Alte Musik (1 of 9)

Im Schatten unterhalb des Stadtturms sitzt Charlie Chaplin und raucht eine Zigarette. Er zieht einen unsichtbaren Fächer und wedelt sich Luft zu, selbst in der Pause bleibt der Straßenkünstler seiner Rolle treu. In wenigen Minuten wird hier im Innenhof das erste Pop-Up Konzert der Alten Musik stattfinden. Immer freitags um elf bespielen im Juli und September nämlich unterschiedliche Musikgruppen die schönsten Orte der Altstadt. Heute die Capella de la Torre – dem Namen nach am Stadtturm sehr passend.

In den losen Stuhlreihen des Publikums suche ich mir einen Sitzplatz und bestaune die uralten Instrumente der Musiker. Es sind vertraute Formen und mir doch unbekannte Klangwerkzeuge. Obwohl Tirol eine äußerst lebendige Szene alter Musik besitzt, weiß ich nur wenig darüber. Umso aufmerksamer verfolge ich, wie sogar der Brunnen im Innenhof abgestellt wird, damit das Plätschern die uralten Weisen nicht stört. Die nahen Domglocken schlagen elf Mal Auftakt – als der letzte verklingt, legen die Schalmeien los.

Reisendes Spielvolk

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Begleitet von zarten Lautenklängen kriecht mir Gänsehaut über die Arme. Zwischen den alten Steinmauern spielen Akustik und Spielleute gar wundersam mit den Sinnen. Die Fantasie träumt sich in die Renaissance zurück – nur gelegentlich dröhnt ein Flugzeug über mein Luftschloss. Anekdoten und Erklärungen untermalen die Darbietungen der Musiker. Sie erzählen von ihren Instrumenten und einer Zeit, die niemand von uns erlebt hat. Musik war damals auch ein Handwerk – man war Spielmann, Instrumentenbauer und Komponist in einem. Bis heute basteln wir unsere Doppelrohr-Mundtücke darum übrigens selbst, erzählt Kapellleitung Katharina Bäuml über ihr Blasinstrument. Auch Improvisieren musste man können, denn oft genug kamen für Festlichkeiten Spielleute von überall her zusammen. Auch das heutige Ensemble kommt aus ganz Europa. Es sind die Allerbesten, gibt sie schamlos zu. Zu Ehren des Kaisers Maximilian, wem denn auch sonst.

Max 500

Fünfhundert Jahre sind seit des letzten Kaisers Herrschaft vergangen. In der Tiroler Landeshauptstadt natürlich Anlass zahlreicher Jubiläumsveranstaltungen. Neben Sonderausstellungen, Führungen, Vorträgen auch verschiedenste Darbietungen fast vergessener Musik. Auch die Kaiserliche Hofburg wird bei den Innsbrucker Promendadenkonzerten übrigens Schauplatz besonderer – und kostenloser – musikalischer Darbietungen hochkarätiger Blasorchester aus ganz Europa. Die kurzen Freitagskonzerte von etwa dreißig Minuten geben einen kleinen Vorgeschmack auf das weitere Abendprogramm. Heute zum Beispiel einem kaiserlichen Jubiläumskonzert im Zeughaus, lässt uns das Ensemble wissen. Mit noch mehr Spielleuten, alten Instrumenten, sowie Gesang und Geschichten vom Hofe des Kaisers. Dann verabschiedet sich das erste Altstadtkonzert mit einer meisterlich improvisierten Zugabe und langem Applaus. Als die Musiker zusammenpacken, fragt ein kleines Mädchen im Sommerkleid ob man heute Abend im Zeughaus vielleicht auch tanzen darf. Selbstverständlich, antworten die Spielleute gerührt.

Encore am Abend

Als ich mich im Zeughaus einfinde, sind die Stuhlreihen schon ausverkauft. Im Schatten des ausladenden Torbogens steht ein alter Mann und raucht. Er zwinkert mir zu, ungeschminkt hätte ich ihn fast nicht erkannt. Ich hole einen unsichtbaren Fächer aus meiner Tasche und wir grinsen uns an wie alte Freunde. Ich habe Glück und bekomme noch einen Stehplatz, dann wird es schnell ruhig in den Reihen. Das Ensemble ist um Orgel, Harfe und einige andere Instrumente gewachsen. Eine kristallklare Opernstimme singt von Liebe und Legenden, dazwischen führt ein Geschichtenerzähler als alter Hofnarr durch den Abend. Als die Sonne untergeht werden die Melodien festlicher, man fühlt sich als Zeuge längst vergangener Zeitgeschichte. Es ist wunderschön. Neben mir steht Charlie Chaplin und tanzt.

 

Die nächsten Altstadtkonzerte zum Mittanzen:

12. Juli – Landeskonservatorium Blasinstrumente im Innenhof der Claudiana
19. Juli – Ensemble Zeitgeist Duo im Trautsonhaus
26. Juli – Ensemble Zeitgeist Quartett am Stadtturm
06. September – Landeskonservatorium Streichinstrumente am Hermann Buhl Platz
13. September – Gertrud Huber im Innenhof der Claudiana
20. September – Ensemble Rosarum Flores im Burggraben 31, neben dem Stiftskeller
27. September – Musikschule Hall mit dem Innsbrucker Blazer Chor am Stadtturm

 

Alle Veranstalungen und Konzerte der Alten Musik Innsbruck finden sich hier.

Mehr Infos zum Ensemble „Capella della Torre“ gibt es hier, auf Facebook und YouTube.

Alle Termine der Innsbrucker Promenadenkonzerte sind hier zu finden.

Viele weitere Veranstaltungen und Konzerte gibt es im Eventkalender des Innsbruck Tourismus.

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