Wasser IBK

Kristallklares Alpenquellwasser. Was klingt wie der letzte Schrei im Trinkwasserregal sprudelt hier in Innsbruck einfach so aus der Leitung. Mineralienreich, lupenrein und quellfrisch. Es kommt von ganz oben im Karwendel, sickert viele Jahre durch den ewigen Fels, sprudelt an den Mühlauer Quellen in die Innsbrucker Trinkwasserleitungen und direkt weiter bis ins Glas. Mit frühlingshaftem Tauwetter konnte ich dem Weg des Wassers nun kürzlich vom Berg bis ins Tal folgen – und fand unterwegs ein Wasserschloss und die zwei größten Schatzkammern der Stadt.

Steter Tropfen auf den Stein

Oben auf der Nordkette glitzert der allerletzte Schnee. Vom Hafelekar schweift der Blick bei klarem Wetter bis weit über das Karwendel. Wenn hier unter den kräftigen Strahlen der Frühlingssonne die letzten Schneefelder schmelzen, beginnt der lange Weg des Wassers ins Tal. Schnee und Niederschlag nehmen sich viel Zeit durch das poröse Gestein zu sickern. Ganze zehn Jahre dauert es im Durchschnitt bis das Trinkwasser an den Mühlauer Quellen wieder zu Tage tritt. Vom Gipfelkreuz blickt man nördlich über schroffe Felslandschaften und weite Schotterfelder. Weit kommt das Tauwasser hier aber nicht, es versickert schnell zwischen den Steinen. Einen stecke ich mir ein. Neben mir schweben ein paar Greifvögel in den lauwarmen Aufwinden beinahe reglos in der Frühlingsluft. Kurz sehen wir uns an, dann lege ich den Stein zurück.

Im Fels veredelt

Bergab Richtung Seegrube habe ich auf den Spuren des Wassers etwas mehr Glück. Hier duftet feuchte Erde und führt das Wasser in kleinen Rinnsalen bergab. Der Waldboden reinigt und und filtert das Wasser auf seinem Weg in die Tiefe. Wenn zwischen stürmischen Böen kurzzeitig Stille einkehrt, kann man die kleinen Wasseradern aus nächster Nähe schon leise plätschern hören. Behende springt das Wasser über Stock und Stein – ich eher weniger. Wo ein Rinnsal versickert, bildet sich unweit ein neues. Bald treffen sich die kleinen Flüsse und sind plötzlich verschwunden. Die Spur des Wassers verläuft sich irgendwo zwischen Felsen und undurchdringlichem Dickicht – meine auch. Klingt dort in etwa so:

 

Ich kehre außer Atem und durstig, irgendwo zwischen Seegrube und Bodensteinalm, auf gelb beschilderte Wanderwege zurück. An der Weggabelung Herzwiesen- und Rosnerweg wähle ich Letzteren, denn er führt mich am Bergquellwasserbrunnen der Arzler Alm (1067m) vorbei. Drinnen in der urigen Stube geht auch noch eine deftige Kaspressknödelsuppe. Gestärkt und erfrischt wandere ich nur wenig weiter, ins Mühlauer Quellengebiet.

Die Mühlauer Quellen

Der Trinkwasser-Sammelstollen bei den Mühlauer Quellen

Tief unter Tage sammelt ein 1.663 Meter langes Stollensystem an den Mühlauer Quellen das Trinkwasser für Innsbruck. (📷 by IKB)

Hoch oben über Mühlau entspringt unterhalb der Arzler Reisn der Mühlauer Bach – übrigens eine Karstquelle. Über die Jahrtausende schliff er auf seinem Weg ins Tal die Mühlauer Klamm in die Südflanke der Nordkette. Von unten führt der wunderschöne Wasserwanderweg interessierte Wanderer durch die sagenumwobene Klamm bis rauf ins Quellengebiet. Ich gehe diesen Weg auf den Spuren des Wassers heute von oben quasi rückwärts. Unterwegs passiert man den Mühlauer Wasserfall, die sagenumwobene Teufelskanzel samt Hexenkuchl, sowie das unscheinbare Wasserschloss der Stadt. Ein klingender Name mit großem Geheimnis, denn hier führt ein imposantes 1.663 Meter langes Stollensystem tief in den Berg und sammelt das Trinkwasser für Innsbruck. Schüttung (geförderte Wassermenge): Zwischen 600 und 2.000 Liter pro Sekunde. Gesamtfördervolumen: 35.000.000 (Millionen!) Kubikmeter kristallklares Trinkwasser pro Jahr.

Das Wasserschloss trägt seinen Namen übrigens absolut zurecht – es ist aus Hygienegründen sicher versperrt und für Besucher nicht zugänglich. Zwei Druckleitungen führen den im Berg gesammelten Schatz von hier über 445,5 Meter Fallhöhe zum Krafthaus in Mühau. Ein massiver Steinbau mit hohem Stahlzaun und schweren Schlössern, wo 44,5 Bar Trinkwasserdruck auch nachhaltigen Naturstrom produzieren. Hier treffe ich Gerd Albrecht von den Innsbrucker Kommunalbetrieben (IKB). Er ist Ingenieur, Fachmann für Wasserfragen und für mich heute auch ein bisschen Schatzmeister. Schlüsselbund inklusive.

Die Schatzkammern der Stadt

Bevor der Mann die massiven Türen der größten Innsbrucker Hochbehälter öffnet – insgesamt gibt es zwölf, an ebenso vielen kleineren Quellen – zeigt er mir das Kraftwerk und hat viel zu erzählen. Zur Zeit der Stadtgründung 1239 gab es in Innsbruck nämlich kein so tolles Trinkwasser. Die Mühlauer Quellen waren damals noch nicht erschlossen, die Innsbrucker nutzten im Tal tiefe Ziehbrunnen und leiteten ihre Abwässer einfach in den Inn. Mit dem so verunreinigten Grundwasser waren Krankheiten und Seuchen natürlich an der Tagesordnung.

Wasserleitung aus Holz

In etwa so dürften die ersten Wasserleitungen aus Holz ausgesehen haben. Auch ausgehöhlte Baumstämme wurden als Rohrleitungen verwendet. (📷 by Innsbruck Tourismus/ Christian Vorhofer)

Die ersten Wildwasserleitungen vom Berg waren dann aus Holz – mit immensen Wartungskosten. Bis Druckleitungen aus Metall erfunden wurden, waren die öffentlichen Stadtbrunnen die einzigen Innsbrucker Wasserquellen. Erst 1890 wird eine moderne Wasserversorgung über den „Alten Klammstollen“ erschlossen. Damals lieferte er etwa 78 Liter pro Sekunde. Er ist  übrigens immer noch in Verwendung. Heute braucht jeder Innsbrucker im Schnitt 115 Liter Wasser täglich. Nur etwa zwei davon trinken wir. Der überwiegende Rest wäscht, spült und fließt fast unbemerkt durch unser Leben. Schade eigentlich, denn unter dem Kraftwerk Mühlau wird der immense Schatz der Alpen erst so richtig greifbar. Ein Schlüssel klickt und endlich gehen die schweren Türen auf.

Quellfrisch und kristallklar

Die Trinkwasser-Hochbehälter der IKB in Innsbruck

Die Hochbehälter im Kraftwerk Mühlau fassen insgesamt über 26.000 Kubikmeter Wasser. Ein Pufferspeicher, denn die Innsbrucker Quellen versorgen die Alpenstadt rund um die Uhr und direkt vom Berg mit kristallklarem Quellwasser. (📷 by IKB)

 

Ohrenbetäubend dröhnt das Quellwasser oben durch zwei Pelton Trinkwasserturbinen, bevor es hier unten fast drucklos in zwei riesige unterirdische Reservoirs rauscht. Der Anblick ist atemberaubend und die Luft eiskalt. Der Bau der beiden Druckleitungen, der zwei Hochbehälter (gesamt 26.400 Kubikmeter Fassungsvermögen), der Ausbau der Stollenanlage und die Errichtung des Kraftwerks dauerten ab 1942 insgesamt fast zehn Jahre. Ziemlich genau so lange wie ein Wassertropfen vom Hafelekar, durch das Karwendel und bis zu den Quellen im Tal braucht.

Vom Gipfel ins Glas

1951 ging die Anlage erstmals in Betrieb und läuft seitdem im Originalzustand, weiß der Schatzmeister zu berichten. Das fünf Grad kalte Wasser ist nämlich schon ab Berg so lupenrein sauber und keimfrei hygienisch, dass man es direkt von der Quelle und ohne Aufbereitung nutzen kann. Natürlich unter strengen Auflagen,  Schutzverordnungen und Qualitätsprüfungen. Von den Hochbehältern versorgen dann vier massive Hauptleitungen 90 Prozent des Wasserbedarfs in Innsbruck: Über 460 Kilometer IKB-Leitungsnetz und mehr als 10.000 Haushalte. Und bis heute auch die zahlreichen Trinkwasserbrunnen in Innsbruck. Das klingt dann übrigens so:

Als ich mich nach ausführlichem Staunen von dem freundlichen Wassermann verabschiede, treffe ich auf meinem Weg zurück in die Stadt am Dorfplatz von Mühlau auf einen Stadtbrunnen. Auf den Spuren des Innsbrucker Wassers bin ich am Ziel. Und obwohl ich überall in Innsbruck genau dasselbe Wasser genießen kann, fülle ich meine Flasche hier noch einmal randvoll. Mein Blick wandert hoch zum Hafelekar. Jeder Schluck schmeckt vertraut, quellfrisch und kostbar.

 

Eine genaue Aufschlüsselung der herausragenden Tiroler Trinkwasserqualität in Innsbruck gibt’s hier.

Eine Liste aller Innsbrucker Stadtbrunnen gibt’s hier.

Die Reise des Wassers in Virtual Reality gibt’s hier.

Noch mehr Wissenswertes zum Tiroler Wasser gibt’s hier.

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