im reich bebilderten Band auch alle nötigen Kontaktdaten zu deren Erwerb aufgelistet sind. Ebenso logisch, dass Susanne sich im Zuge ihrer Recherchen auch das ein oder andere neue Stück gegönnt hat 😉 Vielleicht brauchst du auch noch ein Geschenk für Weihnachten? Viele der präsentierten Erzeugnisse würden sich dafür genauso eignen, wie das druckfrische Buch „Handwerk in Tirol“ selbst. Denn auch das ist zweifelsohne handwerklich ein Meisterwerk!

Fazit: Wärmste Empfehlung! Foto: Tyrolia Verlag

Fazit: Wärmste Empfehlung! Foto: Tyrolia Verlag

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