Tiroler Bio-Pilze-28

Wenn in Tirol das Schwammerlfieber ausbricht, gibt’s für mich kein Halten mehr. Dann bin ich einer von vielen findigen Feinschmeckern, die mit Taschenfeitel (Wandermesser) und Stoffsackerl (Jutetasche) suchend durch die Wälder streifen. Dass man dort bisweilen auch Pech hat und gar keine findet, verschweigen die Pilzlegenden vom „perfekten Platzl“ - dem größten Geheimnis eines jeden Schwammerl-Sammlers. Kürzlich habe ich sogar ein ganz besonderes solches Platzl gefunden, das mitten im Herz der Alpen liegt und weder auf eine Pilzsaison noch auf geheime Schatzkarten angewiesen ist. Bleibt aber unter uns.

Glückspilz trifft Pilzglück

Ein unauffälliger Samstagmorgen, ich schlendere suchend durch das sommerliche Stadtbild. Rastlos tragen mich meine Schritte über die kunterbunten Bauernmärkte, getrieben von einer unersättlichen Gier nach frischen Pilzen. Aber heimische Frischware abseits der Herbstsaison wäre ein handfestes Wunder und zum gemeinen Supermarktschwammerl fragwürdiger Herkunft halte ich doch lieber nachhaltigen Sicherheitsabstand. Es wird ein entsprechend langer Spaziergang, der mich schließlich aber auch zum Bauernmarkt am Wiltener Platzl führt. Sofort schlägt mein Spürsinn an, für Kenner unverkennbar, hier liegt Pilzduft in der Luft. Wie ein Trüffelschwein lasse ich mich bereitwillig leiten und lande wo ich hingehöre: Beim Marktstand der Myzelia Tiroler Bio-Pilze. Chefin Cornelia sieht mich sabbern und schmunzelt: Dein erstes Mal bei uns?

Die Tiroler Pilzbäurin

Ertappt. Und sogleich lasse ich mich in ein Gespräch allererster Güte verwickeln: Champignon, Kräuterseitling und Grill-Portobello, auch Austernpilz und Shitake werden feilgeboten, Rezeptideen gibt‘s kostenlos. Weil ich wieder alles anfassen will, kriege ich einen kleinen Champignon geschenkt. Prüfend beäuge ich den Pilz - er glänzt dick und glücklich, duftet frisch und fabelhaft. Die Fachfrau versteht ihr Handwerk nicht nur im Verkauf, denn die Pilze bezieht man hier tatsächlich aus erster Hand. Eine echte Tiroler Pilzbäuerin also, ich staune nicht schlecht. Cornelia lacht und lädt mich für die kommende Woche kurzerhand in ihr Meisterwerk in Mils ein – dorthin wo die Köstlichkeiten herkommen. Heute habe sie nämlich nicht so viel Zeit, schließlich sei Markttag und ihre Ware sehr gefragt, zwinkert sie, auch die Schlange hinter mir habe Hunger. So lasse ich mir schnell eine bunte Auswahl ihrer Bio-Pilzwaren in mein Sackerl wiegen und winke der Schlange damit bestätigend zum Abschied: Mein erstes Mal hier.

Pilzpesto für Champignons

Naja, nicht nur: Man nehme eine geeignete Menge fangfrischer Pilze (etwa 300g Kräutersaitling, gern auch mit Austernpilz und Champignon) grob geschnitten auf guter Hitze goldig-aromatisch anrösten. Zwei fein gehackte Schalotten zugeben und glasig dünsten, anschließend die Hälfte der Pilzmenge an Nüssen (etwa 150g Mandeln, Cashews oder auch Pignioli) sowie zwei frische Knoblauchzehen untermischen und abkühlen lassen. Die Mischung mit Olivenöl, Meersalz, Pfeffer, Zitronensaft, Thymian abschmecken und fein pürieren. In ein verschließbares Gefäß umfüllen, mit Olivenöl bedecken und bis zu vier Wochen im Kühlschrank lagern. Anmerkung: Dass die Tiroler Bio-Pilze beim Anbraten kaum Wasser lassen, darf einen nicht irritieren. Genau so verhält sich ein echter Qulitätspilz, unerhört köstliches Aroma inklusive.

Myzelia: Das Meisterwerk in Mils

Wenige Tage nach meinem Pilzpesto besuche ich Cornelia in ihrem Meisterwerk in Mils. Und natürlich sieht ihr Edelpilz-Bauernhof ein bisschen anders aus als herkömmliche Landwirtschaftsbetriebe. Mit gutem Grund, denn die Pilzzucht ist hochkomplex und verlangt Fingerspitzengefühl, das weit über den grünen Daumen hinausgeht. Ihren Traum vom regionalen Bio-Pilz setzte Cornelia 2014 in die Tat um, heute sind es 24 Gewächshallen, 60 Mitarbeiter:innen und 20-30 Tonnen Frischpilze pro Woche. Raumhohe Regale füllen die sechs Klimakammern in Mils, so ein Edelpilz ist ziemlich anspruchsvoll. Das Erfolgsrezept heißt Vertical Farming, zum Einsatz kommen ausschließlich natürliche Ressourcen, am Ende des Kreislaufes zu feinstem Bio-Dünger veredelt. Die notwendige Energie liefern Solarstrom und Erdwärme, denn Nachhaltigkeit beim Edelpilz ist Ehrensache. Bei unserer Runde durch das Werk staune ich, wie viel Hightech hier zum Einsatz kommt. So schaffen es die Schwammerln tatsächlich in nur 24 Stunden auf den Tisch, lächelt die Pilz-Bäurin zufrieden.

Leben im Zeitraffer

Die Edelpilze erzeugt sie in sogenannter Urproduktion – von der Spore (Myzelium) bis zum Fruchtkörper (Pilz). Dafür müssen in den Klimakammern alle vier Jahreszeiten im Zeitraffer simuliert werden. In nur vier bis sechs Wochen sind die Pilze dann reif für die Ernte. Timing ist wahnsinnig wichtig – und eine echte Herausforderung. Manchmal brauchen die Pilze nämlich auch etwas länger, so sind die über 60 Helfer:innen hier fast rund um die Uhr im Einsatz, auch an Wochenenden und Feiertagen. Frischegarantie mit echtem Tiroler Herzblut also, die man hier dann auch im kleinen Hofladen direkt „ab Werk“ beziehen kann. Auch in Gastronomie und Einzelhandel muss man österreichweit nur auf das Myzelia-Qualitätslabel achten (Stichwort Supermarktschwammerl). Auch ich gehe nicht mit leeren Händen und lasse mir mein Schwammerl-Sackerl noch einmal randvoll füllen. Ich bin mutig geworden und versuche mich diesmal an chinesischen Jiaozi mit Shitake-Füllung. Weil: Wenn mich das Schwammerlfieber packt, gibt’s da kein Halten mehr.

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