Tiroler Blasmusik
Sandra Hupfauf
29. Juni 2015
Originalsprache des Artikels: Deutsch

Als Tirolerin sollte man zwei Dinge wissen: 1. Wenn ein Musikant über seinen Ansatz spricht, meint er nicht unbedingt seine Haare. 2. Wenn man von einem Posaunisten gebeten wird, Sidol aus dem Supermarkt mitzubringen, heißt das nicht unbedingt, dass er vorhat, daheim den Herd zu putzen.

Tirol ist Blasmusik.

Man kann sie mögen oder nicht, aber sie ist ein wichtiger Teil jeder dörflichen Gemeinschaft. Irgendwann steht der Tiroler Bub vor der Entscheidung: Musikkapelle oder Fußball? „Zu dumm für die Musikkapelle, zu langsam für die Feuerwehr, dann auf zu den Schützen!“ (nicht von mir, liebe Schützen!)

Als vor einiger Zeit die Zusammenhänge zwischen Blasmusik und NS-Regime in Tirol ans Tageslicht kam, reagierten sämtliche Musikkapellen mit Betroffenheit, heiße Diskussionen und Schuldzuweisungen folgten. Lassen wir beiseite, welche Tiroler Komponisten für welche Nazi-Größen welche Märsche geschrieben haben, ein schockierendes und bedauerliches Kapitel, das allerdings auch etwas anderes ans Tageslicht brachte: Blasmusik ist in Tirol Tagespolitik.

Wo sonst in Europa hat Blasmusik einen derartigen Stellenwert? Wohl nirgends. Aber wie klingt sie in Belgien, England, Deutschland oder Italien? Davon kann man sich bei den Innsbrucker Promenadenkonzerten ein Bild machen, sie zeigen jedes Jahr das Beste der Blasmusik aus ganz Europa in unterschiedlichsten Formationen. Aber, ganz ehrlich: den Tirolern in Punkto Blasmusik Konkurrenz zu machen, ist wirklich schwer.

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Musikkapelle Oberhofen, Innsbrucker Promenadenkonzerte

Wir waren sowas wie die Blasmusikpioniere, schon am Bergisel haben wir den Franzosen mit den Schwegeln den Marsch geblasen (und wieder der Andreas Hofer…). Kein Wunder also, dass Blasmusik schon immer ganz eng mit Politik verbandelt war. Repräsentationsfunktion nennt man das. In Tirol kann man die Macht eines Politikers davon ablesen, wie häufig er bei Blasmusik-Ständchen dazu verdonnert wird, selbst den Taktstock zu übernehmen.

Zurück zu den Promenadenkonzerten: Militärmusikkapellen, Holzblasensembles, Brassbands, Jugendblasmusikorchester, Gebirgschützenkapellen und Polizeiorchester …. Monteverdi, Händel, Mozart, Strauß, Suppé, Bernstein, Beatles und Rolling Stones – Es gibt es kaum etwas, das bei den Promenadenkonzerten nicht zu hören sein wird (immerhin wird ja auch fast ein Monat lang täglich musiziert).

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Blasorchester des Heeresmusikkorps Koblenz, Innsbrucker Promenadenkonzerte

Diese Vielseitigkeit ist auch das, was man bei Blasmusik entweder liebt oder hasst. Jeder halbwegs gute Popsong ist als Blasmusiksatz erhältlich. Des einen Freud, des andern Leid. Aber diese Tatsache zeigt auch, dass die Blasmusik nie den Bezug zur Gegenwart verloren hat und deswegen auch nie zum Museumsstück erstarrt ist (im Gegensatz zur Volksmusik).

Übrigens, liebe Tiroler: Die moderne Blasmusikkapelle kommt eigentlich aus der Türkei.

 

Innsbrucker Promenadenkonzerte, 7.7.-2.8.,19.30 Uhr

Die europäische Blasmusik-Elite zu Gast in Innsbruck, darunter auch: die Sächsische Bläserphilharmonie, das Schweizer Armeespiel, Fiati di Parma, Paris Brass Band oder das Belgische Staatsorchester (hier: ausführliches Programm).

Bei jedem Wetter im Innenhof der Kaiserlichen Hofburg, Matineen: Sonntags,10.30 Uhr.

Freiwillige Spenden erwünscht.

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