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In der zweiten Folge meiner E-Bike-Tour auf Tirols Salzstraßen stelle ich den ‚Unteren Weg‘ zwischen Hall, Zirl und Telfs vor. Eine Strecke mit zahlreichen außergewöhnlichen Bauern- und Wirtshäusern und einer mystischen Kirche. Ich verwende dabei den ganz wunderbaren Kulturführer des Historikers Bernhard Strolz: „Die Salzstraße nach Westen“. Der Führer ist – wenn überhaupt – nur noch antiquarisch oder in Bibliotheken erhältlich. Zum Nachlesen: Hier geht es zu Teil eins meiner Salzstraßentrilogie.

TIROL WAR EINST REICH

Tirol war einst mit zwei wertvollen Bodenschätzen gesegnet: mit Silber und Salz. Sie machten aus unserem schroffen, gebirgigen Land eine reiche Region. Während das ‚Schwazer Silber‘ den Potentaten des ausgehenden Mittelalters relativ kurzfristig viel Geld in deren Kriegskassen spülte, sorgte der Salzhandel für kontinuierliche Einnahmen auf hohem Niveau. Und das über Jahrhunderte hinweg. Und man würde es kaum glauben: Sogar das Volk profitierte davon.

SALZ FÜLLTE NICHT NUR DIE KASSEN DES KAISERS

Während das Silber bis zur Entdeckung Amerikas quasi ‚konkurrenzlos‘ blieb, war das im Salzhandel völlig anders. Allein die Konkurrenz Venedigs drohte den Salzpreis hierzulande massiv zu beeinträchtigen. Grund genug für die Herrscher, den Tiroler Salzpreis zu schützen und Importe mit hoher Strafdrohung zu belegen. So war man im eigenen Land Monopolist. Woher hätte man sonst das Geld für die zahllosen Kriege und den ausufernden Lebensstil des Adels hernehmen sollen?

Eine weitere Eigenheit an den Tiroler Salzstraßen waren die ‚Rodordnungen‘, die dafür sorgten, dass auch das ‚gemeine Volk’ in den Genuss der Einnahmen aus dem Salzhandel kam. Denn die Transporte von Salzstadl zu Salzstadl – so nannte man die Lagerhäuser – mussten von jeweils heimischen Frächtern durchgeführt werden. Auch die genaue Reihenfolge dieser Frächter, also die ‚Rod’, war fixiert. Als Frächter betätigten sich die Bauern, die an der jeweiligen Strecken der Salzstraße einen Hof bewirtschafteten. Ein Zubrot, das bisweilen sehr gut gewesen sein musste. Das beweisen einige vorzüglich erhaltene Bauernhöfe zwischen Zirl und Telfs. Damit verbunden war auch eine unglaubliche Dichte an mächtigen Gasthöfen, in denen die Salzhändler sich laben und absteigen konnten.

DAS ‘WEISSE GOLD

Um die Profite aus der Gewinnung und dem Handel mit Salz ins rechte Licht zu rücken, einige Zahlen: Zwischen 1661 und 1662 wurden in Hall 9.600 Tonnen Salz abgebaut. Das war der Gegenwert von 96.000 (!) Pferden oder 3.360.000 Laib Käse. Wer bedenkt, dass der Verkaufspreis das Achtfache (!) des Herstellungspreises betragen hatte, erahnt, um welch riesigen Summen es hier ging. Was den Profiteuren bewusst war: Die Salzverteilung musste klaglos funktionieren, um den permanenten Geldfluss sicher zu stellen. An den ‚Zollstationen‘ wurde Wegegeld verlangt, das mit der heutigen Maut verglichen werden könnte. Es wurde teilweise zur Pflege der Straßen verwendet. Daher gehörten die ‚Salzstraßen‘ Tirols zu den stets gepflegten Straßenverbindungen.

ÜBER DIE ‚UNTERE STRASSE‘ ROLLTEN ZWEI DRITTEL DER SALZTRANSPORT

Die ‚Untere Straße‘ von Hall zum Fernpass mündete in Telfs in die ‚Mittlere Straße’, die das Mieminger Plateau und den Holzleitensattel überwand. In Nassereith mündete diese dann in die ‚Obere Straße’. (Die Ellbögener Salzstraße zum Brenner hatte ich bereits hier beschrieben). Sie führte über insgesamt vier Pässe nach Lindau am Bodensee. Zwei Drittel der Jahresproduktion der Saline wurden über diese Route transportiert. Das Endziel dieser Transporte war die Schweiz. Dort wurde bis zum 19. Jahrhundert sehr viel Salz bei der Käseherstellung benötigt. Mit der Entdeckung eigener Salzvorkommen im 19. Jahrhundert fiel die Eidgenossenschaft als Käufer aus, der Salzhandel brach in der Folge zusammen. 

EINE KLEINE KULTURREISE MIT DEM E-BIKE AUF DER  ‚UNTEREN STRASSE

Interessant ist die Tatsache, dass Innsbruck vor der Stadterhebung gerne umgangen worden ist. Die Warentransporte wurden via Ampass nach Wilten und von dort weiter nach Zirl durchgeführt. Das änderte sich schlagartig, als die Fürsten von Andechs nach der Stadterhebung vor allem italienische Händler zwangen, ihre Ware in Innsbruck feil zu bieten. So konnten auch die Salzhändler die Stadt auf ihrem Weg zum Fernpass nicht mehr links liegen lassen.

Ich machte mich mit einem E-Bike aus dem Verleih des Igler kunstwerkstall‘ auf den Weg, um die historische ‚Untere Straße‘ zu erkunden. Sie führte von Hall aus über St. Nikolaus, Mariahilf und Kranebitten zuerst nach Zirl und weiter bis Telfs. Untrügliche Zeichen für den alten Weg sind die zahlreichen Marterl aus Höttinger Brekzie, die immer noch entlang des Weges zu finden sind.

Regelrecht furchterregend musste es für die Fuhrleute gewesen sein, jene Strecke zu passieren, die zwischen der senkrecht abfallenden Martinswand und dem Inn gelegen ist, an deren Ende dann linkerhand der historische ‚Martinsbühel‘ liegt. Von den Römern noch als Stützpunkt namens ‚Teriolis‘ genützt, erbaute hier Kaiser Maximilian ein Jagdschloss. Die Wand war Schauplatz einer seiner legendären Jagdausflüge, der in seiner ‘wundersamen’ Errettung gipfelte.

ZIRL WAR EINST EIN WICHTIGER VERKEHRSKNOTENPUNKT

In Zirl teilten sich gleich drei mittelalterliche Wege. Über die Innbrücke gelangte man auf die Salzstraße, die rechtsseitig des Inns verlief. Ich stelle sie in einer weiteren Folge dieser Blogserie vor. Quasi geradeaus ging’s via Telfs in Richtung Fernpass und rechts abbiegend gelangte man nach Seefeld. Und so verfügte der Ort im ausgehenden Mittelalter über alle Einrichtungen, die zu einem Handels-Transitort gehörte. Wie etwa ein großes Salzlager, ein ‚Pallhaus‘ (hier wurden die ‚Ballen‘ gelagert), sowie Unterkünfte in Form von Wirtshäusern, wie der mächtige ‘Löwen’ im Ortszentrum. Zirl verfügte damals sogar über einen Hafen am Inn, also eine ‚Lände‘. 

ALS DIE INNSCHIFFFAHRT NOCH FLORIERTE

Für uns ist es heute nur schwer vorstellbar, wie das Salz von Hall per Schiff nach Zirl transportiert werden konnte. Pferde zogen die Zillen, das sind flache Boote, bis zur Zirler Lände, die sich unmittelbar bei der heutigen Innbrücke befand. Das war allerdings nur im Frühjahr und Herbst möglich, wenn der Inn genügend Wasser führte. Ein letzter Rest dieser Zeit der Innschifffahrt ist in der Zirler Bahnhofstraße sogar noch vorhanden. Das kleine Häuschen war Teil einer größeren Anlage, in der einst das per Schiff transportierte Salz gelagert worden war. Hier holten Rodfuhrleute die Salzfässer ab, um sie mit ihren Fuhrwerken weiter zu transportieren. Der letzte Zeuge der alten Salztradition Zirls wird heute dankenswerterweise von einer Agentur gepflegt.

DIE POSTSTATION DIRSCHENBACH AN DER UNTEREN STRASS

Dass dieser Handel einige Jahrhunderte lang florierte, sieht man dieser ‚Salzstraße‘ heute noch an – ich möchte sagen auf Schritt und Tritt. Die Untere Straße gewann zusätzlich an Bedeutung, nachdem Kaiser Maximilian den Grafen Thurn und Taxis beauftragte, das Postwesen auszubauen. In Dirschenbach werden  heute noch zwei historische Postgebäude mit viel Liebe gepflegt.

Weshalb die Poststation nicht direkt in Zirl angesiedelt war, sondern wenige Kilometer westlich davon in Dirschenbach, ist leicht erklärbar. Die Entfernungen von Poststation zu Poststation sollten gleich lang sein. Die Strecke von Innsbruck nach Zirl war das nicht und so wurde die Station in einem Bauernhaus in Dirschenbach einige Kilometer weiter fixiert. Posthörner in der Außenfassade kündeten noch von jener Zeit, als der Bauer rast suchenden Reisenden sogar Wein ausschenken durfte. Später zog die Poststation in Dirschenbach in ein wenige Meter entferntes Haus um. Über dessen Eingangstor prangt heute noch der Doppeladler.

LEIBLFING WAR SITZ DER ‚DREI SALIGEN‘

Der nächste Weiler auf der ‚Unteren Straße‘ ist bekannt durch seine einzigartige St. Georgs Kirche. Nicht nur die Kirchturmspitze, die ein Kompromiss zwischen Barock und Gotik darstellt, ist sehenswert. Ein Fresko in der Kirche belegt indirekt, dass das christliche Gotteshaus auf einem alten, prähistorischen Kultplatz steht. An der Nordseite des Kirchenschiffes stellt es die ‚Drei Saligen‘ dar. Ein mehr oder minder eindeutiger Hinweis auf den Glauben der Räter, die an eine göttliche Trinität in Frauengestalt glaubten. ‘Grüß Göttin’ quasi. Diesem starken Glauben musste das lokale Christentum Tribut zollen, die aus den einstigen Göttinnen die ‚Drei Saligen Jungfrauen‘ machten. Ich habe die Kirche HIER beschrieben.

In der Folge passieren kulturaffine E-Biker weitere, wunderschöne und wuchtige Gebäude aus der frühen Neuzeit Tirols. Bemerkenswert ist vor allem das einstige Wirtshaus ‚Baldauf‘ zu Pettnau, in dem sich heute das Gemeindeamt des Ortes befindet. Wenige hundert Meter weiter sollte man im einstigen Wirtshaus Öttl – heute Mellaunerhof – Rast machen. Im schattigen Gastgarten kann man lokale Speisen genießen.

Die letzten Kilometer nach Telfs führen entlang des Inns, um vor Telfs in einer Pappelallee aufzugehen. Hier teilten sich die Straßen im ausgehenden Mittelalter. Die ‚Untere Straße’ führte auf das Mieminger Plateau und wurde dort zur ‚Mittleren Straße’. Über die Innbrücke ging es auf der anderen Innseite weiter ins Tiroler Oberland. 

Meine Empfehlung für Telfs ist ein Besuch des Fasnachtsmuseums. Denn der Ort ist berühmt für sein Schleicherlaufen in der Fasnacht.

MEINE TIPPS FÜR E-BIKE-FAHRER:

  • Die Streckenlänge von der Innsbrucker Altstadt nach Telfs beträgt knapp 33 Kilometer.
  • Ich bin von Telfs zurück nach Innsbruck mit dem Zug ab Telfs-Pfaffenhofen gefahren.
  • Um die Sehenswürdigkeiten an der Unteren Salzstraße besichtigen zu können, empfiehlt es sich, die Landesstraße zu benützen. Teilweise ist sie mit eigenen Rad- oder Gehwegen versehen.
  • Ab Leiblfing bis Telfs kann man auch den Radweg direkt am Inn benützen. Er ist sehr gut beschildert. Eine detaillierte Karte findet sich HIER.
  • Radtouren im Oberland werden auf der Website von Innsbruck Tourismus beschrieben.
  • Gasthöfe und teils unter Denkmalschutz stehende Brunnen in den Orten stellen sicher, dass man mit Essen und Trinken bestens versorgt ist.

Alle Fotos, sofern nicht anders angegeben: © Werner Kräutler

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