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Kaaaawwwuuuuummmm! „Pfoah, heit sprengens wieder, hat’s echt so viel gschneit? Kimm, pack di zamm, nix wia aufi, des weard da Wahnsinn, mega!“ So reden und denken viele Innsbrucker, wenn es durch die Stadt rumpelt. Die Sprengmeister der Nordkette befreien das Skigebiet von Neuschneemassen, für unsere Freiheit. Die Freiheit der Freeride City Innsbruck.

Es ist normal, dass alles was Zeit und breite Bretter hat aufbricht, wenn die schallenden Lawinen abgehen. In Richtung Kongress oder Löwenhaus eilen Gleichgesinnte zu Fuß und via Rad durch die Stadt zur Hungerburgbahn. Oben angekommen platzt der Parkplatz vor der Talstation zur Seegrube schon aus allen Nähten…

Zum Thema Lawinensprengungen treffen wir Christoph Schabus in seinem Büro auf der Hungerburg über Innsbruck. Er ist Stellvertretenden Betriebsleiter der Lawinenkommission Innsbruck. Ashley und ich erhalten einen kleinen, aber feinen Einblick in seinen Arbeitsalltag.

Die glorreichen Sieben

Die Lawinenkommission Innsbruck besteht aus acht Mitgliedern. Drei davon rücken täglich aus. Entscheidungen, welche Piste geöffnet wird, fallen einstimmig. Eine Sperre hingegen ist mit einer Stimme beschlossene Sache. Das überwachte Gebiet, um die Innsbrucker Bevölkerung vor Lawinen zu schützen, zieht sich von Frau Hitt bis Rumer Spitze. Sieben Lawinenstriche gibt es in Innsbruck: Alplehner, Arzler Alm, Gerschrofen, Höttinger Graben, Lippental, Mühlauer Klamm und Rastlboden. Von Allerheiligen bis Rechenhof sollten also dank der akribischen Arbeit der Lawinenkommission keine Schneemassen ins Tal preschen. Alles was weiter daneben oder auf einer anderen Talseite abgeht fällt unter eine andere Zuständigkeit. In Summe gibt es in Tirol 252 Lawinenkommissionen mit mehr als 1.300 Mitgliedern. Alle Tiroler Gemeinden, die vor Lawinenkatastrophen nicht gefeit sind, müssen eine Lawinenkommission einrichten.

Lawinensprengungen: Drei Männer beim Headqauerter der Nordkettenbahnen

Ashley, Christoph Schabus, Stellvertretender Betriebsleiter der Lawinenkommission Innsbruck, und ich nach unserem Meeting im Headquarter der Nordkettenbahnen. Fotocredit: Ashley Wiggins

Lawinensprengungen mit Danish Dynamite?

Bereits täglich um 8:00 Uhr finden Schneemessungen statt. Danach bespricht das Team im Einsatz die Lage. Neuschnee zwischen 20 und 25 Zentimetern sind Anlass zur Sprengung. Ohne das Skigebiet auf der Seegrube, wären Sprengungen obsolet, weil alle Lawinen natürlich abgehen. Zum Schutz des Skigebiets erfolgen daher Lawinensprengungen in der Karrinne, Seilbahnrinne und im Osthang. Wie die Sprengungen in der Praxis aussehen, bleibt uns leider verwehrt. Aus Maßnahmen der Sicherheit wohnen wir diesem künstlichen Naturschauspiel nicht bei. Zu unserer Überraschung ist es jedenfalls nicht so, dass in den Bürogefilden der „Sprengmeister“ Dynamit herumliegt. Geschweige denn, dass es Gegenstand der Sprengung ist. Dänen arbeiten unseres Wissens auch nicht oben am Berg. Also bleibt „Danish Dynamite“ dieses Mal nur eine Alliteration.

Lawinensprengungen: Drei Männer vor der Nordkette

Dort oben, hinter uns wird täglich in der Früh die Lawinensituation eingeschätzt und über allfällige Maßnahmen wie Sprengungen und Sperren beraten. Fotocredit: Ashley Wiggins

Unter Druck

Under pressure, so ist es! Die Protagonisten der Lawinensprengungen auf der Nordkette sind Gaskanonen und Sprengseilbahnen. Oberhalb des Funparks sind an einem Grat vier „Gazex“ Anlagen installiert. Ein Container, der auch im Hang verbaut ist, speist die Rohre dieser Anlagen mit einem Propan-Sauerstoff-Gemisch. Eine Fernzündung bringt das Gasgemisch am Ende des Rohrers über der Schneedecke zur Explosion. Dadurch entsteht eine massive Druckwelle, die am Ende eine künstliche Lawine auslöst. Und es geht noch spektakulärer. Zweier-Teams bedienen drei Sprengseilbahnen. Am Hafelekar kommen die Kaminspitzbahn und die Seilbahnrinnenbahn zum Einsatz. Auf der Seegrube eine Bahn am Osthang. Während einer die Seilbahn bedient kümmert sich der andere um die Patronen. Via Zündschnür werden dann diese Patronen gezündet.

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Information ist alles

Es gilt den Lawinenlagebericht stets im Auge zu behalten. Die Absprache mit den Nachbarländern ist für eine Prognose besonders wichtig. In Zusammenarbeit mit Italien, Schweiz und Bayern kann die Entwicklung des Niederschlags auf der Nordkette gut eingeschätzt werden. Die Mitglieder der Lawinenkommission Innsbruck Stadt bleiben immer am Ball, denn wenn der große Schneefall kommt dürfen sie nicht unvorbereitet sein.

Lawinensprengungen machen solch geniale Pulverabfahrten vom Hafelekar erst möglich. Fotocredit: TVB Innsbruck /Klaus Polzer Skier: Daniel Schiessl

Lawinensprengungen machen solch geniale Pulverabfahrten vom Hafelekar erst möglich. Fotocredit: TVB Innsbruck /Klaus Polzer Skier: Daniel Schiessl

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